Artikel erschienen am 01.05.2012
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Partnerschaftliche Zusammenarbeit

Von PD Dr. med. Dr. med. Eduard Keese, Braunschweig | Dr. med. dent. Gido Bornemann, Mannheim

Heute bieten viele niedergelassene Zahnärzte in ihrer Praxis implantologische Leistungen an. Hier können Patienten und Patientinnen im vertrauten Umfeld alle Schritte zum neuen Zahnersatz aus einer Hand erhalten, angefangen von der Diagnostik über das Setzen des Implantats bis hin zur regelmäßigen Nachsorge. In vielen Fällen kann allerdings eine Trennung von chirurgischer und prothetischer Rehabilitation sinnvoll sein. Bei einer schwierigen Ausgangslage wird der Mund-, Kiefer- und Gesichts­chirurg oder Oralchirurg zum verlässlichen Kooperationspartner des Hauszahnarztes.

Individualität wird in der Implantologie großgeschrieben. So wie jeder Mensch einzigartig ist, ist auch im Fall eines Zahnverlustes die Ausgangslage völlig unterschiedlich. Jede implantologische Therapie trägt dieser Individualität Rechnung, sei es durch individualisierte Materialien, die eigens für den jeweiligen Fall geplant und gefertigt werden, sei es durch ein maßgeschneidertes medizinisches Konzept mit entsprechenden Fachärzten. Einige niedergelassene Zahnmediziner konzentrieren sich daher auf den zahnprothetischen Teil in der implantologischen Behandlung und überweisen Patient oder Patientin – entweder grundsätzlich oder lediglich bei schwierigen Ausgangslagen – für den implantatchirurgischen Eingriff an Spezialisten. Aus Verantwortung wird hier auf ein „Mehr“ an Sicherheit gesetzt.

Zu einer solchen schwierigen Ausgangslage gehört, wenn sich aufgrund von längerem Zahnverlust der Kieferknochen zurückgebildet hat. Um dem Implantat die nötige knöcherne Basis zu bieten, muss eine sogenannte Augmentation (Kieferaufbau) durchgeführt werden, die zu einem dauerhaft stabilen Aufbau des Knochens führt. Soweit möglich, wird dafür patienteneigener (autologer) Knochen verwendet, der aus der Region der Weisheitszähne oder aus dem Kiefer entnommen werden kann.

Ebenfalls zu den komplexen Ausgangslagen zählt die Nichtanlage von Zähnen oder der Zahnverlust im Kindes- oder Jugendalter, da ein Implantat dem Wachstum des Kiefers nicht folgt und somit eine Implantation ausschließt. Das Abwarten bis Wachstumsabschluss stellt eine Herausforderung dar, da sich der zahnlose Kieferabschnitt durch die fehlende Beanspruchung in der Regel ungenügend entwickelt. Der chirurgische Partner augmentiert in diesen Fällen, setzt das Implantat und betreut den Prozess bis zur Freilegung des dann knochenintegrierten Implantats.

Der zweite Schritt: Prothetik mit Fokus „Ästhetik“

Beim prothetischen Teil der Implantattherapie ist der Zahnarzt verantwortlich für die Versorgung des Patienten oder der Patientin mit dem Implantataufbau (Abutment) und der Krone. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit einem Zahntechniker. Das Abutment bildet den Übergang zur Krone und ist damit verantwortlich für die Gestaltung des Zahnfleischs rund um den Zahnersatz, der sogenannten Rot-Weiß-Ästhetik. Dazu gehört auch die ästhetisch besonders wichtige Papille, die dreieckförmige Schleimhaut zwischen den Zähnen. Ziel ist es, mit optimalen, auf die jeweilige Kiefersituation abgestimmten Abutments gesundes und ausreichend angelagertes Zahnfleisch zu erhalten bzw. zu bilden, das die Implantatkonstruktion umschließt. Das ist neben dem optisch gelungenen Resultat der beste Schutz vor dem Eintreten von Keimen und Bakterien, die zur Entzündung des Zahnfleisches und zu Taschenbildung führen können.

Kooperationen der Disziplinen – Patientenfall*

In dem nachfolgend dargestellten Patientenfall lag die chirurgische und prothetische Rehabilitation jeweils in den Händen von Spezialisten.

Zahnfilm nach Freilegung

Die Patientin erlitt im Kindesalter einen Frontzahnverlust durch einen Fahrradunfall. Auch die Nachbarzähne waren durch den Unfall stark in Mitleidenschaft gezogen worden, sodass diese durch eine Brückenversorgung nicht beansprucht werden sollten. Da der Kiefer sowohl durch den Zahnverlust als auch durch die dann folgende Schrumpfung geschädigt und nicht mehr ausreichend vorhanden war, erfolgte im Alter von 17 Jahren ein Kieferaufbau mit einem Knochentransplantat aus dem Unterkiefer. Die Nachbarzähne wurden durch eine Wurzelbehandlung erhalten.

Röntgenbild nach Knochentransplantation vom Unterkieferwinkel. Befestigung des Aufbaus mit einer Mikroschraube

Nach sechs Monaten erfolgte die Insertion eines Implantates mit einem modifizierten Design. Dieses Implantat hat eine abgeschrägte Implantatschulter und kann den Knochen rund um das Implantat besonders gut unterstützen und erhalten. Die Spitze des Implantats erlaubt darüber hinaus eine bessere Zentrierung. Nach belastungsfreier dreimonatiger Einheilung erfolgte die Freilegung. Es entwickelte sich eine straffe Zahnfleischmanschette. Die prothetische Behandlung erfolgte durch den Hauszahnarzt. Nach Insertion des individuell gefertigten Atlantis-Abutments aus Zirkondioxid mit breitem Durchtrittsprofil erfolgte die Formung des umgebenden Zahnfleischs. Anschließend stand die Zementierung der Vollkeramikkrone an. Zeitgleich wurden auch die Nachbarzähne überkront. Vor der Farbanpassung wurde ein Bleaching der Restbezahnung durchgeführt.

Eingliederung des individuell gefertigten Keramikaufbauteils – weitere Zahnfleischausformung

Abschluss nach Zementieren der Kronen

Fazit

Aufgrund von erweiterten technischen Möglichkeiten ist eine implantologische Behandlung heute auch in Fällen möglich, bei denen früher aufgrund ihrer Indikation eine Versorgung nicht empfohlen worden wäre. Das begleitende chirurgische und prothetische Umfeld der Implantologie erfährt daher eine größere Beachtung. Die rekonstruktive Chirurgie und die prothetische Rehabilitation sind keine konkurrierenden Disziplinen, sondern ergänzen einander für ein ästhetisches Resultat.

* Erstveröffentlichung im Dental-Magazin Ausgabe 2/2011 mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzte-Verlages.

Fotos: Keese, Panthermedia/Les Cunliffe

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