Artikel erschienen am 19.12.2014
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Professionalisierung der betrieblichen Altersversorgung

Haftungsrisiken und Mitarbeiterbindung

Von Detlef Kropp, Bielefeld | Dr. Stefan Wohlleben, Paderborn

Die betriebliche Altersversorgung hat mit ca. 20 Millionen Anwartschaften mittlerweile neben der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland eine große Bedeutung gewonnen. Nun steht eine Phase der „Professionalisierung der betrieblichen Altersversorgung“ in vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) an.

Nachdem zum 01.01.2002 über § 1a des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG) das Recht der Mitarbeiter auf Entgeltumwandlung eingeführt wurde, stand bei kleinen und mittelständischen Unternehmen vor allem die Beratung zur Entgeltumwandlung über Pensionskassen oder Direktversicherungen im Vordergrund. Nach dieser „Einführungsphase“ haben heute viele Unternehmen oft ein Nebeneinander von diversen Versorgungsträgern, Vertragstypen und Zusagearten „in den Büchern“, die die Verwaltung der betrieblichen Altersversorgung aufwendig machen. Aus diesem Grund steht nun eine Phase der „Professionalisierung der betrieblichen Altersversorgung“ in vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen an. Dabei geht es vor allem um die Einrichtung von Firmenversorgungswerken zur Mitarbeiterbindung. Ein zweiter Aspekt ist die klare Strukturierung aller Prozesse in der bAV, um die Arbeit zu erleichtern und mögliche Risiken, die in der Vergangenheit oft unbewusst eingegangen wurden, zu begrenzen.

Attraktive Renditen trotz Niedrigzins

Die Umlaufrendite ist seit den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts von über 8 % auf gegenwärtig ca. 0,74 % pro Jahr abgesunken. Um dem Niedrigzins zu entkommen und den Kunden weiterhin attraktive Angebote machen zu können, haben viele Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen in den vergangenen Jahren damit begonnen, ihre Kapitalanlagen breit zu streuen. Sie investieren verstärkt in Immobilien, Infrastruktur, Windparks, Unternehmensanleihen oder Schwellenländer.

Versicherungsgesellschaften sind traditionell sicherheitsorientierte Anleger. Daher investieren sie nur zu ca. 5 % in Aktien – obwohl weit mehr gesetzlich zulässig wäre. Die erwirtschafteten Renditen können sich durchaus sehen lassen: Kapitalanlageergebnisse von 5 % für das Jahr 2013 sind in den Geschäftsberichten großer Lebensversicherungen durchaus zu finden. Leider erhält der Kunde diesen Wert nicht in voller Höhe gutgeschrieben. Aber selbst nach Abzug aller Kosten sind die Leistungen der Finanzierungseinrichtungen der betrieblichen Altersversorgung, z. B. Pensionskassen, Direktversicherungen und Unterstützungskassen, überaus gut. Auch die garantierte Wertentwicklung von etwas über 1 % pro Jahr ist bei relativer Betrachtung attraktiv. Dies ist im Vergleich zu einer Anlage mit gleicher Laufzeit bei einer Bank oder Sparkasse mit beispielsweise 0,5 % pro Jahr allein für die Garantieleistung mehr als doppelt so viel, für die Leistung mit Überschüssen ca. sechsmal mehr.

Bei längeren Laufzeiten – wie in der betrieblichen Altersversorgung üblich – liegen die Wertentwicklungen von leistungsstarken Versorgungsträgern noch etwas höher. Weitere Vorteile der betrieblichen Altersversorgung sind die geringe Kostenbelastung durch Gruppenverträge und bei einer Entgeltumwandlung die Einzahlung aus dem Bruttogehalt. Häufig geben die Arbeitgeber ihre Lohnnebenkostenersparnis in Höhe von 20 bis 25 % als Folge einer Entgeltumwandlung voll oder teilweise an die Arbeitnehmer weiter. Dadurch wird die betriebliche Entgeltumwandlung endgültig zur attraktivsten Vorsorgemöglichkeit für den Mitarbeiter – trotz nachgelagerter Krankenkassenpflicht und leicht reduzierter Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. Schanz, Thomas in Der Betrieb 2013, Heft 26/27, S. 1425 – 1432 und Heft 28, S. 1501 – 1508).

Bausteine zur Mitarbeiterbindung

Gegenwärtig sind im Zuge der „Professionalisierung der bAV“ in der Beratungspraxis zwei Trends klar erkennbar. Zum einen sind Arbeitgeber immer mehr bereit, für bestimmte Mitarbeitergruppen Finanzmittel für ein Firmenversorgungswerk mit Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenleistungen bereitzustellen. Hintergrund für diese Entwicklung ist die schon jetzt spürbare Verknappung von qualifizierten Arbeitskräften, die je nach Branche und Standort in den nächsten Jahren weiter zunehmen wird.

Da selbst besser verdienende Mitarbeiter oft nur Renten in Höhe von 2 000 Euro aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, besteht großer Vorsorgebedarf, der durch eine individuelle Firmenrente für die Leistungsträger im Unternehmen gezielt aufgestockt werden kann. Durch die geschickte Ausnutzung der Vorschriften des BetrAVG können Beiträge des Arbeitgebers zu einem Firmenversorgungswerk mit einer Wartezeit versehen werden, um damit die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen zu erhöhen. Verlässt ein Mitarbeiter z. B. innerhalb von fünf Jahren nach der Zusage einer Firmenrente den Betrieb, können die eingebrachten Finanzmittel bei der Firma verbleiben und der Mitarbeiter geht leer aus. Einfach gesprochen bedeutet das: Wer engagiert arbeitet und sein Können dem Betrieb lange zur Verfügung stellt, bekommt eine Firmenrente! Wenn Sie das beschriebene Modell zur Förderung und Bindung der wichtigsten Mitarbeiter einführen wollen, ist immer eine individuelle Beratung notwendig, um eine Kollision mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu vermeiden.

Risikobegrenzung dringend notwendig!

Der zweite Trend in der „Professionalisierung“ der betrieblichen Altersversorgung ist die zunehmende Unsicherheit der Arbeitgeber, ob die Vielzahl der Gesetze, BAG-Urteile und BMF-Schreiben zur betrieblichen Altersversorgung in der betrieblichen Praxis auch korrekt umgesetzt werden. Das aktuellste Beispiel für eine neu zu beachtende Rechtsprechung ist das BAG-Urteil vom 21.01.2014 (Az. 3 AZR 807/11) zum Recht des Mitarbeiters auf Entgeltumwandlung nach § 1a BetrAVG. Aus diesem Paragrafen wurde bislang häufig eine Beratungspflicht des Arbeitgebers zur Entgeltumwandlung abgeleitet. Das o. g. Urteil wird oft nur als Beleg für die nicht vorliegende Hinweispflicht des Arbeitgebers auf das „Recht auf Entgeltumwandlung“ angesehen. Wer aber genau hinsieht, wird feststellen, dass in dem Urteil auch etwas zu Informationspflichten beim Abschluss einer Entgeltumwandlung steht. So kann neben der Informationspflicht über den Versorgungsträger oder den Durchführungsweg auch eine Informationspflicht über die Zusageart des abgeschlossenen Direktversicherungsvertrags vorliegen. Aber welcher Personalsachbearbeiter oder Firmenchef kennt schon die verschiedenen Zusagearten einer Direktversicherung bzw. deren Unterscheidungsmerkmale? Da die verschiedenen Zusagearten beim Ausscheiden eines Mitarbeiters oder beim Beginn der Altersrente aber sehr unterschiedliche Effekte nach sich ziehen, sollte zumindest ein Grundverständnis vorhanden sein. Immerhin ist bei einer Zusageart eine fallende Betriebsrente möglich, die nicht nur viele Betriebsrentner sicher sehr überraschen dürfte!

In der Praxis werden oft Verträge zur betrieblichen Altersversorgung beim Eintritt eines neuen Mitarbeiters ins Unternehmen ohne Not einfach übernommen. Dies kann vor allem bei fondsgebundenen Verträgen – wenn diese im Streitfall als Beitragszusage mit Mindestleistung ausgelegt werden – zu Nachschussverpflichtungen des Arbeitgebers führen. Wird ein solcher Pensionskassenvertrag abgeschlossen und in der Satzung der Pensionskasse ist eine Leistungskürzung bei Unterdeckung genannt, so kann es zu Nachschussverpflichtungen des Arbeitgebers kommen (vgl. BAG, Urt. v. 19.06.2012 – Az. 3 AZR 408/10).

Klarer Handlungsfahrplan

Die Beispiele zeigen, dass ein Arbeitgeber gut beraten ist, wenn er sich für die wichtigsten Personalereignisse einen klaren Handlungsfahrplan für die betriebliche Altersversorgung erstellt. Wenn z. B. ein neuer Mitarbeiter eine bestehende Versorgung in Form einer Direktversicherung, einer Pensionskasse oder einer Unterstützungskasse „mitbringt“, ist im Idealfall vorher festgelegt worden, ob die Versorgung nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG vollständig übernommen wird oder ob der Übertragungswert nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG in das bestehende Firmenversorgungswerk übertragen werden kann. Beide Regelungen sind zulässig, wobei der Arbeitgeber mit der zweiten Variante langfristig seinen Verwaltungsaufwand senkt.

In einem Handlungsfahrplan zur Risikobegrenzung der bestehenden Verträge sind folgende Punkte zu beachten:

  • Neueinstellung eines Mitarbeiters (Versorgungsträger, Zusageart)?
  • Beginn und Ende der Elternzeit?
  • Mitarbeiter möchte seine Beiträge erhöhen, reduzieren, den Vertrag ganz kündigen?
  • Ende der Lohnfortzahlung bei längerer Krankheit?
  • Rückkehr in den Betrieb nach entgeltloser Zeit?
  • Mitarbeiter verlässt das Unternehmen?

Ergänzend sollte geklärt werden, welche Vorschriften sich aus einem Tarifvertrag ergeben könnten und ob alle Dokumente nach § 5 LStDV und gemäß des o. g. BAG-Urteils vom 21.01.2014 (Az. 3 AZR 807/11) vorliegen.

Sicher ist die Erstellung eines Fahrplans für die genannten Personalereignisse mit etwas Arbeit und unter Umständen auch mit einer Beratungsgebühr für einen fachkundigen Spezialisten verbunden. Langfristig werden Sie aber davon profitieren, da mögliche Streitfälle oftmals erst gar nicht entstehen.

Ergänzend kann allen Arbeitgebern nur empfohlen werden, die Komplexität der betrieblichen Versorgung zu reduzieren. Neben dem o. g. „Fahrplan zur Professionalisierung“ können Sie die Durchführung auf einen Versorgungsträger beschränken. Bei dessen Auswahl sollte neben den harten Fakten – beispielsweise Rentenleistung oder Rating – auch auf weiche Faktoren wie Servicelevel oder Online-anbindung geachtet werden. Suchen Sie sich einen spezialisierten Berater, mit dem Sie diese Themen einmal gründlich durchsprechen, dann ist die betriebliche Altersversorgung für Sie haftungsarm und mit wenig Aufwand verbunden. Gleichzeitig können Sie wichtige Mitarbeiter über eine Zusage auf betriebliche Vorsorge als einen Baustein im Gesamtvergütungspaket langfristig an sich binden. Das Ganze lässt sich natürlich ohne Bilanzberührung und ohne Anfall von Lohnnebenkosten umsetzen. Parallel dürften sich leitende Mitarbeiter über eine steuerfreie Zuwendung des Arbeitgebers freuen.

Fotos: panthermedia/ginasanders

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