Artikel erschienen am 14.05.2013
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Neue Wege der Sanierung im Insolvenzverfahren

Von Manuel Sack, Braunschweig

Durch das zum 01.03.2012 in Kraft getretene „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) ist in jüngster Vergangenheit die Frage der Sanierung von Unternehmen im Insolvenzverfahren verstärkt in den Fokus des öffentlichen Interesses gerückt. Als Schlagworte fallen in diesem Zusammenhang das sogenannte „Schutzschirmverfahren“, die Eigenverwaltung sowie das Insolvenzplanverfahren. Die entsprechenden gesetzlichen Regelungen wurden entweder komplett neu eingeführt oder umfassend geändert, um zusätzliche Sanierungsanreize zu schaffen.

Chancen der Sanierung im Insolvenzverfahren

Das gerichtliche Sanierungsverfahren in Form des Insolvenzverfahrens kann erhebliche Vorteile gegenüber einer außergerichtlichen Sanierung bieten. Bereits im Insolvenzeröffnungsverfahren kann das Insolvenzgericht Sicherungsmaßnahmen zugunsten der Insolvenzmasse anordnen. Sicherungsgut verbleibt bei entsprechender Anordnung trotz bestehender Aus- und Absonderungsrechte zunächst im Unternehmen und steht für die Betriebsfortführung zur Verfügung. Insolvenzgeld (maximal drei Monate) für die Arbeitnehmer wirkt sich liquiditätsentlastend aus. Die Insolvenzanfechtung ermöglicht oft eine starke Massemehrung.

Im eröffneten Insolvenzverfahren besteht ein weitgehendes Wahlrecht bei gegenseitigen Verträgen, was eine Neustrukturierung von Vertragsbeziehungen unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ermöglicht. Kündigungsfristen für Arbeitsverträge verkürzen sich gem. § 113 InsO auf maximal drei Monate. Sozialplanansprüche werden durch absolute Obergrenzen kalkulierbar.

Risiken der Sanierung im Insolvenzverfahren

Neben den Chancen, die eine Sanierung im Insolvenz-verfahren bietet, bestehen allerdings auch insolvenzspezifische Risiken, die zu bedenken sind. So kann ein Sanierungserfolg stark von der Person des Verwalters abhängen.

Eine Insolvenz bedeutet zwangsläufig auch die Gefährdung von Kunden- und Lieferantenbeziehungen. Störungen der Vertragsbeziehungen können zu erheblichen Problemen führen. Hier ist es zwingend erforderlich, für Transparenz in den Abläufen zu sorgen, und frühzeitig eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln, die Vertrauen schafft. Andernfalls droht der Verlust von strategischen Vertragsverhältnissen, was eine Sanierung erschweren oder auch ausschließen kann.

„Schutzschirmverfahren“

Eine der wesentlichen Neuregelungen stellt das in § 270b InsO normierte sogenannte „Schutzschirmverfahren“ dar. Dieses kann der Schuldner beantragen, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung lediglich drohende Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung vorliegen und eine Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Die genannten Voraussetzungen hat der Schuldner durch eine dem Antrag beizufügende Bescheinigung einer in Insolvenzsachen erfahrenen Person zu belegen. Liegen diese vor, ordnet das Insolvenzgericht die vorläufige Eigenverwaltung an und setzt dem Schuldner eine Frist von maximal drei Monaten zur Vorlage eines Insolvenzplanes zur Sanierung des Unternehmens. Gleichzeitig bestellt das Insolvenzgericht einen vorläufigen Sachwalter, der den Schuldner während der Eigenverwaltung überwacht. Schlägt der Schuldner einen bestimmten Sachwalter vor, hat das Gericht diesem Vorschlag zu folgen, soweit dieser nicht für die Übernahme des Amtes ungeeignet ist.

Das Insolvenzgericht kann die Befugnisse des vorläufigen Sachwalters unterschiedlich gestalten. Häufig wird von der Übertragung der Kassenführung (§ 275 InsO) Gebrauch gemacht. Das Recht zur Begründung von Masseverbindlichkeiten im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit steht regelmäßig weiter dem Schuldner zu.

Bei der Eigenverwaltung verbleibt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beim Schuldner. Da die Geschäftsführung das Unternehmen und den Markt i. d. R. besser kennt als der Insolvenzverwalter, kann die Eigenverwaltung eine Sanierung befördern. Sie setzt aber ein im Kern sanierungsfähiges Unternehmen voraus.

Wesentliche Vorteile des Schutzschirmverfahrens werden unter anderem in der positiveren Außendarstellung (der Schuldner ist bei Antragstellung eben nicht zahlungsunfähig) sowie in der weitgehenden Einflussnahme auf die Person des Sachwalters gesehen. Erste Erfahrungen seit Inkrafttreten des ESUG zeigen allerdings eine erhebliche Verunsicherung auf Kunden- und Lieferantenseite, die mit dem neuen Instrument noch nicht hinlänglich vertraut sind und in der Vergangenheit oftmals den mit erheblichen Kompetenzen ausgestatteten (vorläufigen) Insolvenzverwalter als neutralen Gewährsmann für eine rechtssichere Abwicklung betrachtet haben. Dem wird zunehmend durch die Hinzuziehung von in Insolvenzsachen erfahrenen Personen als Sanierungsgeschäftsführer begegnet.

Entgegen verbreiteter Missverständnisse handelt es sich auch beim Schutzschirmverfahren um ein Insolvenzverfahren, das regelmäßig in einer Eröffnung mündet. Soweit fristgerecht ein Insolvenzplan vorgelegt werden kann, wird das Insolvenzgericht mit Insolvenzeröffnung regelmäßig die Eigenverwaltung beibehalten.

Eigenverwaltung

Nach altem Recht konnte die Eigenverwaltung erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnet werden. Im Antragsverfahren hingegen war zwingend ein vorläufiger Insolvenzverwalter zu bestellen. Die mit der Eigenverwaltung erhoffte Außenwirkung wurde dementsprechend durch die zwingenden Vorgaben für das Antragsverfahren konterkariert. Die praktische Bedeutung der Eigenverwaltung war folglich in der Vergangenheit minimal.

Das neue Recht bietet in § 270a InsO die Möglichkeit einer Eigenverwaltung bereits im Antragsverfahren. Anders als im Schutzschirmverfahren kann diese
Verfahrensart auch bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit gewählt werden. Einem Vorschlag des Schuldners für die Person des Sachwalters muss das Gericht jedoch nicht folgen. Hier wird aber regelmäßig durch einen vorläufigen Gläubigerausschuss Einfluss auf die Sachwalterauswahl genommen. Ansonsten gelten die obigen Ausführungen zum Schutzschirmverfahren auch für die (vorläufige) Eigenverwaltung.

Insolvenzplan

Durch das ESUG wurden auch gravierende Änderungen des Insolvenzplanverfahrens umgesetzt.

Der Insolvenzplan stellt einen (komplexen) Vergleich dar, dem die Mehrheit der Gläubiger zustimmen muss. Das Insolvenzplanverfahren sieht regelmäßig eine quotale Befriedigung der Gläubiger aus den zukünftig erwirtschafteten Erträgen des Unternehmens vor. Ziel ist der Erhalt des Rechtsträgers bei gleichzeitiger Optimierung der Verwertung. Vertragsbeziehungen können überwiegend ohne Zustimmung des Vertragspartners erhalten werden.

Die Planvorlage erfolgt entweder durch den Insolvenzschuldner oder durch den Insolvenzverwalter. Dabei steigen die Chancen eines erfolgreichen Insolvenzplanes mit der frühzeitigen Planvorlage. Idealerweise sollte der Plan bereits mit Antragstellung zumindest in seinen Grundzügen konzeptioniert sein.

Der Insolvenzplan wird dem Insolvenzgericht vorgelegt und nach Annahme durch die Gläubiger vom Gericht bestätigt. Nach Rechtskraft wird das Insolvenzverfahren aufgehoben. Der Insolvenzverwalter wird in der Regel beauftragt, die Erfüllung des Insolvenzplanes zu überwachen. Den Gläubigern bietet das Planverfahren eine höhere Auszahlungsquote, eine schnellere Verfahrensbeendigung und mehr Mitbestimmungsrechte. Sinnvoll ist das Planverfahren nur, wenn eine dauerhafte Rentabilität des sanierten Unternehmens zu erwarten ist.

Die vergleichsweise geringe Verbreitung von Insolvenzplanverfahren in der Vergangenheit hatte im Wesentlichen zwei Ursachen: So bestanden weitgehende Möglichkeiten von Minderheitengläubigern, eine erfolgreiche Planumsetzung durch Rechtsmittel zu gefährden oder sogar zu torpedieren. Ein wesentliches Hindernis war daneben die fehlende Zugriffsmöglichkeit auf die Gesellschaftsanteile an dem Rechtsträger des insolventen Geschäftsbetriebs. Ein Insolvenzplan gegen den Willen der Gesellschafter war damit in der Vergangenheit praktisch ausgeschlossen. Das neue Recht ermöglicht hingegen in
§ 225a InsO die Durchführung von Kapitalmaßnahmen im Rahmen eines Insolvenzplanes bis hin zum sogenannten „debt equity swap“ (Umwandlung von Verbindlichkeiten in Gesellschaftsanteile) auch gegen den Willen von Altgesellschaftern. Es ist zu erwarten, dass die Änderungen zu einer deutlich höheren Attraktivität des Insolvenz-planverfahrens führen werden.

Neuregelungen steigern die Attraktivität von Sanierungen im Insolvenz­verfahren

Die durch das ESUG eingeführten Regelungen stellen ein Instrumentarium zur Verfügung, das die Sanierung im Insolvenzverfahren deutlich attraktiver macht. Die Erfahrungen der ersten Monate zeigen, dass von diesen Möglichkeiten umfangreich Gebrauch gemacht wird.

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