Ratenzahlungen mit Kunden in der Krise
Die Anfechtbarkeit von Zahlungen im Rahmen der InsO
Von Dipl.-Ing. Andreas Eschler, M.A. Sc., Hamburg | Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Konrad Martin, HamburgIm gewerblichen Miteinander ist es durchaus üblich, dass sich gewollt auch größere Abhängigkeiten zwischen Kunden und Lieferanten ergeben und dass dabei auch gegenseitig Vertrauen aufgebaut wird. Aber diese bewährte Praxis wird durch die BGH-Rechtsprechung ad absurdum geführt. Durch diese hat § 133 der Insolvenzordnung (InsO) eine massive Ausweitung seines Anwendungsbereiches erfahren und insbesondere nach Ergehen eines spezifischen Urteils (BGH, Urt. v. 06.12.2012 – Az. IX ZR 3/12 – sog. „Nikolausentscheidung“) haben sich viele Insolvenzverwalter aufgemacht, die Masse durch Anfechtung von bis zu 10 Jahren zurückliegenden Sachverhalten zu mehren.
Jüngste Rechtsprechung mit extremem Risiko
Zum Sachverhalt, der dem o. g. Urteil zugrunde liegt, kann kurz gefasst festgestellt werden, dass der Gläubiger dazu verurteilt wurde, sämtliche Zahlungen, die er in einem gewissen Zeitraum bis zur Insolvenzantragstellung in Teilleistungen erhalten hatte, wieder auszukehren, da der Gläubiger aufgrund der Umstände Kenntnis von der Liquiditätssituation seines Schuldners haben musste. Hierfür reicht es bereits aus, wenn der Gläubiger die Liquiditätslage des Schuldners wenigstens laienhaft beurteilen kann. Das sollte unter Geschäftsleuten wohl i. d. R. zu erwarten sein. Hinzu kommt eine für den Gläubiger nachteilige Beweislastumkehr: Wenn der Gläubiger wenigstens Kenntnis von Umständen hatte, aufgrund derer er auf eine zumindest drohende Zahlungsunfähigkeit seines später insolventen Geschäftspartners schließen musste, muss nicht der Insolvenzverwalter beweisen, dass der Gläubiger Kenntnis einer Zahlungsunfähigkeit gehabt hat, sondern der Gläubiger muss belegen, dass er eben diese nicht gekannt hat.
Das Schaubild soll veranschaulichen, wie einfach es heute ist, sich angesichts der vorstehend dargestellten BGH-Rechtsprechung Anfechtungsansprüchen nach § 133 InsO ausgesetzt zu sehen.
Künftige Gesetzgebung weiterhin mit Risiko
Der Gesetzgeber scheint erkannt zu haben, dass diese Rechtsprechung über das Ziel hinausschießt. Er erarbeitet daher ein Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz. Auch wenn der Gesetzgeber mit der Überarbeitung des § 133 InsO eine Senkung der Anfechtungsfrist auf 4 Jahre und wieder eine Beweislastumkehr zugunsten des Gläubigers anstrebt, bleibt das Risiko erheblich. Denn regelmäßig wird die Bitte um die Gewährung einer Ratenzahlung mit einer Begründung versehen sein, welche auf Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners hinweist, d. h., sie entspringt der Notwendigkeit einer realen wirtschaftlich schwierigen Situation, die dann wiederum vom anfechtenden Insolvenzverwalter zum Anknüpfungspunkt für eine Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO gemacht werden kann.
Ratenzahlungsvereinbarungen werden von der Rechtsprechung besonders kritisch gesehen, wenn sie unter Druck abgeschlossen werden, also z. B. bei Androhung von Zwangsmaßnahmen oder Stellung eines Insolvenzantrages. Die dann vom Schuldner geleisteten Zahlungen werden von der Rechtsprechung in solchen Fällen als sog. (inkongruente) Druckzahlungen qualifiziert, welche von einem Insolvenzverwalter nahezu stets erfolgreich angefochten werden können.
Sind Ratenzahlungsvereinbarungen überhaupt noch sinnvoll möglich?
Als Konsequenz aus dem vorstehend Ausgeführten kann im Grunde nur empfohlen werden: Helfen Sie keinem Geschäftspartner durch Ratenzahlungsvereinbarungen aus der Krise! Letztlich hilft es dem Gläubiger nur, wenn er Einsicht in die Unterlagen seines Schuldners nimmt und auf dieser Basis zu dem Schluss gelangt, dass entweder keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt (bzw. diese durch den Abschluss der angedachten Ratenzahlungsvereinbarung beseitigt wird) oder dass sämtliche Gläubiger des Schuldners exakt gleich behandelt werden. In der Praxis sind diese Anforderungen wohl kaum zu erfüllen!
Als Schlussfolgerung kann festgehalten werden, dass derjenige, der heute eine Ratenzahlungsverpflichtung mit einem Schuldner eingeht, sich damit dem Risiko aussetzt, in den nächsten zehn – künftig zumindest vier – Jahren im Zuge eines Insolvenzverfahrens, gleich aus welchem Grund, mit der vollständigen Rückzahlung durch Anfechtung konfrontiert zu werden.
Wenn Sie ungeachtet der aufgezeigten Anfechtungsrisiken gleichwohl eine Ratenzahlungsvereinbarung mit Ihrem Schuldner schließen wollen (z. B., weil Sie mit diesem in einer langjährigen Geschäftsverbindung stehen und ihn in einer schwierigen wirtschaftlichen Situation schlicht nicht „hängen lassen“ wollen), ist folgende Vorgehensweise anzuraten:
Treffen Sie eine eindeutige, realistisch erfüllbare Ratenzahlungsvereinbarung hinsichtlich der bisher aufgelaufenen Forderungen. Stellen Sie sicher, dass bei künftigen Zahlungen klar ist, ob diese auf die Ratenzahlungsvereinbarung oder auf neue Forderungen erfolgen.
Achten Sie darauf, dass Ihr Schuldner jeweils einen wiederkehrenden, festen Betrag mit einem bestimmten Verwendungszweck (z. B. „Zahlung gem. Zahlungsvereinbarung“) überweist; möglich ist auch ein Rateneinzug im SEPA-Lastschriftverfahren.
Wenn die Forderungen gegen den Schuldner kreditversichert sind, ist begleitend eine Absprache mit dem Kreditversicherer zu treffen, wonach diese Verfahrensweise den Versicherungsschutz für die Forderungen, welche mit der Ratenzahlungsvereinbarung bedient werden, nicht entfallen lässt.
Neue Leistungen ab der Ratenzahlungsvereinbarung sollten nur noch gegen Vorkasse erbracht werden. Dies gilt dann insolvenzrechtlich als „Bargeschäft“ und die erhaltenen Zahlungen können im Nachhinein vom Insolvenzverwalter nur unter erschwerten Bedingungen angefochten werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Zahlung und die Leistung in einem engen zeitlichen Rahmen erfolgen, welcher zwei Wochen nicht übersteigen soll.
Wenn Ihr Schuldner die Ratenzahlungsvereinbarung nicht einhält oder wenn es zum Auflaufen neuer Rückstände kommt bzw. keine Vorkassenzahlung erfolgt, sollten die Leistungen an ihn eingestellt werden, da dann das Risiko einer Anfechtung der noch erhaltenen Zahlungen durch einen späteren Insolvenzverwalter zu groß ist. Und schließlich: Dokumentieren Sie nicht im Schrift- oder E-Mail-Verkehr, dass Sie Kenntnis von den schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen Ihres Geschäftspartners haben. Unterlassen Sie es insbesondere, mit Zwangsmaßnahmen oder gar der Stellung eines Insolvenzantrages zu drohen.
Grafik: PantherMedia/yskiii
- Schlagwörter
- Rechnungsstellung|
- Ratenzahlung|
- Zahlungsverzug|
- Insolvenz|
- Mindmap
- Finanzen Steuern Recht
- Hamburg 2016