Unfallchirurgie
Vom Gipsverband zur modernen Frakturbehandlung
Von Dr. med. Andreas Gruner, BraunschweigVon einer zuerst konservativ geprägten Denk- und Handlungsweise ohne Möglichkeit sicherer operativer Verfahren hat sich die Unfallchirurgie über einen rein biomechanischen Fokus zu einer Lehre der Biologie des verletzten Organismus entwickelt. Hiervon zeugt exemplarisch die Versorgung von Brüchen des Handgelenkes und des Schenkelhalses.
Handgelenksbrüche sind die häufigsten Knochenverletzungen im fortgeschrittenen Lebensalter. So kommen ca. 2 – 3 Brüche des Handgelenkes pro 1 000 Einwohner und Jahr in Deutschland vor. Es gibt zwei Altersgipfel im Bereich 6 – 10 Jahre sowie 60 – 69 Jahre. Frauen sind hierbei doppelt so häufig betroffen wie Männer. Das Ausmaß des Bruches im Bereich des Handgelenkes ist u. a. abhängig von der Abstützrichtung beim Sturz und der Knochenqualität. Je nach Verletzungsart und -schwere stehen verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Diese reichen bei der sog. distalen Radiusfraktur (Bruch des körperfernen Gelenkanteiles der Speiche) vom konservativen Vorgehen und Gipsruhigstellung über sog. Verdrahtungen bis hin zu offen chirurgischen Operationsverfahren und Stabilisierungen mit angelegten Platten und winkelstabiler Verankerung direkt am Knochen. Ziel ist dabei die Wiederherstellung des Handgelenkes mit einem guten funktionellen Ergebnis.
Schenkelhalsbruch und Stabilisierung durch Verschraubung
Eine weitere häufig anzutreffende Verletzung des älteren Patienten ist der Bruch des Schenkelhalses am Hüftgelenk. Im Jahr 2007 wurden in Deutschland mehr als 96 000 hüftgelenksnahe Oberschenkelfrakturen registriert, davon betrafen mehr als 50 000 der Frakturen den Schenkelhals. 62 % der Patienten waren älter als 80 Jahre. Frauen sind von dieser Verletzung fünf Mal häufiger betroffen als Männer. Die zugrunde liegenden Einteilungen der Brüche sind auf die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückzuführen. Die möglichen konservativen wie operativen Therapieverfahren richten sich nach der Bruchform, der beim Röntgen festgestellten Abkippung des Hüftkopfes, dem Lebensalter, dem Aktivitätsgrad und dem Zeitraum bis zur Operation. Als Versorgungsmöglichkeiten kommt eine nur selten indizierte konservative Behandlung, in der Mehrzahl der Fälle jedoch eine operative Stabilisierung bzw. eine Versorgung durch eine Hüftprothese infrage.
Handgelenksnaher Bruch der Speiche …
…durch winkelstabile Platte stabilisierter Bruch der Speiche
Bei sehr jungen Patienten wird – wann immer möglich – eine hüftkopferhaltende Verschraubung angestrebt, welche innerhalb der ersten 24 Std. nach dem Unfallereignis erfolgen sollte. Im fortgeschrittenen Lebensalter richtet sich die Versorgung nach den o. g. Kriterien. Bei geringer Fehlstellung müssen die zur Verfügung stehenden Operationsverfahren patientenindividuell angewendet werden. Insbesondere bei grober Fehlstellung des Schenkelhalsbruches wird dann jedoch die Implantation einer Hüftprothese / Hemiendoprothese mit schneller Mobilisierbarkeit unter Vollbelastung empfohlen.
Behandlungsziel
Ziel jeder Behandlung eines Knochenbruches ist die Wiederherstellung der Funktionalität der verletzten Struktur des Körpers, um die Wiedereingliederung in den Alltag zu ermöglichen. Wenngleich sich die Art der Versorgung von Knochenbrüchen vielfach an Leitlinien orientiert, ist eine individuelle Therapieentscheidung in jedem Einzelfall erforderlich.
Fotos: HEH