Artikel erschienen am 22.06.2023
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Modulbauweise

Baukastensystem versus individuelle Architekturplanung

Von Dipl.-Ing. Jan Laubach, Braunschweig

Muss befürchtet werden, dass die klassische Baurealisierung und Architekturplanung künftig von den angeblichen Vorteilen der Modulbauweise verdrängt werden?

Die Realisierungszeit

Klarstellend muss betont werden, dass wir von Realisierungs- und nicht von Bauzeiten sprechen. Die Realisierungszeit eines Gebäudes setzt sich vereinfacht aus den Phasen der Planung, der Vergabe der Bauleistungen, der eigentlichen Bauzeit und der Inbetriebnahme zusammen. Wie jedes Projekt muss auch bei der Realisierung in Modulbauweise das Objekt zunächst geplant und genehmigt werden. In der Regel wird insbesondere die Ausführungsplanung – üblicherweise vom Architekten – dem Modulbauer überlassen. Hintergrund: Jeder Modulhersteller hat seine individuellen Fertigungsvorgänge, die von der Werkplanung des eigentlichen Herstellers aufgrund seiner spezifischen Kenntnisse erbracht werden sollte. Bedeutet: Der Planungsprozess auf Seiten des Architekten und der Fachplaner wird bei einer Realisierung in der Modulbauweise kürzer. Auch die Realisierung des „Rohbaus“, also das Aufstellen und Montieren der Module, ist in der Regel deutlich schneller als bei einer konventionellen Gebäudeerrichtung. Aber auch für eine Modulbauweise gilt: Der Ausbau der Module findet in der Regel vor Ort mit konventionellen, oftmals örtlich ansässigen Ausbaufirmen statt. Unterm Strich: Klare Zeitersparungen durch verkürzte Planungsphase und schnellere Realisierung des Rohbaus! Aber: Der Modulbau verliert in der Regel in der Zeit von der Planung und Vergabe bis zum eigentlichen Baubeginn. Woran liegt das? Zum einen muss der Entwurf des Architekten auf die Spezifikation des Modulherstellers im Rahmen der Werkplanung übersetzt werden. Zum anderen muss dann das Werk, in dem die Module hergestellt werden, auf das spezifische Projekt eingestellt und die Fertigung der Module in die Produktion eingetaktet werden. Erfahrungsgemäß wird hier der Zeitvorteil der Modulbauweise wieder eingeholt, weshalb es am Ende heißt: Kein echter Zeitvorteil in der Gesamtrealisierung eines Gebäudes in Modulbauweise gegenüber einer konventionellen Bauerrichtung! Aber Vorteil in der Modulbauweise in der Errichtungszeit vor Ort!

Serie muss günstiger sein

Unabhängige Institute – z. B. die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (ARGE) – aber auch vergleichende Angebotseinholungen zu realisierten Projekten haben zum Ergebnis, dass die Errichtung mittels Modulbauweise nicht zwingend einen Kostenvorteil gegenüber der konventionellen Bauweise besitzen muss. Maßgeblich für die Preisgestaltung ist sicher die Entfernung der Produktionsstätte der Module bis zur Baustelle. Und, wie eingangs erwähnt, müssen auch die Modulhersteller einen Großteil der Ausbaugewerke am Ort der Baustelle hinzukaufen. Hier hat der örtliche Bauunternehmer mit einem in der Regel jahrelangen Netzwerk von Subunternehmern sicher finanzielle Vorteile im Vergleich zu einem Einkäufer, der oftmals mehrere 100 km von der Baustelle entfernt seine Produktion hat. Und auch in Hinblick auf die Gewährleistung ist der örtliche Bau-/Generalunternehmer für den Auftraggeber von Vorteil, weil er direkt greifbar ist.

Bessere Qualität durch industrielle Produktion

Klarer Vorteil der Modulbauweise: Die Module werden in der Halle bei stabilen Produktionsbedingungen hergestellt. Kein Frost, kein Regen oder zu starke Sonne, unter der der klassische Rohbauer draußen auf der Baustelle leidet. Dennoch sind die Produktionsprozesse bei vielen Modulherstellern derzeit noch nicht so optimiert, dass z. B. Maßtoleranzen geringer als bei der klassischen Bauweise ausfallen. Sicher werden sich aber die Produktionsbedingungen der Modulhersteller hier rasch weiterentwickeln. Hier wie da ist also der kompetente Architekt als Bauleiter zur Überprüfung der baulichen Qualität notwendig.

Modulbauweise: Legoarchitektur?

Natürlich ist die architektonische Vielfalt von Modulgebäuden eingeschränkt. Dies betrifft sowohl die äußere Gestaltung als auch eine große Flexibilität bei Grundrisslösungen. Komplizierte Grundstückszuschnitte, erhöhte Anforderungen an Kubatur und Gestaltung im Bebauungsplan, die maximale Ausnutzung eines Grundstückes in Hinblick auf die zu realisierenden Flächen, unterschiedliche Raumhöhen etc. sprechen sehr für eine individuelle Architekturplanung. Ebenfalls schwierig ist die Umsetzung z. B. von gefördertem Wohnraum, wenn strikte Flächenanforderungen der Förderrichtlinien und explizite Wünsche des Bauherrn nach einem definierten Nutzungsmix kombiniert werden müssen. Und, man sollte stets beachten, dass Module eigene Gesetze in der Statik und dem weiteren Ausbau haben. Mal ganz schnell eine individuelle Vorhangfassade zur besseren Gestaltung der Module umzusetzen, ist nur in direkter Abstimmung mit dem Modulhersteller möglich. Und auch die spätere Änderung der Grundrisse in der Nutzungsphase ist bei einem konventionellen Bau sicher besser umsetzbar als bei einem spezifischen Modulbau.

Die konventionelle Bauweise also der Gewinner?

Ein klares „Nein“! Die Modulbauweise ergänzt die heutigen Bauaufgaben sinnvoll, wird aber die konventionelle Bauumsetzung mit individueller Architekturplanung nicht ersetzen! Die Modulbauweise besitzt in Hinblick auf Kosten, Realisierungszeit und Qualität der Ausführung gegenüber der konventionellen Bauweise keine echten Vorteile. Sie ist dort besonders wertvoll, wo kurze Bauzeiten und eine geringe Beeinträchtigung der Nachbarschaft gefordert sind: Zum Beispiel bei Nachverdichtungen in innerstädtischen Vierteln. Sie ist immer dann von Vorteil, wenn die architektonischen Anforderungen an äußere Gestaltung und innere Grundrisslösung nicht im Vordergrund stehen, sondern Funktionalität, nahezu ähnliche Grundrisse, kurze Bauzeit und ggf. auch nur eine Interimslösung. Klassisch sind dies z. B. Ersatzschulräume, Bürogebäude, Pflegeeinrichtungen oder auch Studentenwohnheime mit immer wiederkehrenden Grundrissen.

Schwierige Grundstücksverhältnisse, hohe gestalterische Anforderungen, Nutzungsmixe von z.B. Gewerbe, Wohnen, Büro oder auch hohe Anforderungen aus spezifischen Anforderungen (Förderrichtlinien, unternehmensspezifische Ausbaustandards etc.) sprechen immer für eine individuelle Architekturplanung und meist für eine konventionelle, individuelle Errichtung.

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