Artikel erschienen am 26.04.2023
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Wie der Mensch altert

Von Dr. Med. Ulrich Stein, Bad Harzburg

Welche Mechanismen stecken dahinter? Und können wir sie beeinflussen?

Mit dem Altern verbinden wir meistens all die negativen Veränderungen unserer körperlichen und geistigen Fähigkeiten im Laufe des Lebens. Schon ab einem Alter von etwa 30 Jahren sinkt unser Grundumsatz an Energie, unsere Nervenbahnen leiten Reize langsamer weiter und unser Gehirngewicht nimmt langsam ab. Unser Körper verändert sich durch Gewichtszunahme und Muskelabbau – mit 80 Jahren sind 50 Prozent der Muskelmasse geschwunden, die geistigen Fähigkeiten lassen nach: Je älter wir werden, desto schwerer können wir uns räumlich orientieren, unser Reaktionsvermögen wird langsamer, wir lernen schlechter, können uns weniger merken und weniger gut mit Zahlen umgehen.

Das Altern hat jedoch auch positive Folgen. Es gibt sie wirklich, die sogenannte Altersweisheit: Im Alter zwischen 70 und 80 Jahren können wir zum Beispiel sehr viel besser logische Schlussfolgerungen ziehen und – bei in etwa gleichbleibender Wortflüssigkeit – schneller die Bedeutung von Worten erfassen als mit 30. Das biologische Alter muss zudem nicht unbedingt dem kalendarischen Alter entsprechen. Das Altern ist von vielen Faktoren abhängig, verläuft nicht gleichmäßig und ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Es gibt äußere und innere Einflüsse, die negativ auf den Alterungsprozess einwirken können: Krankheiten, Umwelteinflüsse, Bewegungsmangel, Fehlernährung oder Suchtmittelkonsum.

Welche Faktoren bestimmen, wie alt wir werden?

Alterswissenschaftler gehen davon aus, dass die Gene zu 25 Prozent beeinflussen, wie alt ein Mensch wird und wie gesund er im Alter ist. Entscheidender ist jedoch die Lebensweise: Sie bestimmt zu etwa 50 Prozent unser Altern. Hierzu zählt auch die kulturelle Vererbung wie die Lebensweise der Eltern, die uns von Kindesbeinen an prägt. Gesünder zu leben, zahlt sich in jedem Alter aus. Natürlich spielt auch die medizinische Versorgung eine Rolle, wenn es darum geht, wie alt jemand wird. Dennoch werden manche Menschen älter als andere, ohne dass es bislang fundierte Erklärungen dafür gibt. Das ist bis heute Gegenstand der Forschung.

Eine Reihe verschiedener komplexer, oft noch unverstandener Mechanismen sind für das Altern verantwortlich. Sie beeinflussen und begrenzen die Lebensdauer von biologischen Systemen wie Zellen, den daraus aufgebauten Organen, Geweben und Organismen. Schlüsselfunktionen im Alterungsprozess des menschlichen Körpers haben zum Beispiel das Kollagen, die Zytokine und die Telomere.

Kollagen ist körpereigenes Eiweiß und als einer der Hauptbestandteile des Bindegewebes überall im Körper zu finden: im Herzmuskel, in der Lunge, dem Gefäßsystem, den Knochen und in der Haut. Es gibt vier verschiedene Kollagen-Typen. Typ I ist hart elastisch in Zähnen, Sehnen und Knochen. Typ II ist widerstandsfähig gegen Druck und beispielsweise in Knorpel enthalten. Typ III ist strukturerhaltend und Bestandteil von Muskeln, Arterien und diversen Organen. Typ IV kommt in kleinsten Strukturen wie der glomerulären Basalmembran in der Niere vor. Im Alter steigt der Kollagengehalt in unserem Körper an, weil es weniger abgebaut wird und als Lückenfüller für abgestorbene Zellen fungiert. Es wird vermehrt der weniger elastische Typ I gebildet, zudem vernetzen sich die Kollagenfasern zunehmend – ein Grund dafür ist Bewegungsmangel. Dadurch wiederum werden wir insgesamt weniger beweglich.

Das Eiweiß Zytokin ist ein natürlicher Botenstoff des Körpers, durch den sich die Zellen des Immunsystems verständigen. Er organisiert die körpereigene Abwehr mit. Im Alter steigt die Zahl der Zytokine an, was chronische Entzündungen zur Folge haben kann. Diabetes mellitus Typ II und die Alzheimer-Krankheit werden unter anderem mit dem Anstieg der Zytokine in Verbindung gebracht, wissenschaftlich wirklich gesichert ist das aber nicht. Das Immunsystem selbst ist im Alter weniger anpassungsfähig, kann schlechter auf neue Erreger reagieren. Alte Menschen sind anfälliger für Infekte und komplizierte Krankheitsverläufe sowie hinsichtlich der Tumorentstehung.

Telomere sind wie die innere Uhr unserer Zellen. Sie markieren unsere Chromosomen-Enden und stabilisieren die Struktur der Chromosomen. Pro Zellteilung geht eine bestimmte Anzahl DNA-Bausteine (Erbinformation) verloren, die Telomerlänge nimmt mit der Zeit und unserem Alter ab. Verkürzen sich die Telomere, werden die Chromosomen instabiler und die Entstehung von Krebs begünstigt. Bei zu kurzen Telomeren hört die Zellteilung auf und der Zelltod (Apoptose) tritt ein. Alterswissenschaftler um Karl Lenhard Rudolph und Hong Jiang haben festgestellt, dass bei sehr alten Menschen die Telomerlänge länger aufrechterhalten wird.

Die Telomerlänge lässt sich bisher ebenso wenig beeinflussen wie der Anstieg der Zytokine – zumindest nach heutigem wissenschaftlichem Stand.

Was jeder Mensch jedoch mit einer gesunden Lebensweise (Stichwort Ernährung und Suchtmittel) beeinflussen kann, ist insbesondere seine Mobilität im Alter durch regelmäßige Bewegung.

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