Artikel erschienen am 18.12.2023
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Die Drehmanschette der Schulter

Antrieb und Stabilisator des Schultergelenks

Von PD Dr. med. Nael Hawi, Braunschweig

Foto: Adobe Stock/Cinefootage Visuals

Wie muss man sich das vorstellen?

Das Schultergelenk ist das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers. Dieses hohe Bewegungsausmaß der Schulter wird in der Tiefe durch einen Muskel-/Sehnenapparat ermöglicht, der das Gelenk hauben- bzw. manschettenförmig umgibt. In der Fachsprache wird dieser als Rotatorenmanschette oder einfach als Drehmanschette bezeichnet und spielt sowohl bei der Beweglichkeit als auch bei der Stabilität des Gelenkes eine wichtige Rolle. Die Manschette gleitet hierbei in der Bewegung in einem engen Kanal zwischen dem Oberarmkopf und dem Schulterdach.

Warum kommt es zu einer Sehnenverletzung?

Durch den hohen Einsatz des Sehnenapparates ist dieser altersabhängigen Veränderungen bzw. einem Verschleiß ganz besonders ausgesetzt. Auch immer wiederkehrende Überkopfbelastungen, wie beim Handwerker oder Tennisspieler, oder Unfälle können zu einer Verletzung dieses Sehnenapparates führen. Zudem kommt es im Alter zu einer Verengung des knöchernen Kanals oberhalb der Sehne mit Entwicklung von knöchernen Zacken, die wiederum zu einer Verletzung der Sehne führen können. Der Teil des Sehnenapparates, der an der engsten Stelle verläuft und üblicherweise vor allem betroffen ist, ist die Supraspinatussehne.

Wie äußern sich die Beschwerden?

Kommt es zu einer Verletzung an dem Sehnenkomplex, so resultieren oft Schmerz, Schwäche und Bewegungsunfähigkeit. Auch können die Beschwerden in den Nacken und den Oberarm ausstrahlen. Das Ausmaß der Symptomatik ist jedoch sehr heterogen. Im Rahmen eines akuten Unfallereignisses kann es ebenfalls zu einem Teil-/Abriss des Sehnenkomplexes kommen, der dann zu einer (schmerzhaften) Bewegungsunfähigkeit des Armes führen kann. Auch die Angabe von Nachtschmerzen ist typisch für eine Verletzung.

Wie vorgehen?

Eine genaue Befragung zum Krankheitsverlauf, eine fokussierte körperliche Untersuchung durch den Orthopäden mit der Durchführung nativer Röntgendiagnostik/Sonographie geben erste Hinweise. Weiterführend erlaubt eine Magnetresonanztomographie (MRT) die genaue Beurteilung der Sehnen.

Wie wird eine Verletzung der Sehnen behandelt?

In Abhängigkeit des Ausmaßes der Verletzung und des Beschwerdebildes, kann ein konservativer Therapieversuch erfolgen. Besonders bei verschleißbedingten und altersabhängigen Verletzungen der Sehnenkann durch Spritzen (Kortison, Hyaluronsäure), Physiotherapie und / oder Stoßwellentherapie eine Linderung der Schmerzsymptomatik und eine Verbesserung der Funktion erreicht werden. Eine gerissene Sehne wächst hierbei in der Regel nicht mehr an den Knochen an, sondern andere Partien der Schulter (Muskeln und Sehnen) übernehmen die Aufgabe des gerissenen Anteils.

Bei größeren Verletzungen an der Sehne mit einem kompletten Abriss sollte vor allem beim aktiven und jungen Patienten nach spätestens sechs Monaten eine operative Wiederherstellung der Sehnenintegrität angestrebt werden. Durch den weiterhin bestehen Muskelzug an der gerissenen Sehne kommt es zu einem zunehmenden Zurückziehen des Sehnenstumpfes und zu einem Verkümmern des Muskelbauches. In Abhängigkeit des Zustandes der Sehne wäre dann keine operative Rekonstruktion mehr möglich. Auch ist die Chronifizierung von Schmerz zu bedenken.

Wie sieht eine Operation aus?

Dieser Eingriff kann meist arthroskopisch minimalinvasiv erfolgen (Schlüssellochchirurgie). Hierbei wird die Sehne über im Knochen eingebrachte Fadenanker direkt angenäht. Nach 6 Wochen wächst die Sehne an den Knochen an und nach weiteren 6 Wochen ist sie wieder fest am Knochen eingeheilt.

Wie sieht die Nachbehandlung aus?

Die Nachbehandlung einer Sehnennaht ist zeitaufwendig und erfordert Mitarbeit und Geduld. In Abhängigkeit der Risskonfiguration und der Stabilität wird für 3 bis 6 Wochen ein spezielles Kissen (Abduktionskissen) getragen. In den ersten 6 Wochen erfolgt die Bewegung des Armes passiv, mit der aktiven Beübung wird ab Woche 7 begonnen.

Wie ist der Erfolg einer Operation?

Durch eine Operation kann in 80% der Fälle eine schmerzarme und belastbare Schulter erreicht werden. Bei lang zurückliegenden Verletzungen und weit ausgedehnten Verletzungen an den Sehnen ist sowohl die Operation aufwendiger als auch das Ergebnis weniger gut vorhersehbar. In diesen Fällen kann es auch zu erneuten Rissen nach der Operation kommen. Durch die gewebeschonende Schlüssellochoperation sind Verletzungen an den Nerven und Blutgefäßen die Ausnahme.

Schulterschmerzen mehr als sechs Monate?
Was tun?

  • Untersuchung durch Facharzt (Röntgen, Ultraschall)
  • Sicherung der Diagnose durch eine Magnetresonanz  tomographie (MRT)
  • Bei Sehnenrissen sollte vor allem beim jungen aktiven Menschen eine operative Sehnennaht erwogen werden
  • Je kleiner das Ausmaß der Verletzung und je früher die operative Versorgung erfolgt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit des Erfolges.

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