Artikel erschienen am 29.10.2014
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Umsetzung der Geheimhaltungspflicht

Arbeitsvertragliche Regelung und strafrechtliche Konsequenzen

Von Andreas Silbersack, Halle (Saale | Mario Straßberger, Halle (Saale

1. Einleitung

Millionen Deutsche fühlen sich derzeit ausspioniert. Was im großen Stil von außen praktiziert wird, ist in deutschen Unternehmen aber schon längst gang und gäbe – meist, ohne dass Sie etwas merken und manchmal gar nicht mit Absicht.

Der Mitarbeiter, dem Sie eben noch Ihre neueste technische Entwicklung, ein geplantes Betriebskonzept oder die aktuellen Umsatzzahlen gezeigt haben, verlässt ihr Unternehmen – und nimmt diese Informationen mit. Anstatt loyal zu sein, verrät er dem neuen Arbeitgeber diese Geheimnisse, womöglich noch gegen Bezahlung. Doch selbst von einem bestehenden Arbeitsverhältnis gehen solche Gefahren aus.

Bei immer härteren Wettbewerbsbedingungen hat jedes Unternehmen deshalb ein Interesse daran, dass der (ehemalige) Mitarbeiter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vertraulich behandelt. Unter welchen Bedingungen Sie diese Geheimhaltungspflicht umsetzen können, möchten wir hier aufzeigen.

2. Was ist ein Geheimnis?

Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind, und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen.1

Der Geheimhaltungspflicht unterliegen somit etwa: Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte.

Der Unternehmer muss seinen Willen zur Geheimhaltung nach außen erkennbar gemacht haben. Hieran sind allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen, sodass sich die Geheimhaltungspflicht bereits aus der Information selbst ergeben kann. Im Zweifel ist deshalb anzunehmen, dass alle innerbetrieblichen Kenntnisse und Vorgänge, deren Existenz im Betrieb der Außenwelt unbekannt sind und die einen Einfluss auf die Position des Unternehmens im Wettbewerb haben können, nach dem Willen des Betriebsinhabers geheim zu halten sind.2

3. Arbeitsvertragliche Regelung

Auch ohne besondere Vereinbarung sind dem Arbeitsvertrag – wie § 241 Abs. 2 BGB und die dort normierte Rücksichtnahmepflicht zeigen – zahlreiche vertragliche Nebenpflichten immanent. Hierzu zählt insbesondere die Verpflichtung des Arbeitnehmers, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Arbeitgebers zu wahren.3 Diese Pflicht bleibt selbst dann bestehen, wenn eine gesondert vertraglich vereinbarte Geheimhaltungspflicht, aus welchen Gründen auch immer, unwirksam ist.4

Trotzdem ist es erlaubt und sogar ratsam, eine explizite Geheimhaltungspflicht in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Während die Pflicht zur Geheimhaltung ohne besondere Erwähnung im Arbeitsvertrag mit Auflösung desselben endet, kann durch eine arbeitsvertragliche Vereinbarung die Geheimhaltungspflicht auch über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus erzielt werden. Diese Vereinbarung wird aber erst dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn der Arbeitgeber an die Verletzung dieser Pflicht eine Vertragsstrafe knüpft.

Bei der Vereinbarung von Vertragsstrafen ist jedoch Vorsicht geboten. Eine Vertragsstrafe muss ein besonderes Maß an Bestimmtheit und Klarheit aufweisen,5 was bedeutet, dass sich der Arbeitnehmer auf die auslösende Pflichtverletzung und deren Rechtsfolge, also die zu zahlende Strafe, einrichten können muss.6 Anerkannt ist mittlerweile, dass es keine pauschalierte Obergrenze für eine Vertragsstrafe gibt. Je nach Verstoß, Vertraulichkeit der Informationen und wirtschaftlichem Wert dürfte die Vertragsstrafe jedoch ein bis drei Bruttomonatsgehälter betragen. Empfehlenswert ist darüber hinaus eine projektbezogene Vereinbarung. Je nach Projekt kann so die Vertragsstrafe beliebig vereinbart werden – bspw. 5 % der Auftragssumme.

Empfehlenswert ist jedenfalls, eine solche Strafe mit dem Arbeitnehmer vor Vertragsschluss gesondert auszuhandeln und diese dann erst in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Andernfalls könnte es sich dann um allgemeine Geschäftsbedingungen handeln, die speziellen Regelungen unterliegen, insbesondere häufig als unangemessen benachteiligend gelten. Vermeiden Sie außerdem eine pauschale Strafe für eine beliebige Verletzung des Arbeitsvertrages, sondern regeln Sie die Vertragsstrafe für die Geheimnispflichtverletzung selbstständig.

4. Strafrechtliche Konsequenzen

Nach § 203 Abs. 1 StGB kann mit Strafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bestraft werden, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, auch ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart. Doch nach Abs. 1 Nr. 1–7 und Abs. 2 Nr. 1–6 können nur die dort genannten Personen belangt werden – bspw. Ärzte, Rechtsanwälte, Amtsträger oder Sachverständige. Für alle Arbeitnehmer, die nicht von Gesetzes wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind, gilt dies nicht.

Der Gesetzgeber hat jedoch mit § 17 UWG einen ähnlichen Straftatbestand geschaffen, mit dem sowohl der Verrat eines Geheimnisses als auch dessen Verwertung durch Dritte geahndet werden kann. Hierbei kann der Straftatbestand jedoch nur während des Bestehens des Dienstverhältnisses und nur von einem „Beschäftigten“ erfüllt werden. Ausgenommen sind also selbstständige Arbeitnehmer, wie etwa selbstständige Versicherungs- oder Handelsvertreter7 und auch der Geheimnisverrat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Beachten sollten Sie, dass die Verfolgungsbehörden oft nur dann tätig werden können, wenn Sie einen für die Verfolgung notwendigen Strafantrag stellen, was bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder einem Gericht möglich ist. Der Strafantrag muss unbedingt innerhalb von 3 Monaten ab Kenntnis des Verstoßes und des Täters gestellt werden.

Im Übrigen findet § 17 UWG auch über die Grenzen Deutschlands hinaus Anwendung: Das deutsche Strafrecht gilt nach § 5 Nr. 7 StGB unabhängig davon, wo der Geheimnisverrat stattfindet, immer dann, wenn das verletzte Unternehmen seinen Sitz in Deutschland hat.

5. Tipps für Arbeitgeber

Den besten Schutz gegen den Verrat eines Geheimnisses bieten immer noch Sie selbst. Setzen Sie also dort an, wo das Geheimnis entsteht und verhindern Sie Möglichkeiten, es unbefugt nutzbar zu machen.

Lassen Sie sich zudem eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen und nehmen Sie diese zur Personalakte. Empfehlenswert ist außerdem, projektbezogene Verschwiegenheitserklärungen anzufertigen und diese mit einer Vertragsstrafeklausel zu versehen, wenn diese nicht ohnehin im Arbeitsvertrag separat vereinbart ist. Sensibilisieren Sie Ihre Arbeitnehmer also für dieses Thema und zeigen Sie die Konsequenzen deutlich auf.

Lassen Sie vertrauliche Dokumente nicht offen liegen und versehen Sie digitale Inhalte nicht nur mit einem Passwort, sondern signieren Sie diese unsichtbar. So lässt sich nachvollziehen, ob die Datei von Ihnen stammt und wo sie hingelangt ist. Kennzeichnen Sie nicht digitale Dokumente als vertraulich und lassen Sie sich von den betreffenden Mitarbeitern eine Bestätigung unterschreiben, dass und in welcher Anzahl diese eine Information erhalten haben. Auf diese Weise können Sie im Ernstfall den Kreis der infrage kommenden Täter nachweisbar eingrenzen.

Wenn der Vertrauensbruch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund der Verletzung der Geheimhaltungspflicht gravierend ist, bleibt meist nur die fristlose Kündigung. Doch Vorsicht! Nicht jede Verletzung der Geheimhaltungspflicht berechtigt zu einer fristlosen Kündigung. Bei der Frage, ob eine fristlose Kündigung gerechtfertig ist, müssen die Tatsachen und Umstände abgewogen werden. Hierbei können dies bspw. sein: die wirtschaftliche Bedeutung des Geheimnisses, der Kreis der informierten Personen und die Person des Verräters selbst. So kann auch das geringe Alter eines Mitarbeiters, die daraus folgende Unerfahrenheit im Umgang mit Geheimnissen oder ein nicht zu erwartender künftiger Verstoß8 eine vorherige Abmahnung erforderlich machen.9 Daneben können Sie, bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung, auch Schadensersatz gegenüber dem Mitarbeiter geltend machen.

Bei begründetem Verdacht dürfen Betriebsinhaber zur Beweisführung auch Firmenrechner und privaten E-Mail-Verkehr vom Firmenaccount überprüfen oder sogar Privatdetektive engagieren.

Fußnoten

1 BVerfG, Beschl. v. 14.03.2006 – Az. 1 BvR 2087/03 = BVerfGE 115, S. 205 – 259; BGH, Urt. v. 26.02.2009 – Az. I ZR 28/06 = GRUR 2009, S. 603 – 606.
2 Harte-Bavendamm, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 5.
3 BAG, Beschl. v. 23.10.2008 – Az. 2 ABR 59/07 = NZA 2009, S. 855 – 859.
4 BAG, a. a. O.
5 LAG Berlin, Urt. v. 22.05.1997 – Az. 1 Sa 4/97 = NZA-RR 1998, S. 53 – 56.
6 BAG, Urt. v. 14.08.2007 – Az. 8 AZR 973/06 = NJW 2008, S. 458 – 461.
7 BGH, Urt. v. 26.02.2009 – Az. I ZR 28/06 = GRUR 2009, S. 603 – 606.
8 So für Organvertreter: BAG, Beschl. v. 23.10.2008 – Az. 2 ABR 59/07 = ZIP 2009, S. 2018 – 2022.

Bild: PantherMedia/Michael Osterrieder

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