Artikel erschienen am 27.04.2023
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Wohlfühlatmosphäre vs. Energieminimierung in Veranstaltungsstätten

Von Dipl.-Ing. (FH) Michael Michler, Braunschweig

Welche intelligenten Konzepte und welches Know-how stecken „hinter dem Vorhang“, damit vor, während und nach dem Kulturerlebnis energetisch optimiert das „richtige Klima“ für eine Wohlfühlatmosphäre geschaffen wird?

Veranstaltungsstätten – wie z. B. Theater oder Stadthallen – sind Versammlungsstätten und dienen gleichzeitig der kulturellen Belebung. Viele dieser Spielstätten sind in die Jahre gekommen. In diesen Gebäuden sind technische Anlagen mit nur noch teils bedingter Energieeffizienz vorhanden, deren Lauf- und Nutzungszeiten in großen Teilen weit überschritten sind. Oft ist es nur noch mit nicht mehr vertretbarem wirtschaftlichen, personellen und energetischen Einsatz möglich, den Spielbetrieb zu ermöglichen. Deshalb muss eine zukunftsorientierte Sanierung durchgeführt werden.

Schwerpunkte des Sanierungsbedarfes

Raumfunktionen für alle geplanten Veranstaltungen und Kulturerlebnisse, Energieoptimierung unter Berücksichtigung aller Nachhaltigkeitskriterien und gebäudebezogenen Lebenszykluskosten sowie Schadstoffsanierungen bzw. -minimierung müssen für die nächsten Jahrzehnte so geplant sein, dass die Folge- und Betriebskosten bezogen auf die Erstinvestition möglichst im optimierten Verhältnis dazu stehen.

Alle diese wichtigen Aspekte sind über alle Planungsdisziplinen hinaus Bausteine für die Vorbereitung einzelner Anlagenerneuerungen bis zu Gesamtsanierungen. Diese müssen unter Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik, aber auch unter Einhaltung von weiteren Vorgaben wie z. B. auch von Brand- und Denkmalschutzauflagen, „unter einem Dach“ betrachtet, bewertet, geplant und umgesetzt werden.

Ein wesentlicher Bestandteil der Betriebs- und Folgekosten für Veranstaltungsstätten wird von und mit der erforderlichen Wärme- und Kälteerzeugung beeinflusst. Deshalb liegt ein Schwerpunkt in der Planung und Konzeption dieser Anlagen, jedoch immer im Wechselspiel mit allen anderen Fachdisziplinen.

Nutzerbedarfsprogramm

Basis der Raum- und Technikkonzeptionen bildet die Erstellung eines Nutzerbedarfsprogamms, oft in Kombination mit Machbarkeitsstudien. Das abgestimmte Nutzerbedarfsprogramm bestimmt künftige Anforderungen an die Immobilie und ist die Grundvoraussetzung für die zu planenden Sanierungsmaßnahmen einer Immobilie. Hierunter sind neben den organisatorischen, administrativen, ökologisch nachhaltigen und ökonomischen Aufgaben auch alle geplanten Veranstaltungscharaktere im Gebäude mit einzubeziehen.

Deshalb wird zunächst die zukünftige Bedarfsstruktur auf Basis der neuen Nutzungen, der neuen Lüftungstechnik, der damit einhergehenden neuen Heiz- und Kälteversorgung und insbesondere aus hygienischer Sicht der neuen Warmwasserverteilung analysiert. Die künftig zu erwartenden Spitzen-Wärme- und Kühllasten sollten sich idealerweise an der maximal möglichen Wärmerückgewinnung orientieren. Mit der neu zu installierenden, modernen Anlagentechnik und diverser baulicher Dämmmaßnahmen können hohe Energieeinsparungen erreicht werden.

Nutzererfahrungen berücksichtigen

In neuen Energiekonzepten werden unterschiedliche Primärenergieträger (z. B. Gas, Photovoltaik, Erdwärme etc.) untersucht, bewertet und unter Berücksichtigung günstigster Lebenszykluskosten beplant und umgesetzt. Für die optimale Neuauslegung werden aus bisherigen Erfahrungen des Betreibers, des Nutzers und durch die Fachplanung realistische Gleichzeitigkeitsfaktoren ermittelt. Durch die Berücksichtigung dieser Gleichzeitigkeitsfaktoren wird eine Über- und Unterdimensionierung der neuen Anlagentechnik entgegengewirkt. Die Anlagen und die Energiebereitstellungen werden kleiner und wirtschaftlicher ausgelegt, was in letzter Konsequenz auch den Preis für jeden Gast und Besucher der Veranstaltungen reduzieren wird.

Wärmerückgewinnung aus der Kälte­erzeugung – sinnvoll oder nicht?

Veranstaltungshäuser haben aufgrund der inneren Wärmelasten durch die Besucher oder auch der Bühnen- und Veranstaltungstechnik gerade in den Übergangs- und Sommermonaten oft einen größeren Kälte- als Heizungsbedarf. Da bei der Kälteerzeugung prozessbedingt Wärme anfällt, muss die Kälte- und Wärmeerzeugung auch und gerade im Wechselspiel mit Wärmerückgewinnungsanlagen betrachtet und geplant werden, um so einen wirtschaftlich optimierten Betrieb sicher zu stellen. Im Optimalfall besteht zeitgleicher Kälte- und Wärmebedarf. Dann bietet sich z. B. eine Kältemaschine mit gleichzeitiger Wärmerückgewinnung und dem natürlichen Kältemittel Kohlenstoffdioxid (R744) mit geringem Treibhauspotenzial (Global Warning Potential=1) an, weil parallel Wärme und Kälte für die Anlagentechnik zum richtigen Zeitpunkt „produziert“ wird. Ein zusätzlicher Vorteil einer CO2-Kältemaschine ist, dass Temperaturen unter 0 °C erreicht werden und somit „zum Speichern von Kälte“ Eis hergestellt und gespeichert werden kann.

Systemflexibilisierung durch einen Eisspeicher

Mit Eisspeicher können die Laufzeiten der Kältemaschinen vom temporären Kältebedarf entkoppelt und an die Kälte- und Wärmebedarfszeiten angepasst werden. Eine CO2-Kältemaschine kann dabei gezielt als Wärmepumpe zur Wärmeerzeugung eingesetzt werden und „nebenbei“ den Eisspeicher laden. Das Grundprinzip funktioniert optimal, wenn Wärme und Kälte gespeichert werden, wenn die tatsächliche Last gering ist. Die gespeicherte Wärme oder Kälte wird dann zeitversetzt verbraucht, wenn sie benötigt wird. Frei nach dem Motto „Spare in der Zeit, so hast du in der Not“.

Umfangreiche Möglichkeiten der Betriebsoptimierung

In dynamischen Simulationen wird unter Berücksichtigung aller bekannten Randbedingungen die Anlagentechnik voroptimiert, ähnlich unzähliger Testfahrten von „Erlkönigen“ in der Automobilindustrie. Durch Aufzeichnung der Betriebszustände, ständige Auswertungen und daraus abgeleitete Optimierungen wird die Anlagentechnik Tag für Tag sparsamer und wirtschaftlicher betrieben.

Fazit

Im Ergebnis wird nach der Sanierung der Veranstaltungshäuser eine Minimierung der Energiekosten und der Umweltbelastung sowie über viele Jahrzehnte ein sehr wirtschaftlicher Betrieb erlangt. Gleichzeitig wird ein „Wohlfühlklima“ für alle Kulturschaffenden, Gäste und Besucher erreicht.

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