Artikel erschienen am 27.04.2023
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Keramikimplantate in der zahnärztlichen Praxis

Von PD Dr. med. Dr. med. Eduard Keese, Braunschweig

Dementsprechend stellt sich die Frage, ob auch ein Keramikimplantat eingesetzt werden kann.

Keramik als Implantatmaterial ist keinesfalls neu. Bereits in den 1960er-Jahren wurden dentale Implantate aus Keramik entwickelt. Als Ausgangsmaterial wurde bei diesen Implantaten in der Regel Aluminiumoxid (Al2O3) verwendet. Später (1976) kam das Tübinger Sofortimplantat hinzu. Diese Implantate zeigten eine verminderte Einheilung und eine erhöhte Rate von Implantatbrüchen.

Seit einigen Jahren steht mit dem Zirkoniumdioxid (ZrO2) ein alternatives Material zur Verfügung, das deutlich verbesserte mechanische Eigenschaften aufweist, aber auch anfangs mit einer geringeren Erfolgsquote einherging.

Das Zahnimplantat ersetzt die natürliche Zahnwurzel und dient als Basis für die Befestigung des eigentlichen Zahnersatzes – einer künstlichen Zahnkrone, einer implantatgetragenen Zahnbrücke oder einer Prothese.

Bis vor einigen Jahren bedeutete die Entscheidung für ein Keramikimplantat automatisch auch die Entscheidung für ein einteiliges Implantatsystem. Mittlerweile sind jedoch auch zweiteilige Keramikimplanate erhältlich.

Einteilige Keramikimplantate

Einteilige Implantate (Abb. 1) bestehen aus einem massiven Implantatkörper, der sowohl der Verankerung im Kieferknochen als auch der Befestigung der Suprakonstruktion dient. Das Einsetzen einteiliger Implantate erfordert einen chirurgischen Eingriff: Hierbei wird das Zahnfleisch chirurgisch geöffnet, um den Knochen freizulegen. Dann wird mit speziellen Bohrern ein Hohlraum geschaffen, in den das Implantat eingesetzt wird. Das Zahnfleisch wird anschließend wieder vernäht – und zwar um das Implantat herum.

Der Implantatkopf ragt dabei aus der Mundschleimhaut hervor. Man spricht daher von einer sog. offenen Einheilung. In der mehrmonatigen Heilphase verwächst das Implantat mit dem Kieferknochen. Diesen Prozess bezeichnet man als Osseointegration. Währenddessen wird der Patient zumeist mit einem Provisorium oder speziellen Schutzschienen versorgt. Eine Sofortbelastung ist bei einteiligen Keramikimplantaten nicht möglich.

Zweiteilige Keramikimplantate

Zweiteilige Zahnimplantate (Abb. 2) bestehen aus einem Implantatkörper und einem aufgesetzten Verbindungselement (Abutment). Diese beiden Teile werden fest miteinander verschraubt, bei einigen Herstellern auch verklebt. Die Verträglichkeit des Klebers sollte bei Patienten mit Allergien im Zweifelsfall geprüft werden.
Zweiteilige Keramikimplantate sind eine relativ neue Entwicklung. Hier sind zwei chirurgische Eingriffe erforderlich: Beim ersten wird der Implantatkörper eingesetzt, der anschließend – unter dem vernähten Zahnfleisch – mit dem Knochen verwächst.

Hier spricht man von einer „geschlossenen Einheilung“. Im zweiten Eingriff wird das Zahnfleisch erneut geöffnet, um das Implantat freizulegen und das Verbindungselement aufzusetzen. Dieses dient dann nach einer zweiten kurzen Heilungsphase zur Befestigung des Zahnersatzes. Der Vorteil des zweiteiligen Implantats ist die Anpassungsmöglichkeit: Hier kann nach der Implantation durch die Auswahl von Form und Winkel des Aufbauteils eine Nachjustierung erfolgen. Der gravierendste Nachteil liegt in der Möglichkeit des Versagens der Verbindung von Implantat und Aufbau.

Zahnimplantat aus Keramik oder Titan: ein Vergleich der Materialien

Nach Angaben aus der Literatur können einteilige keramische Implantate sehr gut mit Einzelkronen und kleineren Brücken über drei Zahneinheiten versorgt werden.

Eine Versorgung größerer Lücken oder gar die Versorgung mit herausnehmbarem Zahnersatz muss bislang noch als experimentell – also nicht evidenzbasiert – betrachtet werden.

Unabhängig vom eingeschränkten Anwendungsspektrum von Keramikimplantaten sollte ein kurzer Vergleich der Materialien für die Entscheidungsfindung hilfreich sein. Jedes Verfahren birgt typische Probleme und/oder Nebenwirkungen in sich, die es sorgfältig abzuwägen gilt.

Allergische Reaktionen auf reines Titan sind in der medizinischen Fachliteratur nicht belegt, das Material gilt als absolut biokompatibel und nicht-allergen. Allerdings kommen bei einigen Zahnimplantaten, statt Rein-Titan, häufig preiswertere Titanlegierungen zum Einsatz. Die zusätzlichen Metalle können daher unter Umständen zu allergischen Reaktionen führen. Ebenso können immunologische Reaktionen auftreten. Bei Keramikimplantaten dagegen sind keine allergischen oder immunologischen Reaktionen bekannt.

Radioaktivität

Moderne Keramikimplantate bestehen aus Zirkon. Reiner Zirkon selbst ist nicht radioaktiv. Im Periodensystem der Elemente trägt er die Ordnungszahl 40 und befindet sich damit weit weg von der Reihe der radioaktiven Elemente. Allerdings gehört Zirkon zu den Mischelementen, d. h. es existieren verschiedene Ausformungen, sog. Isotope. Der natürliche Zirkon besteht zu 2,8 % aus einem Isotop, das radioaktiv ist. Dabei handelt es sich um das Zirkon-Isotop 96Zr, dessen Halbwertzeit mit 241 018 Jahren extrem lang ist. Es handelt sich dabei um Alpha-strahlung, die keine große Reichweite und Eindringtiefe hat, jedoch eine hohe relative biologische Wirksamkeit. Zwar belegen zahlreiche wissenschaftliche Studien, dass bei Zahnimplantaten bzw. Zahnersatz aus Zirkonoxid:

  • eine minimale Strahlungsdosis messbar ist,
  • diese auch weit unter dem gesetzlichen Grenzwert (1 Millisievert/Jahr) liegt
  • und diese weit niedriger ist als die natürliche oder kosmische Strahlung, der wir ausgesetzt sind.

Jedoch bleibt ein Gefühl der Unsicherheit, da Langzeitergebnisse über lange Zeiträume von Jahrzehnten fehlen und solche Schäden ohnehin nicht in den ersten Jahren zu erwarten sind.

 

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