Artikel erschienen am 04.08.2023
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Outsourcing von Logistikleistungen

Von Christian Zeller, Hamburg | Dr Stefan Frings, Hamburg

Gerade Krisenzeiten sind für die Verbesserung der Kostenposition ideal. Das „Schlachten heiliger Kühe“ ist in schwierigen Zeiten naturgemäß einfacher umzusetzen als in Zeiten, in denen die „Goldbarren förmlich aus dem Fenster geworfen“ wurden. In früheren Krisen, wie z.B. in der Finanz- und Wirtschaftskrise im Jahr 2009, wurden vor allem die Overheadbereiche kräftig verschlankt. Auch wenn hier sicher wieder Speck angesetzt wurde, sind die Stellhebel eher begrenzt.

Ein Blick auf die Kernkompetenzen eines Unternehmens eröffnet hier neue Perspektiven und Potenziale. Nicht erst seit den Veröffentlichungen von Prahalad und Hamel in den 1990er-Jahren steht das Management von Kernkompetenzen immer wieder im Fokus der Unternehmensführung. Demnach sind Kernkompetenzen die Fähigkeiten, die ein Unternehmen in die Lage versetzen, wesentlichen Kundennutzen zu liefern. Umgekehrt gilt dann, dass genau die Leistungen, die nicht als Kernkompetenzen zu bezeichnen sind, prinzipiell vom externen Markt bezogen werden können – soweit diese extern erbracht werden können und sich für das Unternehmen Vorteile realisieren lassen.

Viele Leistungen, wie z.B. technische und kaufmännische Services, werden heute vom externen Markt bezogen. Dabei werden ganze Wertschöpfungsketten verlagert – häufig an Standorte mit niedrigeren Faktorkosten, wie z.B. in Osteuropa.

Ein wesentlicher und potenzialträchtiger Stellhebel für ein Outsourcing ist die Lagerlogistik. Hier können jährliche Einsparpotenziale von 20% und mehr realisiert werden. Auch wenn einige Unternehmen diesen Weg bereits mit Erfolg gegangen sind, so stellt sich doch die Frage, warum dieser Stellhebel nicht häufiger genutzt wird. Ein Grund ist sicher die hohe Visibilität im Unternehmen. So wie es 80 Millionen Bundestrainer gibt, so fühlt sich im Unternehmen jeder als Logistikexperte. Hinzu kommt die Wahrnehmung der Logistikperformance: läuft es gut, merkt es keiner. Läuft es schlecht, schimpft jeder auf die Logistik.

Wie aber ist die Logistik häufig im größeren Mittelstand aufgestellt? In der Regel sind Lager- und Logistikstrukturen historisch gewachsen. Es wird nur so viel investiert, wie der laufende Betrieb es erfordert. Der Innovationsgrad ist in der Regel gering. Die Folge ist häufig, dass der Anschluss an ein „State of the art“ verpasst wird. Unternehmen, die ihre Logistik als Kernkompetenz begreifen, investieren in ihre Logistik und halten so in der Regel Schritt mit dem Wettbewerb und mit den Anbietern am externen Markt. Unternehmen, die ihre Logistik gerade am „Leben halten“, verlieren irgendwann den Anschluss. Die Performance – z.B. gemessen an der Liefertreue – sinkt auf ein bedenkliches Maß und die Kundenbeschwerden nehmen exponentiell zu. Die Folge sind häufig kurzfristige Kapazitätserweiterungen, die selten ausreichend leistungssteigernd wirken, aber immer kostentreibend. Irgendwann stellt sich die Frage nach dem „Wie soll es weitergehen?“. Ein wesentlicher Stellhebel ist hier das Outsourcing der Lagerlogistik an einen Dienstleister.

Ein Dienstleister beherrscht die Prozesse, arbeitet häufig mit günstigeren Tarifverträgen, nutzt standortbezogene Faktorkostenvorteile, hat Synergien auf der Einkaufs- und Verwaltungsseite und arbeitet kontinuierlich an Innovationen und Prozessverbesserungen. Wie geht man ein Outsourcingprojekt für die Logistik an? Zunächst ist es wichtig, einen Konsens darüber zu erzielen, dass die Logistik keine Kernkompetenz für das Unternehmen darstellt. Danach muss ein Business Case gerechnet werden, in dem die Kosten der eigenen Strukturen den Kosten für den Dienstleister gegenübergestellt werden. Im Kern handelt es sich hier um ein „Target Costing“ für den Dienstleister, in dem auf der Basis von Produktivitäts- und Kostenannahmen für Personal, Fläche und Sachkosten eine Vergleichsrechnung durchgeführt wird. Wichtig ist auch die Verlagerungslogik. Hier empfiehlt es sich, an weniger komplexen Umfängen zu lernen und – wenn möglich – sukzessive umzustellen.

Im nächsten Schritt geht es darum, das Wissen der Logistikdienstleister für den Prozess der Konzeptdetaillierung zu nutzen. Hier gilt es, eine hohe Hürde zu überwinden – nämlich die Herstellung der Ausschreibungsfähigkeit. Es lässt sich nur ausschreiben und bewerten, was hinreichend spezifiziert und dokumentiert ist. Gerade hier liegen oft Defizite hinsichtlich Transparenz, Dokumentation und nachvollziehbarer Leistungskenngrößen vor. Sind die Prozesse, Leistungen und Mengengerüste nicht hinreichend transparent, eröffnet dies dem Dienstleister immer Möglichkeiten zum Claiming bei der späteren Leistungserbringung.

Wenn die Leistungen hinreichend spezifiziert sind, empfiehlt sich ein zweistufiger Vergabeprozess. In der ersten Stufe (Konzeptwettbewerb) geht es darum, möglichst viele konzeptionelle Ansatzpunkte für die zukünftige Logistikstruktur zu gewinnen und im Rahmen einer „Best Practice“-Betrachtung den Outsourcingansatz zu detaillieren. Dies betrifft unter anderem den Standort, die Soll-Kapazitäten, das Lagerlayout, die eingesetzten Betriebsmittel und das IT-Konzept. Die Kostenindikationen der einzelnen Dienstleister zeigen dann in einer sehr frühen Phase des Projektes, ob die Ziele des Business Case eingehalten werden können. Erfahrungsgemäß empfiehlt es sich, den Konzeptwettbewerb mit einer ausreichenden Anzahl von Dienstleistern zu starten. Nach dieser Vorqualifizierung in Frage kommende Anbieter werden dann in die nachfolgende Ausschreibung einbezogen. Gerade in der Zusammenstellung der Unterlagen für Konzeptwettbewerb und Ausschreibung liegt ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Je detaillierter Informationen und Anforderungen spezifiziert werden, desto besser und aussagefähiger wird das Konzept sein. Es bietet sich an, jedem Dienstleister die Möglichkeit einzuräumen, seinen Konzeptansatz zu präsentieren.

In der zweiten Runde des Vergabeprozesses findet die eigentliche Ausschreibung statt. Auf Basis weiter detaillierter Informationen und Prozessdokumentationen werden dann die kaufmännischen und technischen Angebote erstellt. Wichtig ist die Erarbeitung standardisierter Preisdatenblätter, um von Anfang an die Vergleichbarkeit der Angebote sicherzustellen. Nach Eingang und Auswertung der Angebote bietet sich ein Standortbesuch der Dienstleister an, um sich anhand von Referenzprojekten einen Eindruck von der Leistungsfähigkeit zu machen. Nach den Preisverhandlungen werden mit etwa 3 bis 5 Anbietern Vertragsverhandlungen geführt. Mit dem ausgewählten Dienstleister geht es dann an die Ausgestaltung der meist komplexen Vertragswerke. Danach geht es an die Umsetzung.

Der Zeitraum von der Idee bis zur Umsetzung dauert je nach Verfügbarkeit von geeigneten Objekten 18 bis 24 Monate. Wie in jedem Outsourcing Projekt ist der HR-Bereich von Anfang an einzubinden, um mit Arbeitnehmervertretern und Dienstleistern tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Fairness im Umgang mit den bestehenden Mitarbeitern und eine professionelle begleitende Kommunikation sind wichtige Erfolgsfaktoren für eine reibungslose Umsetzung und Verlagerung.

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