Neue Wohnformen im Spannungsfeld des Niedersächsischen Heimgesetzes
VonIn dem am 29.06.2011 in Kraft getretenen Niedersächsischen Heimgesetz (NHeimG) wird definiert, dass nicht selbstbestimmte Wohngemeinschaften als Heime gelten und demnach alle Auflagen für Heime erfüllen müssen. Dies führt für kleine, von einer Trägerschaft geführte Wohngruppen zu nicht finanzierbaren Kosten. Die starre Umsetzung des Gesetzes hat dazu geführt, dass im Unterschied zu anderen Bundesländern in Niedersachsen bisher nur wenige neue zeitgemäße Wohnformen für alte und pflegebedürftige Menschen entstanden sind. Die Entwicklung neuer Wohnformen wird durch diese Gesetzeslage ganz erheblich gebremst. Kritik an dieser Situation gibt es bereits, doch die Stimmen der Sozialverbände mit Trägerschaften von Altenbetreuung, z. B. der Alzheimergesellschaft Niedersachsen, der Diakonie Niedersachsen, der Johanniter sowie der politischen Parteien (Grüne, SPD, Linke), um nur einige zu nennen, blieben bisher ohne Wirkung.
Nicht nur die Anbieter von Pflegeeinrichtungen sehen hier Potenzial. Der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sieht in der Realisierung alternativer Wohnformen für alte Menschen Chancen für neue Konzepte und die zukünftige Vitalisierung von Quartieren.
Das Pflege-Neuausrichtungsgesetz vom 01.01.2013 sollte die Entwicklung der ambulanten Pflege-Wohngemeinschaften fördern. Da jedoch weiterhin das NHeimG in Kraft bleibt, ist jede neue Wohnform, die von einem Träger unterstützt wird, nach § 5 Abs. 2 Ziff. 4, 5 und 8 als Pflegeheim zu betrachten. Dies bestätigte das Verwaltungsgericht Oldenburg in seinem Urteil vom 09.08.2012, nach dem eine Wohngemeinschaft, in der Menschen leben, die ihr Selbstbestimmungsrecht nicht mehr ausüben können, als Heim gilt. Solche Wohngemeinschaften sind allerdings – sowohl im Bestand wie auch in Neubauten – ohne eine Trägerinitiative oder Unterstützung für die Bewohner nur schwer zu realisieren. Folglich erschwert die heutige Rechtslage das Entstehen neuer Wohnformen und die durch die Investitions- und Förderbank Niedersachsen (NBank) zur Verfügung gestellten Fördergelder werden kaum abgerufen. Die Entwicklung ambulanter Pflege-Wohngemeinschaften stagniert trotz Pflege-Neuausrichtungsgesetz weiterhin.
Daher sollte, wie von verschiedenen Wohlfahrtsverbänden vorgeschlagen, eine Koppelung von Miet- und Betreuungsverträgen zumindest für eine Anlaufphase von zwei Jahren möglich sein, um solche Projekte zu stabilisieren und Investoren nicht abzuschrecken.
Auch in ambulant organisierten Wohngemeinschaften sollte dem Bewohner ein Verbleiben bei schwerer Pflegebedürftigkeit ermöglicht werden. Besser und glücklicher als im NHeimG ist dies z. B. im schleswig-holsteinischen Gesetz für Wohn- und Hausgemeinschaften formuliert. Die in diesem Gesetz enthaltene Definition zu Wohnen, Pflege und Betreuung und den damit verbundenen Prüfungsanforderungen und Anzeigepflichten lassen alternative Wohnformen zu. Standards müssen auch hier gelten, damit die neuen Wohnformen nicht „frei in der Landschaft schweben“, wie Herr Golmann (Ambet e. V., Braunschweig) erst kürzlich formulierte. Dies ist insbesondere zu sichern durch:
- Qualitätsmanagement,
- Beschwerdemanagement,
- Darstellung der geplanten Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte,
- Angaben, in welcher Weise bürgerschaftliches Engagement mitwirken kann, und
- Verträge der Bewohner mit Informationen hinsichtlich des Trägers, des Personals, der Nutzungsarten, Lage und Größe sowie zum Brandschutz (§ 13 NHeimG).
Es bleibt der Eindruck, dass die Beweggründe zu den strengen Formulierungen des NHeimG auf einem grundlegenden Misstrauen gegenüber den Trägerschaften beruhen. Es wäre höchste Zeit, dass hier durch gemeinsame Gespräche mit allen an Pflege und Betreuung Beteiligten neue Wege gesucht werden, welche die Erfüllung der gegenseitigen Aufgaben im Interesse der Bewohner gewährleisten.