Artikel erschienen am 17.07.2017
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Lebensqualität bei schizophrenen Erkrankungen

Ein ermutigender Ausblick

Von Dr. med. Henrike Krause-Hünerjäger, Königslutter

Für die Stärkung der Lebensqualität bei Patienten mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis ist ein gutes psychiatrisches übergreifendes Gesamtbehandlungssetting notwendig. Gängige, den Patienten besonders belastende Diagnosen lassen sich heute mit zufriedenstellendem Therapieerfolg behandeln.

Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis werden diagnostisch nach der internationalen Klassifikation der WHO, dem ICD-10, klassifiziert. Danach müssen für die Diagnose einer Schizophrenie über einen Mindestzeitraum von 4 Wochen typische psychopathologische Symptome vorliegen. Man unterscheidet dabei zwischen sogenannten Positiv- und Negativsymptomen: Positive oder Plus­symptome bezeichnen ein „Zuviel“, z. B. Verfolgungswahn, Halluzinationen oder Gedankendrängen; Negativsymptome bezeichnen ein „Zuwenig“, z.B. affektive Verflachung, Sprachverarmung oder sozialer Rückzug.

Historisch entstand die Entität Schizophrenie vor über 100 Jahren durch Eugen Bleuler, wurde von Emil Kraepelin schon 1899 als „dementia praecox“ bezeichnet, welches eine negative Bewertung des Krankheitsverlaufs durch vorhandene kognitive Störungen und eine schlechte Prognose implementierte. Die Ursache dafür lag vor allem in den damals noch defizitären therapeutischen Möglichkeiten. Heutzutage sind durch die stetige Forschung und Weiterentwicklung zahlreiche medikamentöse und weiterführende Therapien entstanden, die das Hauptaugenmerk zunehmend auf die Verbesserung nachhaltiger Lebensqualität des Patienten legen.

Therapieerfolg

Anfangs war das Interesse jeglicher therapeutischer Intervention vor allem die Reduktion der psychotischen Positivsymptomatik. Die Verbesserung der Psychopathologie (z. B. durch Verschwinden von Wahnsymptomen wie Stimmenhören o. ä.) war das hauptsächliche Kriterium zur objektiven Messung des Therapieerfolges. So ist es nicht verwunderlich, dass die neuroleptische Medikation mit hochpotenten Antipsychotika z. B. mit der Erfindung von Haloperidol im Jahr 1958 als ein Meilenstein in der Therapie der Schizophrenie galt. Die Reduktion des akuten psychotischen Krankheitsgeschehens konnte bei Patienten Leidensdruck vermindern, z. B. bei stark angstauslösender paranoider Symptomatik – wie dem Gefühl, bedroht und verfolgt zu werden. Neuroleptika wirken kausal am ins Ungleichgewicht geratenen Dopaminsystem im Gehirn (vgl. Dopaminhypothese zur Entstehung einer Schizophrenie), führen aber zusätzlich zu nicht erwünschten Wirkungen, z. B. zu extrapyramidalmotorischen Bewegungsstörungen. Außerdem verbessern diese althergebrachten Medikamente nicht die als einschränkend empfundene Negativsymptomatik. Insgesamt kam bei diesem Behandlungsansatz die subjektive Bewertung des Therapieerfolges durch den Patienten selbst noch zu kurz.

Patientenzufriedenheit

Dies änderte sich erst ansatzweise mit der Entwicklung sogenannter atypischer Neuroleptika, die durch eine Verbesserung der Negativsymptomatik (siehe oben) mit weniger Nebenwirkungen im motorischen Bereich dazu führen, dass Patienten sich insgesamt körperlich und geistig beweglicher fühlen und wieder zu mehr Alltagsfunktionalität in der Lage sind. Hierdurch verbessert sich entscheidend die Patientenzufriedenheit, die Arzt-Patienten-Beziehung und nicht zuletzt die sogenannte Adhärenz. Dieser Begriff ist die Weiterentwicklung und Präzisierung des früheren Begriffs der Compliance. Die Adhärenz berücksichtigt zusätzlich zum Befolgen der Therapieempfehlungen des Therapeuten die individuellen Bedürfnisse und Wünsche des Patienten (Hasan et al 2013: WFSBP-Leitlinien zur Behandlung der Schizophrenie). Somit stehen nun die Therapieziele des Patienten im Mittelpunkt! Betrachtet man diesen Aspekt im Hinblick auf die subjektiv empfundene Lebensqualität wird ein weiteres Zielsymptom interessant für die Behandlungsstrategien bei schizophrenen Erkrankungen, nämlich die Kognition.

Kognitive Störungen

Kognitive Defizite spielen, wie wir heute aus neuesten Forschungen und Studienergebnissen wissen, eine entscheidende Rolle in der Symptomatik der Schizophrenie. Die kognitiven Störungen sind nicht nur im Rahmen der Negativsymptomatik ein Thema. So spielen z. B. kognitive Verzerrungen bei der Entstehung von Wahnerleben eine Rolle, umgekehrt maskiert Positivsymptomatik kognitive Defizite. Kognitive Störungen sind also durchgängig in jedem Krankheitsstadium der Schizophrenie mehr oder minder ausgeprägt vorhanden (Husa et al 2017: große finnische Kohortenstudie). Es geht dabei nicht um die isolierte kognitive Leistungsfähigkeit höherer intellektueller Fähigkeiten, sondern vielmehr um basale kognitive Fertigkeiten wie Sprachgebrauch, Attributionsstil, Beziehungsgestaltung u. v. m. Sie beeinflussen damit in höchstem Maße die Gefühlswelt, das Denken und Erleben eines Patienten, kurz gesagt all das, was als Alltagsfunktionalität für alle Lebensbereiche als bedeutsam empfunden wird. Hiermit rückt ein weiterer entscheidender Zielparameter in den Fokus therapeutischer Entwicklungen, welcher geeignet scheint, die subjektiv empfundene Lebensqualität bei schizophrenen Erkrankungen weiter zu verbessern: die soziale Kognition!

Therapeutische Interventionen für eine bessere soziale Kognition sind u. a. die Verkürzung der unbehandelten Psychose, suffiziente Rückfallprophylaxe mit psychoedukativen Anteilen, die Optimierung eines psychosozial-psychotherapeutischen Behandlungsansatzes mit meta-kognitivem Training, optimalem medikamentösem Wirkungs- und Nebenwirkungsmanagement, komplementären Therapien (z. B. Sporttherapie), mit sozialer Unterstützung nicht nur in der Häuslichkeit (z. B. Hometreatment), sondern auch im beruflichen Bereich. Ein – wie ich finde – ermutigender Ausblick für die Verbesserung der Versorgungsqualität, bei der alle Hilfesysteme im ambulanten und stationären Sektor im Sinne einer verbesserten Lebensqualität des Patienten zusammenwirken müssen (vgl. Landespsychiatrieplan 2016, S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen, DGPPN 2013).

Fazit

Die Lebensqualität ist objektiv schwer messbar und wird subjektiv erlebt. Soziale Kognition ist ein wichtiger Faktor für die Alltagsfunktionalität und Patientenzufriedenheit. Für die Stärkung der Lebensqualität bei Patienten mit einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis ist ein gutes psychiatrisches übergreifendes Gesamtbehandlungssetting notwendig. Das ist wirkliche Patientenorientierung und Versorgungsqualität.

Bilder: Fotolia/sunnychicka

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