Artikel erschienen am 26.04.2023
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Stationäre orthopädische Rehabilitation

Bewährte Strukturen in neuen Herausforderungen

Von Ilias Fanoulas, M.Sc., M.Sc., Bad Harzburg

Hinzu kommen strukturierte und praktische Informationen z. B. zur Ernährung, zum Rücken schonenden Bewegen und zur Sturzprophylaxe. Nach § 1 Sozialgesetzbuch IX erhalten Behinderte oder von einer Behinderung bedrohte Menschen Leistungen zur Rehabilitation, um Ihre Selbstbestimmung und ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern.

Bei einer stationären Rehabilitation werden die Patienten nicht nur während der Therapiezeiten, sondern rund um die Uhr versorgt. Die Coxarthrose (Hüftgelenksarthrose), die Gonarthrose (Kniegelenksarthrose) und chronische Rückenschmerzen sind die häufigsten Gründe für eine Rehabilitationsmaßnahme.

Obwohl immer mehr ambulante Therapiemöglichkeiten angeboten werden, bleibt der hohe Stellenwert der stationären Rehabilitation unberührt. Nach einer orthopädischen Operation wie z. B. nach der Implantation eines künstlichen Gelenkes (Hüfte-, Knie- oder Schulterprothese) benötigen die Patienten eine interdisziplinäre multimodale Nachbehandlung. Direkt nach Entlassung aus dem Akutkrankenhaus ist die Rolle der Physiotherapie vorrangig, um die Beweglichkeit des jeweiligen Gelenkes nach solchen Operationen wiederherzustellen. Das Leben mit einem künstlichen Gelenk stellt für die meisten Patienten eine große Herausforderung dar. Alte, schmerzbedingte Bewegungsmuster müssen aufgegeben werden, um neue konsequent zu trainieren. Die Motivation und das aktive Mitmachen des Patienten sind für das postoperative und langfristige Ergebnis von erheblicher Bedeutung. Aufgrund der zunehmend kürzeren Liegedauer im Akutkrankenhaus („Fast Track“ oder „Rapid Recovery Chirurgie“) besteht bei den meisten Patienten allerdings noch im Rahmen der Rehabilitation der Bedarf nach engmaschiger ärztlicher Betreuung. Regelmäßige Wundkontrollen durch Ärzte und qualifiziertes Pflegepersonal (Wundexperten), regelmäßige klinische sowie laborchemische Kontrollen (Blutentnahme) und entsprechende Anpassung der Schmerzmedikation sowie eine leitliniengerechte Thromboseprophylaxe gehören zu den wichtigsten Behandlungsmaßnahmen.

Stationäre orthopädische Rehabilitation bedeutet heutzutage nicht nur Krankengymnastik und Mobilisation, sondern vollständige Patientenversorgung, um den Genesungsprozess zu fördern. Die Qualität des ärztlichen, physio-, ergo- und psychotherapeutischen Handelns in der Rehaklinik wird regelmäßig im Rahmen des externen Qualitätsmanagements durch die Krankenkassen und Rentenversicherungen geprüft und ergänzt unser internes Qualitätsmanagement. Der Fokus liegt darin, ob eine Einrichtung geeignet ist, adäquat und qualitätsentsprechend die Bedürfnisse einer alternden und von Behinderung bedrohten Gesellschaft zu erfüllen. Heute ist bereits jeder fünfte Einwohner Deutschlands mindestens 65 Jahre alt. Parallel dazu wird eine Steigerung der durchschnittlichen Lebenserwartung bis 2060 weiter auf 85,0 Jahre für Männer und auf 89,2 Jahre für Frauen prognostiziert (Grünheid & Friedler 2013, S. 6 ff.). Bei den hochbetagten multimorbiden operierten Patienten besteht besonderer Bedarf nach einer systematischen Anwendung von interdisziplinären Therapiekonzepten im Rahmen der Rehabilitation, um altersrelevanten Komplikationen vorzubeugen oder diese rechtzeitig zu behandeln. Diesen Bedarf hatte der Gesetzgeber schon im Jahr 1989 identifiziert, als er das Prinzip „Rehabilitation vor Pflege“ einführte. Früh-Mobilisation bedeutet für ältere Patienten nicht nur die Erhaltung der Kondition des Bewegungsapparates, sondern stellt einen Hauptfaktor für die Kognition dar und wird direkt mit der postoperativen Lebenserwartung und Lebensqualität assoziiert. Eine weitere Besonderheit dieser Patientengruppe ist oft die fehlende häusliche Versorgung. Diese Problematik verlangt den Einsatz von engagierten Sozialarbeitern der Reha-Klinik, um ein erfolgreiches Case- und Entlassungsmanagement zu betreiben, was seit August 2019 gesetzlich verpflichtend ist.

Das Altern der Gesellschaft zusammen mit einer ausgeprägten Individualisierung und wachsenden Patientenansprüchen tragen dazu bei, dass neben der Erwartung einer schnellen und komplikationslosen Rehabilitation noch großes Interesse an Präventions- und Schulungsmaßnahmen besteht.

Nicht nur um die Senioren wieder fit zu machen, sondern auch bei Patienten mit diversen chronischen muskuloskelettalen Beschwerden – unabhängig vom Alter – wird ein multimodales therapeutisches Regime benötigt. Häufig liegt ein psychosomatischer Hintergrund vor oder es zeigt sich eine besondere berufliche Problemlage. Diese Patientengruppe kann von einer stationären orthopädischen Rehabilitation maßgeblich profitieren. Eine Distanzierung von ungünstigen Lebensfaktoren (problematische soziale und/oder familiäre Umgebung, Mobbing am Arbeitsplatz etc.) im Rahmen des stationären Aufenthaltes kann sich positiv auswirken und einen Perspektivenwechsel ermöglichen. Somit ist die stationäre orthopädische Rehabilitation eine Chance für die Rehabilitanden, den Baustein für einen Neustart zu setzen. Eines der Angebote der Deutschen Rentenversicherung ist das MBOR-Programm, die Medizinisch Berufsorientierte Rehabilitation. Eine Ausgangsanalyse (Belastungserprobung), gefolgt von Interventionen wie Arbeitsplatztraining, Psychotherapie und psychoedukativen Elementen zur Lebensstiländerung sind von erheblicher Bedeutung, um das Leistungsprofil des Rehabilitanden zu beurteilen und die soziale und berufliche Reintegration zu unterstützen.

In diesem Kontext lässt sich nachvollziehen, welche Breite das Therapiespektrum der stationären orthopädischen Reha aufweist und wie wichtig es für jeden Patienten ist, sich für die richtige Rehabilitationseirichtung zu entscheiden.

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