Artikel erschienen am 17.12.2015
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Vermögensanlage als Herausforderung für Stiftungen im aktuellen Marktumfeld

Von Ron Große, Braunschweig

Stiftungen konnten in der Vergangenheit durch die Verzinsung auf Spareinlagen und Bundesanleihen auskömmliche Mittel zur Erfüllung des Stiftungs­zweckes generieren. In den letzten Jahren sind diese jedoch stetig zurückgegangen. Konnten und können ältere Stiftungen ggf. auf gebildete Rücklagen zurückgreifen, stellt sich für neu gegründete Stiftungen die Frage nach der Erzielung planbarer Mittel zur Zweckerfüllung.

Eine Abkehr von der klassischen Sparanlage ist vor diesem Hintergrund unausweichlich. Die Vermögensanlage stellt die jeweiligen Organe einer Stiftung vor neue Herausforderungen. Der Spagat der Stiftungsmanager zeigt sich in vier kollidierenden Zielen:

  • Das Finanzamt verlangt von der Stiftung grundsätzlich die zeitnahe Mittel­ver­wendung und Erfüllung des Stiftungszweckes, um die Gemeinnützigkeit der Stiftung nicht zu gefährden.
  • Die Stiftungsaufsicht fordert einen dauerhaften Kapitalerhalt. Der Begriff des ungeschmälerten Erhalts des Vermögens wird vermehrt präzisiert und vor dem Hintergrund der Dauerhaftigkeit einer Stiftung als Anforderung des Realwerterhalts interpretiert.
  • Die Organe der Stiftung wünschen sich eine möglichst einfache und unkomplizierte Verwaltung des Vermögens.
  • Ein fundamentales Ziel ist darüber hinaus die Minimierung des persönlichen Haftungsrisikos.

Die Unterstützung durch die Gesetzgebung fällt eher gering aus. Im Bundes- und Landesrecht finden sich bestenfalls allgemeine Anlagevorschriften. Grundsätzlich bestimmt daher der Wille des Stifters die Anlagerestriktionen. Der Stifterwille ist in der Satzung niedergelegt. Sieht die Stiftungssatzung keine Einschränkungen vor, so ist grundsätzlich jede Anlageform zulässig. Früher schrieben einige Landesstiftungsgesetze Mündelsicherheit vor. Als letztes Bundesland hat Bayern 1996 diese Vorschrift gestrichen. Trotzdem schreiben auch heute noch einige Satzungen Mündelsicherheit vor. Hier empfiehlt sich ggf. das Gespräch mit der Stiftungsaufsicht, um die Möglichkeit einer Anpassung zu erörtern. Allerdings dürfte das wenig Aussicht auf Erfolg haben.

Tatsache ist, dass es entgegen der weitverbreiteten Meinung keine gesetzlichen Beschränkungen gibt, die einzelne Anlageklassen ausschließen oder Obergrenzen dafür festsetzen. Entsprechend gibt es auch keine maximal zulässige Aktienquote. Ganz im Gegenteil: Für die klassische deutsche Ewigkeitsstiftung lassen sich 100 % Aktien wesentlich besser rechtfertigen als 100 % Renten. Historisch gesehen sind alle Anlagen mit einem Zins, also u. a. Anleihen und Einlagen bei Banken, langfristig besonders riskant. Grundsätzlich ist die Ausgestaltung einer individuellen Anlagerichtlinie als Nebenordnung außerhalb der Satzung zu empfehlen, die die z. T. konträren Ziele miteinander verbindet.

Diese Anlagerichtlinie sollte neben der Anlagestrategie und den zulässigen Anlage­instrumenten auch die Zulässigkeit von Umschichtungen im Vermögen definieren. Die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten kann hier ebenso einfließen wie grundsätzliche Überlegungen zur Rücklagenbildung. Restriktionen zur Risikominimierung sollten mindestens

  • die Begrenzung einer Aktienquote,
  • die Vorgabe eines Mindest-Ratings bei Anleihen,
  • eine Obergrenze von Fremdwährungsanteilen sowie
  • eine regelmäßige Informationspflicht des Vorstandes

enthalten. Da sich die Kapitalmärkte stetig ändern, sollte auch die Anlagerichtlinie regelmäßig überprüft werden. Die Satzung sollte ggf. auf eine Anlagerichtlinie verweisen. Sofern die Anlagerichtlinie der Satzung nicht widerspricht, entfällt eine Einflussnahme der Stiftungsaufsicht und sie bedarf auch nicht deren Zustimmung. Dies ermöglicht auch eine Anpassung ohne eine Satzungsänderung und ohne Genehmigung der Aufsichtsbehörde. Trotzdem ist die Stiftungsaufsicht über die Anlagerichtlinie und deren Anpassungen zu informieren.

Der Vorstand der Stiftung kann in diesem Rahmen gut begründete und nachvollziehbare Anlageentscheidungen treffen und minimiert damit eine mögliche Haftung, da diese grundsätzlich anhand der Situation vor Umsetzung der Anlageentscheidung bewertet wird.

Welche Möglichkeiten bietet also eine Anlagerichtlinie?

Es werden Mindeststandards und Anforderungen definiert, z. B.:

  • Es sollen angemessene Erträge erwirtschaftet werden, die zum Großteil für den Stiftungszweck ausgeschüttet werden.
  • Um den (realen) Erhalt des Vermögens nicht zu gefährden, soll das Risiko der Anlagen ausreichend gestreut werden.
  • Es wird eine langfristig ausgerichtete Anlagestrategie verfolgt.

Anschließend stellt sich die Frage nach der Liquiditätsplanung. Welche Ausgaben für die nächsten Jahre sind schon heute bekannt (z.B. dauerhafte Förderungen, geplante Projekte etc.)? Welcher Anteil am Mittelaufkommen entfällt auf die Vermögensverwaltung? Wie setzen sich eventuelle Rücklagen zusammen? Sobald dieser Rahmen feststeht, beginnt die zielgerichtete Zusammenstellung des Portfolios. Welche Instrumente sind geeignet, um das benötigte Mittelaufkommen möglichst konkret zu erzielen?

An dieser Stelle sei kurz auf einige Besonderheiten im Bereich der Abgabenordnung (AO) hingewiesen. Die AO unterscheidet bei Erträgen zwischen zeitnah zu verwendenden Mitteln und Nichtmitteln. Als Mittel werden Erträge angesehen, die direkt zufließen (z. B. Zinsen, Dividenden oder Mietüberschüsse). Zu den Nichtmitteln zählen alle übrigen Gewinne, z. B. realisierte Wertveränderungen (i.d.R. realisierte Gewinne aus Vermögensumschichtungen).

Die Mittel sind grundsätzlich zeitnah, d. h. im Jahr des Zuflusses oder den beiden Folgejahren, für die Zweckerfüllung zu verwenden. Alle Erträge, die nicht zu den zeitnah zu verwendenden Mitteln gehören, sind dem Vermögen zuzuordnen und dürfen grundsätzlich nicht für den Stiftungszweck verwendet werden. Hieraus ergibt sich z.B., dass die Dividendenzahlung einer Aktie der zeitnahen Mittel­ver­wendung und damit der Erfüllung des Stiftungszwecks zur Verfügung steht, wohingegen ein realisierter Kursgewinn das Vermögen der Stiftung erhöht und damit nicht ausgeschüttet werden darf (Ausnahme: In der Satzung ist eindeutig eine Wahlmöglichkeit vorgesehen).

In der Praxis sollten die realisierten Kursgewinne einer Umschich­tungs­rück­lage zugeführt, realisierte Kursverluste dieser entnommen werden. Entsprechend kann die Umschich­tungs­rück­lage einer Stiftung auch negativ sein.

Für den aktienorientierten Bereich ist das sehr leicht nachvollziehbar. Wird eine Aktie mit einem Kursverlust veräußert, um weitere Kursrückgänge zu vermeiden, und hierfür ein festverzinsliches Wertpapier erworben, ergibt sich eine negative Um­schich­tungs­rück­lage. Das könnte vermieden werden, indem die Aktie nicht veräußert wird (das wäre allerdings unter Risikogesichtspunkten unverantwortbar).

Die Frage der Vermeidung einer Veräußerung stellt sich allerdings bei Anleihen nicht.

Der Effekt bei Anleihen über pari (d. h. Kaufkurs > 100 %) stellt sich wie folgt dar: Bei einer Investition in eine Anleihe mit einem Kaufkurs von 104 % zu Beginn des Jahres, einer Restlaufzeit von einem Jahr und einem Kupon von 6 % ergibt sich folgende Situation: Es tritt ein Kursverlust von 4 % auf, der nicht direkt mit den 6 % Zinsen verrechnet werden darf. Der Kursverlust zählt nicht zu den Mitteln und ist damit dem Vermögen zugeordnet. Es ergibt sich eine negative Um­schich­tungs­rück­lage. Die Zinsen stellen Mittel im Sinne der AO dar und unterliegen der zeitnahen Mittel­ver­wen­dungs­pflicht. Es dürfte lediglich eine freie Rücklage i. H. v. 2 % (einem Drittel) gebildet werden. Insgesamt folgt daraus eine Reduktion des Stiftungs­vermögens von (mind.) 2 %.

Entfällt diese Rück­lagen­bildung bei mehrjährigen Anleihen, kann der nominale Vermögens­rück­gang auch deutlich größer ausfallen. Damit wäre das gesetzliche Gebot des Vermögens­erhalts verletzt.

Auf der anderen Seite bietet der gezielte Erwerb von Anleihen über pari die Möglichkeit, planbare Mittel zu erzielen. Bei der Ausgestaltung einer Gesamtstrategie muss beachtet werden, dass die eintretenden Kursrückgänge zur Fälligkeit durch Anlagen, die Kursgewinne erwarten lassen, ausgeglichen werden sollten.

Zur Realisierung dieser Kurssteigerungen sind u.a. Aktien und Discountzertifikate besonders gut geeignet. Die Aktienwerte sollten dann allerdings nicht (ausschließlich) mit der Anforderung einer möglichst hohen Dividendenrendite ausgewählt werden, da diese wiederum der zeitnahen Mittel­ver­wendungspflicht unterläge. Zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung kann damit dargelegt werden, dass neben einem planbaren Mittelaufkommen auch ein Vermögenserhalt sichergestellt werden kann.

Fazit

Durch eine auf die individuelle Anlagestrategie und die Ausschüttungserfordernisse abgestimmte Portfolio­zusammen­setzung lässt sich der Spagat der Stiftungs­manager meistern und die Erfüllung des Stiftungs­zwecks kann auch im derzeitigen Niedrig­zins­umfeld verwirklicht werden. Dazu kann auch ein Stiftungsfonds, der zu den eigenen Anlagerichtlinien und den individuellen Bedürfnissen der Stiftung passt, eine geeignete Lösung darstellen.

Bild: Panthermedia/Wilm Ihlenfeld

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