Artikel erschienen am 01.05.2012
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Ein Notfall – welche Nummer ist die Richtige?

Von Dr. med. Bernadett Erdmann, Wolfsburg

Wenn es für Sie ersichtlich ist, dass es sich um einen lebensgefährlichen Zustand handelt, zögern Sie nicht und rufen Sie direkt die europaweite Notrufnummer Telefon 112 an.

Sie erreichen so über die bundes- und europaweit einheitliche Notrufnummer 112 die Leitstelle des Ihnen am nächsten gelegenen Rettungsdienstes bzw. der Feuerwehr, welche den weiteren Einsatz koordiniert.

Die Disponenten in den Rettungsleitstellen sind geschult, eine sachgerechte Entscheidung über den notwendigen Einsatz zu treffen, ob das Hilfeersuchen vom Rettungsdienst oder vom ärztlichen Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte bearbeitet werden muss.

Bewahren Sie Ruhe und versuchen Sie, den Mitarbeitern der Rettungsleitstelle so genau als möglich die gestellten Fragen zu beantworten. Nur so können die Mitarbeiter in der Leitstelle entscheiden, welche Rettungsdienst-Ressourcen alarmiert werden müssen.

Anhand Ihrer Schilderungen wird entschieden, ob sofort ein Notarzt zum Einsatz kommen muss oder ob es ausreichend ist, speziell ausgebildete Rettungsdienstmitarbeiter zu Ihnen zu schicken. Auch diese haben die Möglichkeit, einen Notarzt nachzufordern.

In einigen Fällen kann es sein, dass Sie an den Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte verwiesen werden.

Das in Deutschland im Rettungsdienst weit verbreitete Rendezvous-System beinhaltet, dass Rettungswagen (RTW) und Notarzt eine getrennte Anfahrt mit unterschiedlichen Fahrzeugen zum gleichen Notfallort haben. An der Einsatzstelle treffen beide Rettungsdienst-Einheiten zusammen (Rendezvous) und arbeiten dann gemeinsam am Einsatzort. Dabei kann es auch möglich sein, dass der Notarzt in einem z. B. flächenmäßig großen Einsatzgebiet oder schwer zugänglichem Gelände (z.B. Gebirge) auch mit dem Rettungshubschrauber zum Einsatzort gebracht wird.

Zu den Vorteilen dieses Rendezvous-Systems zählt beispielsweise, dass bei Einsätzen ohne ein Notarzterfordernis der Rettungswagen mit speziell ausgebildetem Rettungspersonal allein ausrücken kann und der Notarzt so für den vielleicht als nächstes eingehenden lebensbedrohlichen Einsatz sofort zur Verfügung steht. Stellt sich am Einsatzort heraus, dass der Patient ohne ärztliche Begleitung mit dem Rettungswagen in das Krankenhaus transportiert werden kann, steht auch hier der Notarzt wieder direkt für weitere Einsätze zur Verfügung. Auch ist es dem Notarzt bei schwerwiegenderen Notfällen möglich, den bisherigen Einsatzort zu verlassen und zu dem nächsten Einsatzort zu fahren.

Zwar ist es für dieses System notwendig, ein zweites Fahrzeug vorzuhalten und auch einen zweiten Fahrer für dieses Notarztfahrzeug bereitzustellen, es ist aber gerade in ländlichen oder ärztlich schlecht versorgten Gebieten möglich, ein relativ großes Einsatzgebiet mit einem qualifizierten Notarzt zu versorgen.

Die Bundesärztekammer hat in ihrem Indikationskatalog festgelegt, bei welchen Erkrankungen bzw. Beschwerden Notärzte sofort zum Einsatz gerufen werden.

Zum Beispiel sind dies:

Patient reagiert nicht auf Ansprechen und Rütteln, ausgeprägte oder zunehmende Atemnot, Atemstillstand, akuter Brustschmerz, ausgeprägte Kreislaufinsuffizienz, Kreislaufstillstand, schwere Verletzung, schwere Blutung, sehr starke Schmerzen, plötzliche Lähmungen (halbseitig).

ZustandBeispiel
Patient reagiert nicht auf Ansprechen und Rütteln Koma, Blutung im Gehirn oder schwere Gehirnerschütterung, Vergiftungen
Ausgeprägte oder zunehmende Atemnot, Atemstillstand Lungenödem, schwerer Asthmaanfall
Akuter Brustschmerz, ausgeprägte Kreislaufinsuffizienz, Kreislaufstillstand Herzinfarkt, Angina pectoris, Herzrhythmusstörungen, Blutdruckkrise, Schock
Schwere Verletzung, schwere Blutung, sehr starke Schmerzen, plötzliche Lähmungen (halbseitig) Verletzungen im Brustkorb- oder Bauchbereich,
schwere Gehirnerschütterung, Amputationen, Verbrennungen, Knochenbrüche mit deutlichen Fehlstellungen, Vergiftungen, Schlaganfall

Weiterhin gibt es Ereignisse, bei denen aufgrund des Ereignisses oder des Unfallherganges mit schweren Personenschäden zu rechnen ist und der Notarzt somit auch direkt alarmiert wird. Zu diesen Ereignissen gehören zum Beispiel:

  • Schwere Verkehrsunfälle mit Hinweisen auf Personenschaden
  • Unfälle mit Kindern
  • Brände und Rauchgasentwicklungen mit Hinweis auf Personenbeteiligung
  • Explosionsthermische oder chemische Unfälle sowie Stromunfälle mit Hinweis auf Personenbeteiligung
  • Wasserunfälle, Ertrinkungsunfälle sowie Einbrüche in Eis
  • Unfälle an Maschinen mit Einklemmung von Personen
  • Verschüttungen von Personen
  • Drohender Suizid (Selbstmord)
  • Sturz aus großer Höhe (> 3m)
  • Schuss-/ Stich-/ Hiebverletzungen im Kopf- Hals oder Rumpfbereich
  • Geiselnahmen und sonstige Verbrechen mit unmittelbarer Gefahr für Menschenleben
  • Unmittelbar einsetzende oder stattgefundene Geburt
  • Vergiftungen

(Quelle: Bundesärztekammer, Indikationskatalog für den Notarzteinsatz)

An der Vielzahl dieser Ereignisse und Erkrankungen bzw. Beschwerden ist ersichtlich, dass der Notarzt nicht zu jedem Patienten direkt nach Hause kommen kann und muss. Sein Einsatzgebiet ist der lebensbedrohliche Notfall. In vielen Fällen werden Sie von sehr gut ausgebildeten Rettungskräften versorgt und ggf. in das nächstgelegene Krankenhaus zur weiteren Behandlung gefahren.

Hohes Fieber in der Nacht, chronische Rückenschmerzen, eine Magenverstimmung – was tun, wenn der Hausarzt im Urlaub, selbst krank oder auf einer Weiterbildung ist bzw. die Praxis bereits geschlossen hat? In diesen Fällen ist klar geregelt, wer z. B. die Urlaubsvertretung oder die Behandlung außerhalb der normalen Praxiszeiten übernimmt.

So ist es für die niedergelassenen Vertragsärzte der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) verpflichtend, für die Zeit von Urlaub, Krankheit, Fehlzeiten in Zusammenhang mit einer Entbindung oder Teilnahme an einer Weiterbildungsveranstaltung einen Praxisvertreter zu benennen (z. B. durch ein Hinweisschild an der Praxistür). Der Ärztliche Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ist in diesem Sinne kein Vertreter.

Was macht der ärztliche Bereitschaftsdienst der KV?

Der ärztliche Bereitschaftsdienst der KV arbeitet außerhalb der normalen Praxisöffnungszeiten und versorgt Patienten, die nachts, am Wochenende oder an Feiertagen dringend medizinische Hilfe benötigen. In vielen ärztlichen Bereitschaftspraxen der KV ist auch ein sogenannter Fahrdienst oder Hausbesuchsdienst eingerichtet. Dieser versorgt Patienten, die nachts, am Wochenende oder an Feiertagen wegen der Schwere ihrer Erkrankung keinen Arzt aufsuchen können und dringend medizinische Hilfe benötigen.

Seit Mitte April 2012 gibt es für all diese Patienten eine einheitliche kostenlose Rufnummer für den ärztlichen Bereitschaftsdienst in ganz Deutschland: Telefon 116 117

Unter dieser Rufnummer erreichen Patienten in dringenden, aber nicht lebensbedrohlichen Notfällen den ärztlichen Bereitschaftsdienst in ihrer Nähe. Hier kann eine Weiterleitung direkt an einen diensthabenden Arzt oder eine Bereitschaftsdienst-Leitstelle möglich sein. Damit ist es in Deutschland wesentlich einfacher geworden, ambulante ärztliche Hilfe zu erhalten, wenn die Praxen geschlossen haben.

Und die Notfallaufnahmen im Krankenhaus?

Viele Krankenhäuser haben sich mit der Etablierung Zentraler Notfallaufnahmen der Aufgabe gestellt, die Schnittstelle zwischen ambulanter und stationärer bzw. prä- und poststationärer Versorgung zu verbessern.

So sind nicht nur die Verzahnung mit dem ambulanten Sektor sondern auch zielgerichtete Aufnahmeprozesse für alle Fachrichtungen eines Klinikums Kernaufgaben zentraler interdisziplinärer Notfallaufnahmen. Hierzu gehört ebenso die gesetzliche Verpflichtung, bei jedem Patienten die Notwendigkeit zur stationären Behandlung zu überprüfen wie auch intern im Krankenhaus z. B. Fehlbelegungsraten zu reduzieren.

Auf Grund der besonderen Strukturen von Notfallaufnahmen kommen der Ersteinschätzung, Stabilisierung, Sofortdiagnostik und Einleitung notwendiger Soforttherapie besondere Bedeutung zu.

Der Weg eines Patienten in eine Notfallaufnahme führt in der Regel über eine Einlieferung durch den Rettungsdienst/ Notarzt oder auch auf Einweisung eines niedergelassenen Arztes, um eine sofortige Diagnostik und Behandlung bei ambulant nicht beherrschbaren schweren Erkrankungszuständen oder lebensbedrohlichen Zuständen einzuleiten.

Daher werden in den Notfallaufnahmen Patienten immer nach ihrer Behandlungsdringlichkeit und nicht nach der Zeit des Eintreffens behandelt. Dies kann unter Umständen zu längeren Wartezeiten in Notfallaufnahmen führen, wenn z. B. Schwerverletzte nach einem Verkehrsunfall oder Patienten mit Zeichen eines Herzinfarktes oder Schlaganfallpatienten bevorzugt behandelt werden.

Zu guter Letzt unser Tipp

Bei weniger dringlichen Erkrankungen (z. B. chronischen Rückenschmerzen, einem grippalem Infekt, Magenverstimmung, Unwohlsein oder Fieber) ist es ratsam, zunächst einen niedergelassenen Arzt aufzusuchen. Dies wird in der Regel Ihr Hausarzt sein. Sofern Ihr Hausarzt im Urlaub oder selbst erkrankt ist, hat er in den meisten Fällen einen Vertreter benannt. Welche Praxis die Vertretung übernommen hat, erfahren Sie häufig am Telefon der Praxis bzw. durch einen Aushang an der Praxistür.

Denken Sie bitte daran, bei nicht lebensbedrohlichen und weniger dringlichen Fällen am Wochenende, an Feiertagen und außerhalb normaler Praxisöffnungszeiten den kassenärztlichen Notfalldienst aufzusuchen. In besonderen Fällen kommt der Fahrdienst des kassenärztlichen Notfalldienstes auch zu Ihnen nach Hause und macht einen Hausbesuch. Wenn die niedergelassenen Ärzte einen Anlass sehen, dass bei Ihnen eine dringende Krankenhausbehandlung notwendig ist, werden diese Sie in das nächstgelegene Krankenhaus einweisen.

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