Stroke Unit – Schlaganfall-Spezialstation
Modernes Therapiekonzept des akuten ischämischen Schlaganfalls
Von Dr. med. Hakan Cangür, WolfsburgDer ischämische Schlaganfall

Der ischämische Schlaganfall ist Folge einer umschriebenen Durchblutungsstörung des Gehirns und geht i. d. R. mit einem akuten fokal-neurologischen Defizitsyndrom einher. Er ist Ausdruck gestörter Hirnaktivität oder bereits geschädigten Hirngewebes. Mit „Hirninfarkt" wird das morphologische Korrelat der Hirnparenchymnekrose beschrieben, das durch bildgebende Verfahren nachgewiesen werden kann. Der zeitliche Verlauf ist sehr variabel. Die Symptome können nur Minuten oder Stunden andauern, progredient zunehmen oder persistieren. Eine transitorisch ischämische Attacke (TIA) beschreibt das Auftreten von vorübergehenden Schlaganfallsymptomen ohne Läsionsnachweis im MRT. Sie ist ebenfalls als ein Schlaganfall anzusehen, da sie eine weitgehend identische Diagnostik und Rezidivprävention erfordert. Die Ursachen ischämischer Schlaganfälle können thromboembolische, mikroangiopathische und hämodynamische Mechanismen sein.
Die intravenöse Thrombolysetherapie
In den ersten 4,5 Std. nach Auftreten der ersten Schlaganfallsymptome ist eine rekombinante Therapie mit einem intravenös applizierten rekombinanten Gewebe-Plasminogen-Aktivator (rtPA) möglich. Diese Therapie ist seit Oktober 2011 mit o. g. Zeitfenster in Deutschland zugelassen, davor galt das 3-Std.-Zeitfenster. Eine Behandlung jenseits der Zulassungskriterien, z. B. in einem späteren Zeitfenster und bei Patienten über 80 Jahre, ist als individueller Heilversuch möglich und bedarf der Anleitung eines in der neurologischen Intensivmedizin ausgebildeten und erfahrenen Arztes. Wichtige Ausschlusskriterien sind eine intrakranielle Blutung, sonstige nicht kontrollierbare Blutungen, eine frische Operation mit der Gefahr der Nachblutung oder die regelmäßige Einnahme oraler Antikoagulantien.
Stroke Unit
Der Schlaganfall ist wie der Herzinfarkt oder die Lungenembolie ein medizinischer Notfall und der medizinische Notfalldienst sollte unverzüglich verständigt werden. In der präklinischen Behandlungsphase ist eine sichere Differenzierung zwischen den einzelnen Schlaganfallsubtypen (Ischämie oder Blutung) nicht möglich, sodass die sofortige Einweisung in eine Akutklinik erforderlich ist. Schlaganfallpatienten sollen in Schlaganfallstationen (Stroke Units) behandelt werden. Auch Patienten mit Schlaganfallverdacht sollen ohne Verzögerung in ein Zentrum transportiert werden, das eine Stroke Unit aufweist. Die Mitarbeiter der Schlaganfallstationen sind spezialisiert auf die Behandlung von Schlaganfällen und charakterisiert durch ihre multidisziplinäre Teamarbeit, die aus ärztlicher und pflegerischer Versorgung, Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie und Sozialarbeit besteht. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass der strukturierte Teamansatz das Initialmanagement beim akuten Schlaganfall positiv beeinflusst. Bereits am ersten stationären Tag werden in den Teambesprechungen individuell festgelegte Therapie- und Behandlungspläne erstellt und, wenn erforderlich, sogar die rehabilitative Anschlussbehandlung organisiert. In einem engen Zeitrahmen werden nicht nur Vitalparameter kontrolliert und erfasst, auch die neurologischen Symptome werden mehrmals am Tag ärztlich untersucht, um Änderungen rechtzeitig zu bemerken und ggf. darauf zu reagieren. Mehrmals täglich erfolgt die Untersuchung nach einem festgelegten Score (NIH-stroke scale). Dabei werden bspw. die Bewusstseinslage, die Bewegung der Augen, Arme und Beine sowie die Sprache beurteilt und mithilfe eines festgelegten Punktesystems dokumentiert. Hier gilt: Je höher der Punktwert, desto schwerer die Störungen.
Folgende Körperfunktionen werden nach einem Schlaganfall besonders genau überwacht:
- Blutdruck
- Herzrhythmus
- Blutzucker
- Sauerstoffsättigung (Sauerstoffgehalt im Blut)
- Körpertemperatur
- Flüssigkeitshaushalt.
Abweichungen von vorgegebenen Normwerten werden sofort behandelt.
Stroke Units verfügen über die Möglichkeit zur sofortigen Durchführung einer kranialen Computertomografie oder Magnetresonanztomografie vor Ort sowie einer kompetenten neurosonologischen Diagnostik. Darüber hinaus steht in Kliniken mit Stroke Unit auch eine digitale Subtraktionsangiografie oder eine vergleichbar aussagekräftige angiografische Methode zur Verfügung. Aufgrund der Differenzialdiagnose einer intrazerebralen Blutung (ICB) oder einer Subarachnoidalblutung (SAB) sind in Schlaganfallzentren i. d. R. auch neurochirurgische und neuroradiologische Fachabteilungen vorhanden bzw. feste Kooperationen etabliert.
Fazit
Die Behandlung auf einer Schlaganfallstation, verglichen mit der in einer allgemeinen Klinik, ist sehr effektiv und reduziert die Mortalität relativ um 18–46 % (absolut 3 %), das Risiko einer Pflegebedürftigkeit um 29 % und die Notwendigkeit einer Weiterbetreuung in einem Pflegeheim oder einer vollständigen häuslichen Pflege um ca. 25 %.
Foto: Janina Snatzke