Artikel erschienen am 01.12.2012
E-Paper

Wettbewerbsvorteil: „Rechnungswesen“?!

Von Ingo Berg, Braunschweig | Dimitrios Giannakopoulos, Braunschweig

Sicherlich denkt man in Bezug auf Wettbewerbsvorteile grundsätzlich an die Schaffung von Alleinstellungsmerkmalen. Diese ergeben sich einerseits stets durch qualitative, quantitative, regionale sowie emotionale Aspekte und andererseits natürlich durch Produktinnovationen. In diesem Zusammenhang sei als theoretisches Modell beispielsweise die „Blue-Ocean-Strategie“ erwähnt, die einen bei der Suche bzw. Schaffung neuer Märkte gedanklich unterstützen kann.

Inwieweit einem Unternehmen allerdings Wettbewerbsvorteile durch das Rechnungswesen erwachsen, wird im Folgenden analysiert und dargestellt:

Intern stellt das Rechnungswesen das wichtigste Instrument zur Erfolgsmessung und zur Unternehmenssteuerung dar und sollte daher eine ebenso hohe Bedeutung wie das Kerngeschäft im Unternehmen erfahren und nicht als gesetzliches Dogma zur Bemessung der Steuern und Erfüllung von Publizitätspflichten verstanden werden. Einzig das Rechnungswesen kann Aufschluss darüber geben, ob das Kerngeschäft erfolgreich ist und ob durchgeführte Veränderungen in der Ausrichtung des Kerngeschäfts den geplanten Nutzen erfüllen oder eventuelle Anpassungen vorzunehmen sind.

Entscheidend für eine sachgerechte Unterstützung ist die Qualität und Aktualität der Finanzbuchhaltung. Beide Faktoren sind kumulativ und zeitgleich zu erfüllen, da nur eine hochqualitative Finanzbuchhaltung überhaupt die Grundlage für Entscheidungen darstellen kann und den Entscheidungsträgern die Vornahme rationaler Handlungen ermöglicht. Die zeitnahe Kenntnisnahme interner und externer Daten ermöglicht es, Ressourcenfehlleitungen rechtzeitig aufzudecken und abzustellen. In welchem Umfang das Rechnungswesen ausgestaltet sein sollte, hängt hierbei einerseits von der Größe des Unternehmens und andererseits von der Komplexität der Geschäftsfelder und Märkte ab, auf denen das Unternehmen tätig wird. Neben der laufenden Finanzbuchhaltung gilt es dann, zur Unternehmenssteuerung auch über die Implementierung von Kennzahlensystemen, internen Kontrollsystemen, Kostenrechnungen, Planungsrechnungen und Controllinginstrumenten nachzudenken.

Wohingegen das Rechnungswesen den Anteilseignern Aufschluss über den betrieblichen Erfolg gibt, wird das Informationsinteresse externer Finanzierungspartner immer größer. So erfährt das betriebliche Rechnungswesen eine erhebliche Bedeutung bei der Sicherstellung der Finanzierung des Unternehmens und wird auch für kleine und mittelständische Unternehmen (sog. KMU) zum Schlüssel zur Sicherstellung der Finanzierungsfähigkeit.

Wer heutzutage Aufträge großer Unternehmen erhalten möchte oder sogar muss, kommt zumeist nicht mehr umhin, seinen Kunden zumindest seinen Jahresabschluss zeitnah nach Abschluss des Geschäftsjahres offenzulegen. Konzerne sind immer mehr angehalten, ihre Lieferanten nicht mehr nur nach der Qualität der vereinbarten Leistung, sondern auch nach der betriebswirtschaftlichen Substanz zu beurteilen, um ihren fristgerechten Bedarf sicherstellen zu können.

Da deutsche Unternehmen, anders als z. B. in den USA, ihren Kapitalbedarf traditionell über Banken decken, ist dieser Gruppe ein besonderer Stellenwert beizumessen. Bereits seit der Umsetzung von Basel II im Jahr 2007 und der damit eingeführten risikogedeckten Eigenkapitalunterlegung bei der Kreditvergabe waren Banken stets daran interessiert, ihr Kapital Kunden mit guter Bonität zur Verfügung zu stellen. Zur Bemessung der Bonität erfuhren Ratings eine höhere Bedeutung und wurden nahezu zum alleinigen Entscheidungsinstrument der Kreditzusage. Mithilfe des Ratings soll die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredits festgestellt werden. Das inhärente Risiko jedes Kreditgeschäfts wird dann grundsätzlich über den Darlehenszins abgebildet, kann aber im (worst) case zur Ablehnung des Darlehensantrags führen. Mit der Verabschiedung von Basel III, dass ab dem 01.01.2013 schrittweise in Kraft tritt, werden die Kapitalbindungsvoraussetzungen für Banken immer restriktiver, sodass die Anforderungen der Banken an die Unternehmen zum Erhalt laufender Kontokorrentkredite oder Investitionsdarlehen höher werden.

Das Rating teilt sich in drei zu beurteilende Bereiche ein. In die Bonitätsbewertung fließen sowohl quantitative (sog. hard facts) und qualitative Faktoren (sog. soft facts) als auch Branchenfaktoren ein. Ein positives Rating ermittelt sich aus dem Zusammenspiel der vorgenannten Faktoren.

Die quantitativen Merkmale umfassen im Wesentlichen die Eigenkapitalausstattung, die Rentabilität, die Liquidität sowie die Kapitaldienstfähigkeit. Durch eine Analyse der Kennzahlen aus der Finanzbuchhaltung können hier etwaige Schwächen aufgedeckt und gezielt abgestellt werden.

Ebenso bedeutsam sind allerdings auch die qualitativen Faktoren. Hierzu zählen insbesondere das Kontoführungsverhalten, die Unternehmensorganisation und Strategie, die Nachfolgeregelung sowie die Qualität des Rechnungswesens und der Planzahlen, die Jahresabschlussqualität und das Informationsverhalten.

So führt bereits allein die regelmäßige unaufgeforderte Einreichung eines substantiierten und kurz erläuterten Monatsreporting bei der Bank zu einer Verbesserung des Ratings. Bei Kreditbedarf ist daher eine offene Kommunikationsweise mit den Banken zu empfehlen.

Die Unternehmen stehen daher künftig mehr denn je im Wettbewerb bei der Gewinnung von Fremdkapital zueinander. Denn die Zusage oder die Ablehnung eines Kreditantrags kann für die Entwicklung oder sogar den Fortbestand eines Unternehmens von entscheidender Bedeutung sein.

Bei der Bewerbung um Kapital bei der Bank ist deshalb ein gut organisiertes und belastbares betriebliches Rechnungswesen unerlässlich. So zeigt es auch den Anteilseignern unter Umständen bestehende Schwächen auf, die dann gezielt angegangen werden können, und zugleich vermittelt es den Finanzierungspartnern die Kompetenz der Führungsorgane.

Deshalb gilt es für zukunftsorientierte Unternehmen, notwendige Anpassungen vorzunehmen, um künftig ihre Liquidität zu sichern, um auf ihrem Hauptgeschäftsfeld wettbewerbsfähig zu bleiben.

Bei der Bewerbung um Investitionskapital sind die Auswertungen des betrieblichen Rechnungswesens die Visitenkarte des Unternehmens und entscheiden nahezu ausschließlich über die Kreditzusage.

Ähnliche Artikel

Finanzen Steuern Recht

Compliance-Management im Mittelstand

Kaum ein Thema wird im aktuellen Wirtschaftsgeschehen so häufig diskutiert wie das der „Compliance“. In der breiten Öffentlichkeit ist fast täglich von der Notwendigkeit zur Einrichtung von Compliance-Management-Systemen (CMS) die Rede und Chief Compliance Officer (CCO) scheinen dringend gesucht zu werden. Über die Fälle, in denen Organisationen oder einzelne Personen „non-compliant“ gehandelt haben, kann täglich in der Zeitung gelesen werden.

Hamburg 2014 | Dr. oec. Oliver Bungartz, Hamburg

Finanzen Steuern Recht

Besteuerung im Mittelstand im Zeitalter der Digitalisierung

Die digitale Betriebsstätte: Es stellt sich die Frage nach der wertschöpfungsgerechten Besteuerung im Zeitalter der Digitalisierung – auch und insbesondere im Mittelstand.

Ostwestfalen/Lippe 2019 | Dr. iur. Uwe Hohage, Bielefeld | Susann van der Ham, Bielefeld