Artikel erschienen am 04.05.2023
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Know-how, Geschäftsgeheimnisse und Kundenstamm beim Unternehmenskauf

Wie sichert man die Übertragung der Kronjuwelen?

Von Dipl.-Volkswirt, Rechtsanwalt, Joachim Rudo, Hannover

Doch wie lässt sich sichern, dass diese auch nach der Transaktion noch beim Target bzw. beim Erwerber sind? Sind die Geschäftsgeheimnisse auch immer so gut geschützt wie das offenbar z. B. beim österreichischen Kristallglashersteller Swarovski der Fall ist? Swarovski hütet das Geheimnis, wie die selbstentwickelten Maschinen das Glas genau so schleifen, dass es funkelt wie ein teurer Diamant seit der Gründung 1895 mit äußerst strengen Maßnahmen. Der Unternehmensgründer Daniel Swarovski soll sogar mit dem Fernglas auf die umliegenden Tiroler Berge gestiegen sein, um zu kontrollieren, dass nur ja kein Fabrikfenster Fremden Einblicke gewährt.

Beim Unternehmenskauf betrifft der Geschäftsgeheimnisschutz nicht nur

  • die Geheimhaltungsvereinbarungen (Non-Disclosure­ Agreement = NDA) und den Umfang der Offenlegung in der frühen Phase von Verhandlungen
  • sowie Verschwiegenheitsklauseln in Anstellungs­verträgen von Geschäftsführern und Arbeitnehmern, sondern auch die Frage
  • welches Know-how nach der Transaktion vom Erwerber­ bzw. Target genutzt werden darf
  • und ob und inwieweit Dritten die Nutzung dieses Know-hows verboten werden kann.

Geschäftsgeheimnisschutz erfordert Nachweis angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen

Das seit April 2019 geltende Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen gewährt einen Schutz für eine Information, wenn sie (1) geheim ist, (2) einen kommerziellen Wert hat, weil sie geheim ist, (3) Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen ist und (4) ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der Information besteht.

Geschäftsgeheimnisse können z. B. technisches Know-how, Fertigungsmethoden oder Konstruktionszeichnungen, Rezepte, Kunden- und Preislisten, Warenbezugsquellen, Betriebskonzepte oder Umsatzzahlen sein.

Welche Geheimhaltungsmaßnahmen angemessen sind, hängt vom Einzelfall ab. Die Anforderungen richten sich nach der Wichtigkeit der Information, ihrer Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und dem Kreis der informierten Personen: Je brisanter eine Information und je kleiner der Kreis der Personen ist, der bestimmungsgemäß Zugriff auf die Information hat, desto höher sind die Anforderungen an ausreichende Geheimhaltungsmaßnahmen.

Dabei geht es um das Vorhandensein und die Dokumentation von technischen und organisatorischen Maßnahmen wie z. B.

  • Zugriffsbeschränkungen auf Daten (u. a. durch Passwörter und Zugangscodes),
  • Zugangsbeschränkungen für bestimmte Räume bzw. Unternehmensbereiche,
  • die Einordnung von Arbeitnehmern nach bestimmten „Geheimhaltungsstufen“,
  • die Kontrolle über Veröffentlichungen des Unternehmens und seiner Mitarbeiter in Werbung, PR und Wissenschaft
  • sowie um vertragliche Schutzmechanismen.

Verschwiegenheitsvereinbarung und Wettbewerbsverbot

Vertragliche und nachvertragliche Verschwiegenheitsvereinbarungen bezüglich des Know-hows des Unternehmens betreffen in erster Linie die Geschäftsführer und die Arbeitnehmer, aber auch verschiedene Vertragspartner und deren Arbeitnehmer (s. u.).

Je konkreter die zu schützenden Geschäftsgeheim­nisse im Anstellungsvertrag benannt und definiert werden, desto eher wird eine nachvertragliche Verschwiegenheitsvereinbarung mit einem Arbeitnehmer als wirksam angesehen und nicht für eine unzulässige Umgehung der Karenzentschädigung gehalten.

Faktisch kann ein gewisser Schutz von Geschäfts­geheimnissen vor einer Verwertung durch Dritte teilweise durch vertragliche und nachvertragliche Wettbewerbsverbote erreicht werden, die entweder schon vor einer Transaktion vorhanden sind oder in deren Rahmen vereinbart werden. Dabei geht es vor allem um den Unternehmensverkäufer, die Geschäftsführer und die Arbeitnehmer. Wettbewerbsverbote sind allerdings nur wirksam, wenn und soweit sie räumlich, zeitlich und inhaltlich nicht zu weit gehen und im Fall eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für ­Arbeitnehmer eine Karenzentschädigung vorsehen.

Weitere geschäftsgeheimnisrelevante Verträge

U. a. bei Lizenz-, Kooperations-, Entwicklungs- und Lohnfertigungsverträgen sowie vielen Arten von Dienstleistungsverträgen erlangen Geschäftspartner sowie deren Organe und Mitarbeiter Zugang zu Geschäfts­geheimnissen des Targets. Wenn bezüglich dieser Verträge und der betroffenen Anstellungsverträge der entsprechenden Organe und Arbeitnehmer kein hinreichender vertraglicher Geheimnisschutz besteht, droht nicht nur die faktische Nutzung dieses Know-hows durch Konkurrenten, Kunden oder Lieferanten, sondern auch der Verlust der Rechte an eigenen Geschäfts­geheimnissen.

Geschäftsgeheimnisse von Dritten

Beim Unternehmenskauf geht es nicht allein um ­Geschäftsgeheimnisse des Targets, sondern auch um Geheimnisse der Geschäftspartner. Für diese sehen die Vereinbarungen ein Nutzungsrecht für die Vertrags­laufzeit und ein Nutzungsverbot für die Zeit danach vor.

Beim Asset Deal ist deren Weiternutzung nur möglich, wenn der Geschäftspartner einem Wechsel der Partei zustimmt oder ausnahmsweise schon im Vorfeld ­zugestimmt hat.

Aber auch beim Share Deal droht das Ende des Nutzungsrechts im bisherigen Umfang und des Zugriffs auf künftige Weiterentwicklungen des Geschäftspartners, wenn die Vertragsbeendigung wegen der Laufzeit, einer ordentlichen Kündigung oder einer außerordentlichen Kündigung im Rahmen einer Change-of-Control-Klausel naheliegt.

Kundenlisten und Kundenstamm

Kundenlisten genießen meist Schutz als Datenbank nach § 87a Urheberrechtsgesetz und, soweit sie ­Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaß­nahmen sind und nicht als Referenzliste auf der Unternehmenswebsite zu finden sind, auch als Geschäftsgeheimnis.

Der Kundenstamm ist kein Eigentum des Unternehmens und nicht als solcher geschützt. Konkurrenten können und dürfen die Kunden des Targets ansprechen, umwerben und übernehmen. Sie dürfen dies grundsätzlich auch mit Hilfe von ehemaligen Mitarbeitern oder ­Geschäftsführern des Targets tun.

Eine geschickte Vertragsgestaltung kann jedoch dazu beitragen, dass der Kundenstamm nach der Trans­aktion beim Target verbleibt bzw. vom Erwerber übernommen wird.

Grundsätzlich gelten beim Share Deal die Kunden­verträge mit dem Target weiter (soweit keine Sonderkündigungsrechte vereinbart worden sind). Hier geht es „nur“ darum, diese Kunden auch zu halten und Kündigungen bzw. Vertragsbeendigungen zu vermeiden.

Demgegenüber gehen die Kundenverträge beim Asset Deal grds. nur mit Zustimmung des Kunden auf den Unternehmenskäufer über. Hier müssen Erwerber und Veräußerer möglichst frühzeitig gemeinsam die Vereinbarungen und die Kommunikation gestalten, um die Kundenverträge überzuleiten und dabei die datenschutzrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Vorgaben der DSGVO und des UWG zu beachten.

Besonderheiten beim Kauf aus der Insolvenz

Beim Kauf aus der Insolvenz im Rahmen einer so­genannten sanierenden Übertragung gelten die genannten Maßstäbe für Asset Deals nur eingeschränkt. Auch hier gehen die Kundenverträge grds. nur mit Zustimmung des Kunden auf den Erwerber über und bestehen datenschutz­rechtliche Hürden, auch hier übernimmt der Erwerber nach § 613a BGB die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen und damit i. d. R. auch die Verschwiegenheitsvereinbarungen.

Allerdings stellt sich bei der Nutzung von Geschäftsgeheimnissen der Geschäftspartner der Insolvenzschuldnerin die Frage, inwieweit der Insolvenzverwalter an vertragliche Geheimhaltungspflichten der Insolvenzschuldnerin gebunden ist und ein Erwerber diese nutzen kann oder verletzt. Nicht alles, was an Know-how im Betrieb der Schuldnerin genutzt wird, darf auch vom Erwerber genutzt werden.

Fazit

Um möglichst weitgehend zu sichern, dass Know-how und Kundenstamm auch nach einem Unternehmenskauf vom Target bzw. Erwerber und nicht von Dritten genutzt werden, bedarf es einer sorgfältigen Analyse, Vor­bereitung und Kommunikation. Eine gründliche Due-Diligence-Prüfung muss auch den Geschäfts­geheimnisschutz beinhalten. Dabei geht es außer um das Vorhandensein angemessener technischer und organisatorischer Geheimhaltungsmaßnahmen um geschäftsgeheimnisbezogene Regelungen nicht nur in Anstellungsverträgen, sondern auch in zahlreichen anderen Verträgen. Lücken beim Geheimnisschutz können nicht nur zur faktischen Nutzung dieses Know-hows durch Konkurrenten, Kunden oder Lieferanten führen, sondern auch zum Verlust der Rechte an diesen eigenen Geschäftsgeheimnissen.

 

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