Artikel erschienen am 15.04.2015
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Energiewende durch Energieeinspar-Contracting?

Von Dr. iur. Rüdiger Scheller, Braunschweig

Die Bundesregierung hat durch Einleitung der Energie­wende Heraus­forderungen präsen­tiert, die die gesamte Immobilien­wirtschaft in hohem Maße fordert. Einher ging in den letzten Jahren damit schon eine erhebliche Ver­teuerung der Energie­kreise um mehr als 50 %. Dies trifft nicht nur die private Immobilien­wirtschaft, sondern in verstärktem Maße auch die öffentliche Infrastruktur.

Angesichts der Schuldenbremse, einer hohen Verschuldung und einem erheblichen Investitions­stau sind die Handlungs­spielräume insbesondere im kommunalen Bereich beschränkt. Zur Vermeidung von Finanzierungs­engpässen besteht die Möglichkeit, mit Privaten zu kooperieren. Die Bundesregierung hat dies kürzlich im Rahmen der Infrastrukturentwicklung propagiert, um Bundesfernstraßen mit Großfonds aus der Privatwirtschaft zu realisieren und zu sanieren. Diese sollen in Projektgesellschaften überführt werden.

Die Privatwirtschaft hat entsprechendes Leistungs­volumen und Know-how, um in der Energieo­ptimierung Effizienz­steigerungen zu realisieren. Insbesondere bei überalterten Beständen lässt sich eine Amortisation der Investition innerhalb weniger Jahre erreichen, sodass eine Win-win-Situation entsteht. Die öffentliche Hand spart erhebliche Betriebskosten – bis zu 50 % sind möglich; der Private optimiert mit Energie­manage­ment­systemen den Verbrauch und partizipiert an Einsparungs­potenzialen durch Bonus­zahlungen. Es handelt sich nicht um eine Kreditaufnahme, sondern um laufende Kosten der Verwaltung. Das Nutzungsentgelt, das entweder an den Privaten oder an eine gemeinsame Gesellschaft gezahlt wird, ist im Rahmen des Verwaltungs­haushalts Betriebs­ausgabe und erhöht nicht die Verbindlichkeiten. Angesichts der Verschuldens­bremse und oft schon bestehender Restriktionen seitens der Kommunal­aufsicht werden so Spielräume zur Realisierung eröffnet.

Hinzu kommen Förder­programme der KfW, insbesondere für kommunale Energie­einspar­investitionen, aber auch solche, die für die energetische Quartiers­sanierung ausgelobt wurden. Diese Anreize, die sich für die öffentlichen Haushalte – insbesondere von Kommunen – eröffnen, ergeben ein interessantes und für alle Beteiligten erfolgversprechendes Geschäftsmodell.

Die öffentliche Hand ist aufgrund der seit 2011 geltenden Europarechtsgesetzgebung zudem verpflichtet, bei öffentlichen Gebäuden effizientere Energien, insbesondere im erneuerbaren Bereich, einzusetzen. Um den CO²-Schadstoffausgleich auf 40 % des derzeitigen Standes zu senken, die Vorgaben der Energieeinsparung, der Nachhaltigkeit sowie die Förderung von regenerativen Energien zu erreichen, sind die partnerschaftlichen Modelle besonders geeignet und eröffnen für die Privatwirtschaft Marktchancen.

Wenn es gelingt, die Energiewende für den Lebenszy­klus einer öffentlichen Einrichtung zu nutzen, können über die Laufzeit die o. a. Betriebskosten gespart werden. Dies betrifft besonders energieintensive Betriebe, wie z. B. kommunale Bäder oder Multifunktionshallen.

Im privaten Bereich ist durch die Einführung des § 556c BGB die Möglichkeit gegeben, Energieeinspar-Contracting-Kosten auf Mieter umzulegen. Mieter können durch entsprechende Investitionen an den Effizienzvorteilen beteiligt werden, da die Betriebskosten gesenkt werden. Der Eigenverbrauch selbstgeschaffener elektrischer Energie und Wärme durch Einspeisung in das eigene Netz erwirtschaftet höhere Vergütungen als bei Einspeisung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die Mieter partizipieren durch Deckelung ihrer Energiekosten daran, sodass auch hier eine Win-win-Situation möglich ist. In größerem Umfang kann dieses Modell im gewerblichen Bestand eine Rolle spielen, da dort hohe Energiekosten im Rahmen der Produktionsprozesse anfallen, die im Eigenverbrauch Einsparpotenziale für die Betriebskosten generieren.

Auch hier bietet sich das Energieeinspar-Contracting an: Der private Bestandshalter oder die gewerbliche Produktionsgesellschaft nimmt die Umstellung nicht selbst vor, sondern überlässt dies einem Partner (Contractor), der sich auf derartige Systemumstellungen spezialisiert hat.

Der Markt für dieses Geschäftsmodell hat sich entwickelt. Es stehen ca. 500 Anbieter mit steigender Tendenz bereit, sodass der Wettbewerb kosteneffiziente Umsetzung sicherstellt.

Bei der Umsetzung von Energieeinsparmaßnahmen ist darauf zu achten, dass auf die gesamte Laufzeit – den Lebenszyklus – abgestellt wird. Die sich daraus ergebende Wechselwirkung zwischen Planen, Bauen, Finanzieren und Betreiben ermöglicht mit Anreizsystemen die Effizienzergebnisse. Im Rahmen einer funktionellen Leistungsbeschreibung werden Einsparziele definiert, die durch flexible Lösungen und Innovationen der Anbieter realisiert werden sollen. Hinzu kommt die Risikoverteilung: Während des Lebenszyklus liegt die Verantwortlichkeit beim Contractor. Er trägt sowohl das Investitionskostenrisiko, die Kosten für Wartung und Instandhaltung, den Service bis hin zur Demontage, garantiert einen 24-Stunden-Service und schafft über Anreize eine laufende Verbesserung entsprechend dem jeweiligen Stand der Technik. Nur wenn alle Beteiligten das Modell akzeptieren, wird durch entsprechende Transparenz ein positives Image und eine breite Zustimmung erreicht.

Die Vertragsstruktur ist kompliziert, weil unterschiedliche Elemente verschiedener Vertragstypen verknüpft werden. Das beginnt mit einem Bauvertrag nach Werkvertragsrecht; es sind Kaufelemente enthalten, aber auch Dienstleistungsrecht.

Das Nutzerverhalten kann durch entsprechende Anreize beeinflusst werden. Dies wird durch die Energieverbrauchsanalysen und Verbrauchsmengenprofile in eine Risikostruktur übertragen, die Garantien des Leistungsträgers, aber auch Verpflichtungen des Nutzers enthält. Ein professionelles Energiemanagement und die Beteiligung des Contractors an den Einsparungen sichert eine Vertragserfüllung über den Lebenszyklus und nicht nur für die Investitionsphase wie bei klassischer Umstellung von Heizungssystemen.

Alle Modelle enthalten bestimmte Basisleistungen, der Betrieb inklusive sämtlicher Wartungen und Reparaturen ist zwingend, ebenso die Aufschaltung einer Fernüberwachung, ein garantierter Jahresnutzungsgrad, eine wählbare Primärenergie, ein optimaler Heizbetrieb und ein 24-Stunden-Service über das ganze Jahr.

Bei den individuellen Leistungen gibt es verschiedene Modelle:

  • Das Sanierungsmodell beinhaltet die Demontage und Entsorgung des alten Wärmesystems, Installation einer neuen effizienten Anlage ohne Investitionen seitens des Eigentümers, ggf. nach Vertragsende die Demontage auf Wunsch oder die Weiterführung im Betreibermodell oder den Abschluss eines Neuvertrages.
  • Im Betreibermodell bleibt der Gebäudeinhaber Eigentümer der Anlagentechnik. Der Contractor optimiert die Anlage und betreibt sie bis zum Vertragsende. Dann übernimmt der Eigentümer den eigenverantwortlichen Betrieb.
  • Beim sog. Abkaufmodell kauft der Contractor dem Eigentümer die Altanlage ab und optimiert die bestehende Anlage ggf. unter Aggregateaustausch. Der Contractor demontiert die Anlage nach Vertragsende auf Wunsch oder führt sie im Betreibermodell oder durch einen Neuvertrag fort.
  • Beim Neubaumodell wird bei Errichtung eines neuen Gebäudes die Heizungsanlage vonseiten des Contractors installiert. Der Gebäudeeigentümer stellt nur einen entsprechenden Raum zur Verfügung. Nach Vertragsende besteht die Möglichkeit der Demontage oder der Weiterführung im Betreibermodell oder des Abschlusses eines Neuvertrages.

Der Vertrag enthält eine konkrete funktionale Leistungsbeschreibung über den Lebenszyklus mit Planen, Bauen, Finanzieren und Betrieb. Der Eigentümer stellt i. d. R. Räumlichkeiten zur Nutzung der Technologieinstallation. Die Versorgungsrechte werden über Dienstbarkeiten und Stillhalteerklärungen der Banken gewährleistet. Der Contractor garantiert entsprechende Verfügungsparameter und setzt Bonus-Malus-Regelungen gemäß Wärmebedarfsrechnung und Nutzerprofil um. Der Contractor erhält einen Grundpreis für die Leistungsbereitstellung und Amortisation des Investments. Der Brennstoffpreis und die Servicekosten werden angepasst, sodass die Kosten über die gesamte Vertragslaufzeit transparent sind.

Einmal jährlich wird mit monatlichen Akontozahlungen zur Sicherstellung der Liquidität des Contractors abgerechnet. Die Versicherungskosten trägt i. d. R. der Contractor. Die Haftung des Contractors regelt sich i. d. R. nach Werkvertragsrecht für die Herstellung und nach Dienstleistungsrecht für den Service. Kürzlich hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass die funktionale Zuordnung und nicht der Wert das entscheidende Kriterium ist. Wenn demzufolge die Dienstleistung im Vordergrund steht, handelt es sich um einen Werklieferungsvertrag und nicht um einen Kaufvertrag. Dies ist dann der Fall, wenn Ergebnisse garantiert und Verbrauchsvorgaben einzuhalten sind. Kündigungsregelungen und allgemeine Klauseln runden das Vertragswerk ab. Der Eigentümer wird langfristig entlastet, behält aber die Controlling-Funktion und sollte diese sowohl im kommunalen als auch im privaten Bereich ausüben. Sowohl in der Vorbereitungs- als auch in der Durchführungsphase sind externe technische und rechtliche Berater sinnvoll, um bei der erstmaligen Umsetzung der Komplexität eines Energieeinspar-Contracting-Modells gerecht zu werden.

Foto: Panthermedia/Iakov Kalinin

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