Gute Planung brilliert – schlechte Planung ruiniert

Tipps aus der praktischen leistungswirtschaftlichen Sanierung und Restrukturierung

Von Peter Vornkahl, Braunschweig | Dr.-Ing. Markus Hagen, Braunschweig

Die Ursachen von finanziellen Schwierigkeiten manifestieren sich zumeist schon lange vor dem akuten Sichtbarwerden. Nicht die Unternehmensgröße ist relevant, sondern die Komplexität der Produkte und Dienstleistungen ist es – ebenso wie die der Kunden-Lieferanten-Beziehungen. Selbst ein größerer Handwerksbetrieb kann durch gute Planung brillieren oder sich durch schlechte selbst zugrunde richten. Hierzu sollen zwei kurze Beispiele die Zusammenhänge aufzeigen.

Foto: Adobe Stock /bnenin

Beispiel 1: Herausforderungen in der Materialplanung und deren Folgen

In einem dynamischen Marktumfeld erlebt ein Unternehmen signifikante Schwierigkeiten in seiner Materialplanung. Obwohl Rohmaterialien als Commodities mit guter Verfügbarkeit und flexiblen Lieferanten vorhanden sind, basiert die Materialbeschaffung ausschließlich auf Durchschnittsverbräuchen aus der Vergangenheit. Dieses Vorgehen erweist sich als problematisch, als ein unerwartet steigender Kundenbedarf auf eine starre, vergangenheitsorientierte Beschaffungsstrategie trifft. Zusätzlich verschärfen gestörte Lieferketten die Situation, da sie die kurzfristige Materialbeschaffung erheblich erschweren.

Sondereffekte führen zu einem weiteren Anstieg der Nachfrage, was die Beschaffungskosten in die Höhe treibt. Die Materialquote steigt um einige Prozentpunkte, was erhebliche Auswirkungen auf die Kostenstruktur des Unternehmens hat. Trotz der Kostensteigerungen im Einkauf zögert das Unternehmen, die Preissteigerung an seine Kunden weiterzugeben. Diese Entscheidung führt zu einem spürbaren Rückgang der Liquidität. Die Situation mündet in ein Sanierungskonzept, das umfangreiche Restrukturierungsmaßnahmen vorsieht. Für die Inhaberfamilie bedeutet dies, Vermögenswerte auflösen zu müssen, um das Unternehmen neu zu finanzieren. Mit einer modernen Beschaffungs- und Bevorratungsstrategie hätte dies vermeiden werden können.

Beispiel 2: Komplexitäten und Risiken bei der Anpassung an Kundensonderwünsche

In unserem zweiten Beispiel erfüllt ein Unternehmen zahlreiche Kundensonderwünsche. Dadurch gerät es in Schwierigkeiten, seine Umsatzplanung zu erfüllen. Der Kundenfokus führt dazu, dass viele Teile neu konstruiert werden müssen, was nicht nur ein zeitlich bedeutender Faktor ist, sondern auch eine Herausforderung für das Produktdesign darstellt.

Die Klärung des Kundenbedarfs ist langwierig und teils unvollständig, weil die Sprache des Kunden nicht die der Konstrukteure ist. Im Bemühen, die Fertigung und Beschaffung schnellstmöglich zu starten, werden Fertigungsaufträge oft voreilig freigegeben, selbst wenn das benötigte Material noch unterwegs ist. Durch die Abweichung vom Standardprodukt macht man den zweiten Schritt vor dem ersten.

Dieses Vorgehen führt zu einem chaotischen Produktionsprozess, bei dem häufig festgestellt wird, dass die Stücklisten zur Beschleunigung aus Vorlagen aus anderen Projekten verwendet werden und dann unvollständig oder fehlerhaft sind. Infolgedessen müssen Sonderbeschaffungsmaßnahmen eingeleitet werden, was nicht nur zu Verzögerungen, sondern auch zu einer Neupriorisierung und gelegentlichen Unterbrechung der Fertigungsaufträge führt. Die Fehler fallen erst in der Endmontage auf.

Die Umorganisation der Montagereihenfolgen und der erhöhte Montageaufwand führen zu weiteren Komplikationen. Gerne wird die IT verbogen, um den Auftrag überhaupt durch die Fertigung und Montage zu schleusen. Liefertermine können nicht eingehalten werden, was die Kundenzufriedenheit und das Image des Unternehmens negativ beeinflusst. Zudem ist ein erheblicher Teil der Liquidität in halbfertigen Produkten gebunden, was die finanzielle Lage des Unternehmens zusätzlich belastet. Die Situation mündet in eine akute Liquiditätskrise, die eine umfassende Sanierung und Restrukturierung des Unternehmens erforderlich macht. Hier fehlte u.a. ein modernes Variantenmanagement und ein entsprechend angepasster Auftragsabwicklungsprozess.

Die beiden Beispiele zeigen, dass die Ursachen für die notwendigen Restrukturierungen und Sanierungen teils viel weiter zurückreichen als zunächst vermutet. Es ist eine weit verbreitete Ausrede, dass Unternehmen über Nacht in Schwierigkeiten geraten. Viele Betriebe verkraften jahrelanges Missmanagement, bevor das empfindliche Gleichgewicht gestört wird. Äußere Schocks, wie Marktveränderungen, sind häufig nur der Auslöser und nicht die tiefere Ursache der Probleme.

Das Kernprinzip des Managements scheint simpel: Ziele zu setzen und deren Erreichung zu planen und zu steuern. Man könnte denken, die Herausforderung liege im Erreichen zu ehrgeiziger Ziele. Aber weit gefehlt. In der Planung und Umsetzung liegt der Casus knacksus. Warum ist das so? Häufig sind Planungs- und Steuerungsprozesse in Unternehmen unzulänglich ausgeprägt. Dabei ist das „ShiSho“-Prinzip (Shit in – shit out) nicht die einzige Problematik. Wenn die Prozess- und Datenstrukturen nicht richtig aufgesetzt wurden, kann man auch mit noch so viel Aufwand keine guten Ergebnisse erreichen. „Hühner fangen, statt Zäune flicken“ nannte es ein Werkleiter angesichts der Tatsache, dass seine Produktionsplaner und steuerer rund 80% ihrer Zeit als Terminjäger und nur 20% mit ihrer eigentlichen Planungsaufgabe verbrachten.

Ein Hauptproblem ist die Intransparenz. Informationen sind oft schwer zugänglich, überwältigend, widersprüchlich oder tendenziös. Hinzu kommen unzureichende Datenstrukturen und eine schlechte Qualität der gewonnenen Daten. Kennzahlen, Faustformeln und selbst Überschlagswerte müssen stimmen. Die Basisdaten der Planung müssen „up-to-date“ und gepflegt sein.

Falsche Planungs- und Steuerungsmethoden, wie eine Push- statt eine Pull-Strategie, verschärfen das Problem. Hinzu kommen fehlende oder irreführende Rückmeldungen und systemische Fehler. Etwa wenn Vorlieben für bestimmte Produkt- oder Kundengruppen zu einem unangemessenen Ressourceneinsatz oder zu einer Überkomplexität führen.

Diese Faktoren münden in eine Kette von Komplikationen: Intransparenz in der Kalkulation, falsche Kostenzuordnung, Unklarheit über Vorräte und Materialverfügbarkeit sowie eine verzerrte Bewertung von Kundenaufträgen. Die Folgen können gravierend werden: Lange Lieferzeiten, schlechte Termintreue durch starke Streuung in den Durchlaufzeiten, hohe Bestände und häufige Fehlteile. Die Auswirkungen schaukeln sich häufig auch noch gegenseitig hoch. Im schlimmsten Fall führen diese Probleme zu einer Liquiditätskrise oder gar zur Insolvenz.

Wie Sie Ihre Unternehmung dauerhaft auf Kurs halten:

  1. Verlassen Sie sich nicht nur auf finanzwirtschaftlichen Kennzahlen, denn diese liefern häufig nur unvollständige Aussagen über einen bereits vergangenen Zustand.
  2. Definieren Sie zukunftsorientierte Kennzahlen (z.B. Auftragsreichweiten), denn daraus lassen sich Prognosen ableiten, die frühzeitig Handlungsbedarfe aufzeigen.
  3. Ergänzend kommen leistungswirtschaftliche Kennzahlen hinzu, z.B. Durchlaufzeiten oder Termintreue. Sie liefern bestenfalls Aussagen über die Qualität der technischen und der Verwaltungsprozesse. Außerdem eignen sie sich unterstützend zur Beurteilung, ob die Prozesse immer noch das aktuelle Geschäftsmodell abbilden.

Es ist daher essenziell, diesen Fallstricken durch transparente Informationsflüsse, adäquate Datenstrukturen und eine realistische Planung und Steuerung entgegenzuwirken. Nur so kann die Effektivität und Effizienz des Unternehmens langfristig gesichert werden. Ein konjunktureller Zyklus besteht in der Regel aus einem Abschwung, einer stabilen (Schwäche-)Phase, einem anschließenden Aufschwung usw. Kennzahlen kündigen idealerweise den Wechsel von einer Phase in die nächste frühzeitig an. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, eine angemessene Reaktion zu planen und so nicht von den Ereignissen überrollt zu werden. Deshalb sollten die Unternehmenskennzahlen für jede Phase qualitativ hochwertige Aussagen liefern.

Woher kommen die Kennzahlen? Wie erhalte ich sie?

Die Kennzahlen kommen aus dem eigenen Unternehmen bzw. dem unternehmenseigenen Data Warehouse. Sie entstehen im besten Fall automatisch und in einer Zeitreihe, wobei die Darstellung dann Geschmackssache ist. Auf die Kombination der Kennzahlen mit den „Knackpunkten“ des Unternehmens kommt es an. Das können beispielsweise Engpassaggregate, Logistikkomponenten, eingeschränkt verfügbare Ressourcen oder Ressourcen mit Lieferzeiten sein, die gar die Termineinhaltung des Auftrages gefährden.

In einem dynamischen Umfeld muss die Zukunft schneller antizipiert werden. Veraltete Kennzahlen, Faustformeln und Pi-Mal-Daumen-Lösungen reichen oft nicht aus. Jahrelange Erfahrungen auf Basis alter Kennzahlen (Durchschnittswerte auf Basis 12 Monatsdurchschnitt o.ä.) sind dann als kritisch anzusehen, wenn sie nicht regelmäßig auf ihre Aktualität überprüft werden.

Die Unternehmensplanung ist ein Teil eines gesamtheitlichen Systems, nämlich des gesamten Geschäftsprozesses. Um sie modern, flexibel und realitätsnah einzusetzen, bedarf es regelmäßiger Rückmeldung aus allen Unternehmensbereichen. Je genauer die Rückmeldungen und Erwartungen formuliert werden, umso besser können Sie damit arbeiten. Und nur dann kann ein ganzheitlicher Planungsprozess ausgelöst werden, der vom ersten Kundenkontakt bis zur Auslieferung des Produktes alle Unternehmensbereiche durch Transparenz unterstützt. Der LEAN-Gedanke kommt hier zum Tragen. Denn schlechte Planung ist tatsächlich die größte Verschwendung von Ressourcen. Positive Beispiele zeigen, wie sich durch eine ganzheitliche Herangehensweise die Lieferzeiten drastisch verkürzen lassen und sich eine Variantenflexibilität beherrschbar erhöhen lässt.

Was können Sie tun, wenn nicht alles so läuft, wie Sie es gerne möchten?

  • Bilden Sie eine Task Force: Holen Sie erfahrene Produktionsmanager und eine reaktionsschnelle IT-Gruppe an einen Tisch, um bestehende Missstände zu beheben.
  • Verschaffen Sie sich einen Überblick: Wichtig ist ein umfassender Überblick über Ihre Bedarfe, Bestände und Bedarfsdecker, einschließlich der Bestellinformationen zu Einkaufsbestellungen und Produktionsaufträgen.
  • Etablieren Sie Managementroutinen und Visualisierungen: Kurz- und mittelfristig sind Managementroutinen und moderne Dashboards hilfreich, um Transparenz zu schaffen, Prozesse zu steuern und durch konsequente Nutzung unangenehme Überraschungen zu vermeiden.
  • Überprüfen, überarbeiten und pflegen Sie Ihre Prozesse: Die Entwicklung technischer Prozesse geht mit Investitionen einher. Deshalb ist es normalerweise selbstverständlich, diese Prozesse sorgfältig zu planen. Verwaltungsprozesse dagegen laufen häufig einfach irgendwie mit und werden bei der Planung vernachlässigt. Dort lässt sich Verbesserungspotenzial heben.
  • Überprüfen und optimieren Sie Ihre Datenstrukturen: Regelmäßig sollten Sie die Datenstrukturen, die Produkte, Produktionsaufträge, Kunden- und Lieferantenbeziehungen abbilden, kritisch hinterfragen und bei Bedarf verbessern.

Was ist im Normalfall zu tun?

  • Pflegen Sie Ihre IT, Ihre Basisdaten, Ihre Planung: Das scheint für den Moment vielleicht nicht wichtig zu sein. Aber in der Zukunft werden sie, gerade wenn es irgendwo knirscht, sehr glücklich sein, wenn Sie eine verlässliche Datenbasis vorweisen können.

 

Ähnliche Artikel

Finanzen Steuern Recht

Von Hinweisgeberschutz bis Feedbackkultur

Neue rechtliche Anforderungen geschickt kombiniert. Das Hinweisgeberschutzgesetz ist die deutsche Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie, über das länger gestritten wurde.

Hannover 2023 | Christian Klande, Hannover

Finanzen Steuern Recht

Abhängigkeit der Transaktionsfähigkeit vom Geschäftsmodell

Transparenz und Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktoren

Wofür steht mein Unternehmen?

Stuttgart 2023 | Christian Scharfenberger, Stuttgart | Lars Gairing, Stuttgart