Artikel erschienen am 26.04.2023
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Das dentale Sofortimplantat

Vorteile und Fakten zur sofortigen Implantatversorgung im Überblick

Von Dr. Med. Maximilian U. Jamil, Braunschweig, Wolfsburg | Christian Klemme-Naske, Braunschweig, Wolfsburg | Dr. Med. Dr. Med. Dent. Astrid Licharz , Braunschweig, Wolfsburg

Abgesehen von ästhetischen Einschränkungen macht der einhergehende Funktionsverlust einen Zahnersatz in den meisten Fällen unumgänglich. In der modernen Zahnmedizin stellt die Implantation mittlerweile das Mittel der Wahl zur Rehabilitation dar. Hochwertige Implantate eröffnen dem Patienten zahlreiche Vorteile, die nicht nur in der Optik begründet sind. Neben der ästhetischen Wiederherstellung wird dem Patienten auch die natürliche Kaufunktion zurückgegeben.

In den überwiegenden Fällen wird bei Zahnimplantaten erst nach einer Einheilzeit von 3 bis 6 Monaten ein sichtbarer Zahnersatz, wie beispielsweise eine Krone, aufgesetzt. Das Konzept der Sofortimplantation, oft kombiniert mit einer Sofortversorgung kann dieses Warten auf den neuen Zahn erheblich verkürzen. Allerdings ist die Sofortimplantation nicht in jedem Fall möglich. Hier muss der Spezialist entscheiden.

Wann kommt eine Sofortimplantation in Frage?

Die typische Indikation zur sofortigen Implantation ist der Zahnverlust oder eine starke Beschädigung eines Zahnes durch einen Unfall. Nach einem derartigen traumatischen Ereignis ist das Zahnfach des Kieferknochens meistens intakt und eignet sich daher gut für eine Sofortimplantation. Sollte eine kariöse Erkrankung zum Verlust des Zahnes geführt haben, kann eine Sofortimplantation nur erfolgen, sofern ein entzündungsfreier Kiefer vorliegt. Dies muss zwingend im Vorfeld des Eingriffes röntgenlogisch abgeklärt werden. Hierzu eignen sich bewährte röntgenlogische Verfahren, wie beispielsweise die Digitale Volumentomographie.

Im Laufe der Zeit haben einige Chirurgen und Zahnärzte sogar Konzepte entwickelt, Patienten mit bereits traumatisch geschädigtem und/oder entzündetem Knochenbett mittels Sofortimplantation zu rehabilitieren. Hier sollte allerdings unter strenger Abwägung der Risiken im Einzelfall von geeigneten Spezialisten über die sofortige Implantation entschieden werden. Von einer sofortigen Versorgung mit einer Zahnkrone ist in diesen Fällen jedoch eher abzusehen.

Die sofortige Implantation, gegebenenfalls mit sofortiger Versorgung des Implantates erspart dem Patienten langwierige Sitzungen bei Chirurg und Zahnarzt. Der Körper erfährt durch das Vermeiden wiederholter Eingriffe weniger Belastungen. Der Patient verlässt die Praxis mit dem positiven Gefühl, bereits die Basis für einen vollwertigen Zahnersatz im Mund zu haben und bei Sofortversorgung des Implantates ist dies sogar der Fall. Insofern hat die Sofortimplantation auch positive psychische Effekte auf den Patienten.

Vorraussetzungen für eine Sofortimplantation

Die Sofortimplantation ist für die meisten Patienten eine verlockende Option. Sie ist aber nur dann sinnvoll und und zielführend, wenn geeignete Voraussetzungen vorliegen. Sind diese nicht ideal, wird das Implantat in den meisten Fällen nicht korrekt einheilen und somit weitere Eingriffe nach sich ziehen, die das Knochenbett weiter schädigen können. In vielen Fällen ist in der Folge ein Knochenaufbau mit anschließender regulärer Implantation notwendig.

Aus diesen Gründen sollte der Arzt im Vorfeld überprüfen, ob die Bedingungen für eine Sofortimplantation erfüllt sind:

Es muss ausreichend Knochen in Höhe und Breite vorhanden sein. Dieser Knochen sollte zudem qualitativ gut sein, denn das Einbringen des Sofortimplantates muss „primärstabil“ erfolgen, also eine gewisse Festigkeit des eingebrachten Sofortimplantates muss gewährleistet sein.
Akute Entzündungen dürfen nicht vorliegen. Eine Sofortimplantation ist in der Regel nicht möglich, wenn ein Zahn aufgrund einer Entzündung im Bereich der Wurzel entfernt werden musste.
Das Zahnfleisch sollte möglichst unbeschädigt sein, keine tiefen Risse aufweisen und sollte sich nicht vom darunterlegenden Knochen gelöst haben. Daher muss die vorausgehende Zahnentfernung ohne Beschädigung des teils sehr dünnen Knochens geschehen. Versierte Chirurgen und Zahnärzte verfügen über speziell geeignetes Instrumentarium um dies zu gewährleisten.
Es dürfen keine entzündlich-infektiösen Zustände in der Peripherie des zu setzenden Sofortimplantates herrschen. Sind angrenzende Zähne nicht entzündungsfrei, darf eine Sofortimplantation nicht erfolgen.

Der Knochen ist entscheidend

Die Struktur des Knochenbettes ist der wichtigste Faktor, wenn eine Entscheidung zur Sofortimplantation getroffen werden soll. Röntgenologische Verfahren ermöglichen heute eine relativ sichere Einschätzung zu Knochenstruktur und Knochenangebot im zu implantierenden Bereich, der Arzt muss aber bedenken, dass die abschließende Beurteilung, ob sofort implantiert werden kann, erst erfolgen darf, wenn der Zahn gezogen wurde. Erst zu diesem Zeitpunkt kann der Zustand des Knochens genau überprüft werden. Die Knochendichte, die dem Implantat nach Einbringung zur Stabilität verhilft, sollte nach Einbringung zudem mittels eines speziellen Gerätes, das einem Drehmomentschlüssel gleicht, überprüft werden. Dieses misst die benötigte Kraft, ein Implantat in den Knochen einzudrehen. Diese Kraft wird in Newtonzentimeter (Ncm) angegeben und sollte mindestens 30Ncm betragen. Hier gilt: Je höher der Wert, der beim Eindrehen erreicht werden kann, desto besser für die Stabilität des Implantates. Werden diese Werte nicht erreicht, sollte der Arzt in Erwägung ziehen, die Knochenqualität und Knochenquantität zu verbessern, also gegebenenfalls einen Knochenaufbau durchzuführen und die Sofortimplantation zugunsten einer regulären Implantation zu verwerfen.

Aufbau eines Sofortimplantates

Der Aufbau eines Sofortimplantates unterscheidet sich prinzipiell nicht von dem anderer Implantate. Es obliegt dem Chirurgen oder Zahnarzt, welches Implantatsystem er für geeignet hält, eine Sofortimplantation zu ermöglichen. Die Industrie hat in den letzten Jahren Implantatsysteme entwickelt, die den Erfordernissen an eine sofortige Implantation sofortiger Versorgung mit Kronen entgegenkommen, so zum Beispiel über die Entwicklung teils selbstschneidender „aggressiver“ Gewinde des Implantatkörpers. Diese Neuentwicklungen ermöglichen es den Chirurgen oder Zahnärzten, die Implantate mit hoher Primärstabilität einzusetzen.

Der Implantatkörper besteht in der Regel aus reinem Titan oder Titanlegierungen. Titan hat sich in der gesamten Chirurgie als gut verträglicher Werkstoff für viele Prothesen im Körperinneren etabliert. Auch finden zunehmend Sofortimplantate aus Zirkoniumdioxidkeramik Verwendung, auch diese gelten als unproblematisch und bestens gewebeverträglich.

Wie wird das Sofortimplantat in den Kiefer gesetzt?

Der Eingriff kann im Normalfall unter örtlicher Betäubung erfolgen. Sollte es vom Patienten gewünscht werden, können aber auch Sedationsverfahren oder die Intubationsnarkose eingesetzt werden. Eine Einnahme von Antibiotika rund um den Eingriff ist notwendig und soll einer Infektion vorbeugen. Der Eingriff sollte unter größtmöglicher Sterilität in geeigneten Räumlichkeiten mit entsprechend technischer Ausstattung erfolgen. Die genaue Art und Weise, wie ein Sofortimplantat gesetzt wird, hängt davon ab, wie der Kieferknochen geschaffen ist und von der Größe der Alveole (des Loches), welche der Zahn hinterlassen hat. Normalerweise entspricht der Platz, den eine gezogene Zahnwurzel hinterlassen hat, nicht exakt der Form des zu setzenden Implantates. Insofern muss die Alveole in der Regel vergrößert werden, was durch konfektionierte Bohrer geschieht. Die Bohrung endet mit Erreichen des gewünschten Implantatdurchmessers. Erst dann wird das konfektionierte Implantat in den Kieferknochen versenkt. Bei diesem Bohrvorgang wird der abgetragene Knochen möglichst gesammelt und kann später zum Auffüllen zurückgebliebener Hohlräume im Knochen genutzt werden. Sollte weiterhin Knochensubstanz fehlen, kann auch an anderer Stelle des Schädelknochens Knochensubstanz abgetragen und verwendet werden. Die Verwendung von Eigenknochen des Patienten hat sich bewährt, es können jedoch auch Knochenersatzmaterialien zum weiteren Knochenaufbau genutzt werden. Am Ende der Operation wird entschieden, ob das Implantat sofort mit einem definitiven Zahnaufbau versorgt werden kann. In jedem Fall wird die Wunde möglichst spannungsfrei wieder verschlossen.

Kann ein Sofortimplantat unmittelbar belastet werden?

Die Tatsache, dass bei einer Sofortimplantation das tragende Implantat direkt nach der Zahn­entfernung eingepflanzt wird, bedeutet noch nicht, dass auch die endgültige Krone (Sofortbelastung) direkt nach dem Eingriff auf diesen Pfeiler geschraubt wird. Der behandelnde Arzt muss die Entscheidung treffen, ob eine Sofortbelastung vertretbar ist. Es wird daher grundsätzlich zwischen zwei Arten der Kronen unterschieden. Bei der Sofortversorgung wird eine provisorische Krone auf das Implantat aufgesetzt. Diese schließt eine Lücke in der gleichen Weise wie der später einzugliedernde endgültige Zahnersatz. Allerdings wird die Zahnkante hierbei etwas flacher gestaltet, damit die provisorische Krone keinen Kontakt zur Gegenbezahnung hat. Die Zähne können also nicht aufeinander beißen. Dies hat den Sinn und Zweck, das Implantat zunächst zu schonen und eine gute Einheilung zu gewährleisten. Der Patient muss dabei selbst darauf achten, auf der betroffenen Kieferleiste nicht zu kauen. Nach einer Zeit von 8 bis 12 Wochen wird das Provisorium vom Zahnarzt gegen die endgültige Krone getauscht und der Zahnersatz ist in vollem Maße funktionsfähig.

Eine weitere Möglichkeit ist die sofortige Versorgung des Implantates mit der endgültigen Zahnkrone (Sofortbelastung). Die Kaukraft wirkt somit direkt und unmittelbar auf das Implantat ein. Diese Methodik war lange Zeit umstritten, da viele Ärzte einen negativen Effekt auf die Einheilung der Implantate bei Belastung angenommen haben. Es gibt nach wie vor strikte Gegner aber auch Befürworter dieser Vorgehensweise. Die Datenlage der mittlerweile zu diesem Thema publizierten Studien lässt aber den Schluss zu, dass es bei der Sofortbelastung keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Erfolgsaussichten gibt. Einige Studien sehen die Sofortbelastung zudem als vorteilhaft an, denn Belastung des Implantates signalisiert dem Körper, die betroffenen Knochenstrukturen gegebenenfalls zu stärken und das Wachstum zu fördern.

Kritisch zu sehen ist eine Sofortbelastung des Implantates, wenn Patienten zum Beispiel Raucher sind oder an Diabetes mellitus leiden. Solche Faktoren können laut Studienlage die Erfolgsprognose eines Sofortimplantates signifikant verschlechtern.

Eine mögliche weitere Variante ist eine Sofortimplantation ohne provisorische Krone und ohne endgültige Krone. Hierbei wird das Implantat zwar direkt nach Entfernen des Zahnes eingepflanzt, es soll aber zunächst einwachsen und keinerlei Belastung ausgesetzt sein. Dieses Verfahren ähnelt der Vorgehensweise bei einer normalen Implantation, bei dem eine Einheilzeit von mindestens 3 Monaten vorgesehen ist. Der Patient muss die Praxis aber nicht mit einer sichtbaren Lücke verlassen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten der provisorischen Versorgung durch den Zahnarzt, die die Lücke optisch schließen, ohne das Implantat zu belasten. Nach der vorgesehenen Einheilzeit kann die endgültige Krone eingesetzt werden.

 

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