ESUG
Neue Chancen für insolvente Unternehmen und deren Gläubiger
Von Dr. iur. Carsten Hoppmann, HannoverAuswahl der Insolvenzverwalter
Nach der bisherigen Rechtslage wählt das Insolvenzgericht ohne Beteiligung der Gläubiger den Insolvenzverwalter aus. Nach dem ESUG soll unmittelbar nach Insolvenzantragstellung das Insolvenzgericht einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, wenn das insolvente Unternehmen bestimmte Größenkriterien verwirklicht.
Aufgabe dieses vorläufigen Gläubigerausschusses ist es, einen geeigneten Insolvenzverwalter auszuwählen. Wenn der vorläufige Gläubigerausschuss sich einstimmig auf einen Insolvenzverwalter geeinigt hat, soll das Insolvenzgericht diesen auch bestellen. Die Neuregelung bietet für die Gläubiger die Möglichkeit, für das schuldnerische Unternehmen geeignete Insolvenzverwalter auszuwählen, die mit Branchen- und Unternehmensbesonderheiten auch tatsächlich vertraut sind.
Diese positiv zu bewertende Mitwirkungsmöglichkeit der Gläubiger setzt aber ein schnelles Handeln bereits im Vorfeld der Insolvenzantragsstellung voraus. Es besteht nämlich die Möglichkeit, dass das Insolvenzgericht einen Verwalter ohne Einbeziehung des vorläufigen Gläubigerausschusses bestellt, wenn die Gefahr besteht, dass ohne die Einsetzung eines entsprechenden vorläufigen Verwalters Schaden für die Gläubiger entsteht. Die Gläubiger müssen sich daher bei der sich abzeichnenden Insolvenz des Unternehmens über die Zusammensetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses kurzfristig verständigen.
Schutzschirmverfahren
Mit der Insolvenzantragstellung verlieren Geschäftsführer und Gesellschafter den Einfluss auf das insolvente Unternehmen. Der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter hat die Zügel sodann in der Hand. Die Angst vor dem Verlust der Entscheidungsmacht führt oftmals zu einer sehr späten Insolvenzantragstellung.
Ein Unternehmen soll nach dem Inkrafttreten des ESUG bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Möglichkeit erhalten, innerhalb von drei Monaten in einer Art Schutzschirmverfahren unter der Aufsicht eines Sachwalters in Eigenverwaltung einen Sanierungsplan auszuarbeiten. Im Rahmen der Eigenverwaltung behalten die Geschäftsführer den Einfluss auf das Unternehmen. Das Gericht soll zudem den vom Unternehmen vorgeschlagenen Sachwalter einsetzen und auf gesonderten Antrag hin Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen das Unternehmen untersagen bzw. einstweilen einstellen können.
Der vom Gesetzgeber gespannte Schutzschirm bietet für Geschäftsführer und Gesellschafter von insolventen Unternehmen eine letzte Chance, die es auch ermöglicht, insolvenzerfahrene Manager in das Unternehmen zu holen und das Unternehmen ohne störende Dritteinflüsse zu sanieren.
Ausbau des Planverfahrens
Das Insolvenzplanverfahren als Sanierungsinstrument stellt einen vom Insolvenzverwalter geleiteten Vergleich dar, dem die Mehrheit der in Gruppen aufgeteilten Gläubiger zustimmen muss. In der Praxis hat sich gezeigt, dass einzelne Gläubiger in missbräuchlicher Weise das Wirksamwerden des Insolvenzplans verhindern konnten. Es besteht nunmehr eine verbesserte Möglichkeit, den Insolvenzplan auch gegen den Willen einzelner Gläubiger durchzusetzen.
Im Rahmen des Planverfahrens wird ferner als weiteres Sanierungsinstrument die Möglichkeit geschaffen, Forderungen von Gläubigern mit einem sog. Debt-Equity-Swap in Gesellschaftsanteile umzuwandeln und die Gläubiger somit direkt an der Gesellschaft zu beteiligen. Eine Zustimmung der Altgesellschafter ist bei dieser Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital nicht erforderlich. Die Gläubiger können somit einen direkten Einfluss auf die Entscheidungen im Unternehmen ausüben und sich an dem Mehrwert des Unternehmens beteiligen.
Zusammenfassung
Die Neuerungen des ESUG sind insgesamt positiv zu bewerten, da sie die Sanierungschancen für insolvenzbedrohte Unternehmen deutlich erhöhen. Sie setzen bei Gesellschaftern, Geschäftsführern und Gläubigern aber eine erhöhte gesellschaftsrechtliche Sachkenntnis und viel Fingerspitzengefühl voraus.