Artikel erschienen am 01.06.2011
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Der Stifter – ein unbekanntes Wesen?

Von Dr. phil. Karsten Timmer, Mannheim

Franz Beckenbauer ist es, Günther Grass zählt dazu, ebenso wie Jürgen Klinsmann, Reinhard Mohn und Christiane Herzog – sie alle sind Stifter und setzen sich gezielt für gemeinnützige Anliegen ein. Bedeutet das aber, dass Stiftungen nur Prominenten und Vermögenden vorbehalten sind? Eine Untersuchung der Bertelsmann Stiftung belegt das Gegenteil: Gute Ideen und ein aktiver Einsatz sind beim Stiften genauso wichtig wie das Geld.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich das deutsche Stiftungswesen radikal verändert. Während Stiftungen früher erst mit dem Testament gegründet wurden, ist die deutsche Stiftungslandschaft heutzutage von aktiven Stiftern geprägt. Acht von zehn Stiftern entscheiden sich heute dazu, nicht bis zum Testament zu warten. Sie gründen ihre Stiftung zu Lebzeiten und haben damit die Möglichkeit und das Vergnügen, sich persönlich für das Gelingen der guten Sache einzusetzen.

Diese und weitere Erkenntnisse sind das Ergebnis der StifterStudie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2005, an der über 650 Stifter teilgenommen haben. Die Studie ist bis heute die maßgebliche Untersuchung zu den Menschen hinter den Stiftungen.

Viele Vermögende stiften – aber nicht alle Stifter sind vermögend

Die Studie widerlegt viele landläufige Vorurteile. So ist es eine Legende, dass nur äußerst reiche Menschen eine Stiftung ins Leben rufen. Im Gegenteil: Zwar stiften viele Vermögende, man muss aber durchaus nicht vermögend sein, um zu stiften. Ein Fünftel der Stifter gibt an, über ein Gesamthaushaltsvermögen von weniger als 250 000 Euro zu verfügen.

Ohnehin geht es bei den Stiftungen um mehr als „nur“ um Geld. Die Stifter werden jünger und aktiver. Sie bringen nicht nur ihr Vermögen, sondern auch ihre Zeit, ihre Ideen, ihre Erfahrungen und Kontakte in die Stiftungsarbeit ein. Knapp drei Viertel der Stifter sind keine distanzierten Mäzene, sondern engagieren sich nach eigener Einschätzung stark in ihrer Stiftung. Fehlende Finanzmittel werden so durch persönlichen Einsatz wettgemacht.

Viele Stiftungen starten mit einem vergleichsweise geringen Kapital. 43 % werden mit einem Vermögen von maximal 100 000 Euro ausgestattet. Diese vergleichsweise geringen Vermögenswerte sind Ausdruck der Tatsache, dass viele Stifter in Etappen stiften. Sie wollen zunächst mit einer kleinen Summe testen, ob ihre Idee auch funktioniert. Entspricht die Stiftungsarbeit ihren Erwartungen, stocken sie das Kapital auf. Das hat zusätzlich den Vorteil, dass Stifter zunächst Vermögen für die Absicherung des eigenen Lebensabends zurückhalten können. Mit ihrem Tod fällt dann das verbliebene Vermögen an die Stiftung; dies wird bei 44 % der Stifter der Fall sein.

Stifter wollen hier und jetzt etwas bewegen

Der Wunsch, sich selbst ein Denkmal zu setzen, spielt bei den Stiftungsgründern eine geringere Rolle, als oftmals angenommen wird. Mehr als 40 % aller Stiftungen tragen nicht den Namen ihres Gründers. Ohnehin zieht es fast die Hälfte der Stifter vor, anonym im Hintergrund zu bleiben. Zu Lebzeiten legen viele Stifter daher keinen Wert auf öffentliche Anerkennung. Allerdings spielt die Vorstellung, der Nachwelt ein Vermächtnis zu hinterlassen, bei vielen Gründungen eine große Rolle. Vor allem dort, wo keine Erben vorhanden sind, ist eine Stiftung eine naheliegende Option, sich einen „Wunscherben“ zu schaffen. Es verwundert daher nicht, dass 42 % der Stifter kinderlos sind – ein fast drei Mal so hoher Anteil wie im Durchschnitt der Bevölkerung.

Gleichberechtigt neben der Hinterlassenschaft an die Nachwelt stehen äußerst diesseitige Argumente für die Gründung einer Stiftung. Bei der Wahl zwischen verschiedenen Rechtsformen zeichnet sich die Stiftung vor allem dadurch aus, dass sie steuerlich weitaus attraktiver ist als etwa eine Zuwendung in Form einer Spende. Die Attraktivität der Rechtsform Stiftung besteht für viele Stifter darüber hinaus in der Kontrolle, die eine eigene Stiftung bietet. 53 % der Befragten betonen vor allem diesen Aspekt, der Stiftungen nicht nur vom Steuernzahlen, sondern auch vom Spenden unterscheidet: Bei einer Stiftung kann der Stifter selbst Schwerpunkte setzen und entscheiden, wer die Fördermittel erhält und wer nicht.

Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass es vor allem Unternehmer sind, die ihren Beitrag zum Gemeinwohl in Form einer Stiftung organisieren. Der hohe Anteil von Unternehmern unter den Stiftern – zusammen mit den Freiberuflern machen sie über 50 % aus – ist bei vielen ein Ausdruck von Dankbarkeit: „Dieses Land hat mir ermöglicht, reich zu werden“, so ein erfolgreicher Unternehmer und Stifter im Interview, „dann hab ich auch die verdammte Pflicht dazubleiben und mich hier zu engagieren“. 7 % der Stifter verbinden das gemeinnützige Engagement mit der Regelung der Unternehmensnachfolge, indem sie Anteile des Unternehmens an die Stiftung übertragen.

Ohnehin handelt es sich bei vielen Stiftungen um „Familienunternehmen“ in dem Sinne, dass ein Drittel aller Stiftungen von einem Ehepaar gemeinsam gegründet werden. Oft werden darüber hinaus auch die Kinder mit in die Stiftung eingebunden, sodass die Stiftung ein Bindeglied zwischen den Generationen wird. Gerade dieser soziale Aspekt – die Chance, Menschen zu treffen und zu verbinden – ist neben der Befriedigung über die „gute Tat“ ausschlaggebend für die Tatsache, dass praktisch alle Stifter die Stiftung als wichtige Bereicherung ihres Lebens empfinden. Stiftungen versprechen eben keinen finanziellen, aber dafür einen umso größeren sozialen und emotionalen „Return on Investment“.

Karsten Timmer: Stiften in Deutschland.
Die Ergebnisse der StifterStudie, Gütersloh 2005

Karsten Timmer: Stiften in Deutschland. Die Ergebnisse der StifterStudie, Gütersloh 2005

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