Artikel erschienen am 01.06.2011
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Naturtherapie – ein Beitrag zur Genesung

Kroschke Stiftung macht sich für kranke Kinder stark

Von Gerd-Ulrich Hartmann, Braunschweig

Stiftungen setzen Akzente. Die von ihnen geförderten Projekte sollen einen einmaligen, innovativen und nachhaltigen Charakter haben; nur so lassen sich weitere Unterstützer und Förderer finden. Für die in Braunschweig ansässige Kroschke Stiftung für Kinder ist die bundesweit einmalige Naturtherapie ein derart beispielhaftes Projekt.

In Wohngruppen des Pädagogisch-Psychologischen Therapie-Zentrums (PPTZ) leben stark traumatisierte Kinder. Sie benötigen nach einem stationären Aufenthalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht nur weitere professionelle Betreuung, sondern zusätzliche therapeutische Unterstützung. Das vielversprechende Konzept des PPTZ, diesen Kindern durch eine Naturtherapie zu helfen, in ein normales angstfreies Leben zurückzufinden, überzeugte den Vorstand der Kroschke Stiftung und er bewilligte nach intensiver Beratung 17 500 Euro. Doch was ist überhaupt eine Naturtherapie? Das Verfahren, bei denen die Teilnehmer durch den Wandel der Jahreszeiten die heilende und inspirierende Kraft der Natur erleben, kennen wahrscheinlich nur wenige.

Heilende Wirkung

Mehrere Wochenenden in Frühling, Sommer, Herbst und Winter verbrachten die Kinder im Alter von acht bis 14 Jahren im Elm und im verschneiten Harz, begleitet von der Therapeutin Sylvia Wollwert und ihrem Team. Es ging jedoch nicht nur darum, Aktivitäten einfach nach draußen zu verlegen. Vielmehr können intensive und geleitete Begegnungen mit der Natur heilende, stärkende und unterstützende Wirkungen haben. Die naturtherapeutischen Maßnahmen mit ihren ritualisierten Inhalten sollen dazu beitragen, die Entwicklung von Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein zu unterstützen, soziale Kompetenzen zu entwickeln und zu festigen. An den Wochenenden im Elm stellten die Kinder stets ein großes Tipi als Versammlungsraum und Zelte auf – allein das Übernachten im Zelt war für die meisten schon ein Abenteuer. Später lernten sie einen Redekreis mit Redestab kennen, sammelten Feuerholz und kochten über dem Feuer. Teamgeist, Konzentration, Ausdauer und Förderung der Leistungsbereitschaft standen im Mittelpunkt von Spielen in und mit der Natur.

Neugier auf die Natur

Nach anfänglicher Unsicherheit entwickelten die Kinder allmählich Neugier und Vertrauen, um sich auf Fragen aus der Natur einzulassen: etwa, wo die Kratzspuren am Baum herkommen und welches Tier seine Fährte hinterlassen hat. Die Kinder eigneten sich einfache Überlebenstechniken an und stellten sich zunehmend größeren Herausforderungen. So errichteten sie einen Schlafplatz im Wald aus Naturmaterialien, entzündeten ein Feuer bei Regen (ohne Streichhölzer) oder sammelten bei Streifzügen durch die Natur essbare Pflanzen. Diese wurden in Quark verarbeitet, über offenem Feuer in der Suppe zubereitet, gebraten oder zu Chips frittiert.

Therapeutische Verstärkung

Das einmal erwachte Interesse wurde aufgegriffen und therapeutisch verstärkt, berichtete PPTZ-Geschäftsführer Günther Streifthau. Förderschüler mit Konzentrationsmängeln und Lerndefiziten zeigten auf einmal eine nie gekannte Begeisterung, sich Wissen zu erwerben. Selbst Kinder mit der Diagnose ADHS konnten nachts konzentriert und ruhig durch den Wald schleichen, um ein nachtaktives Tier zu beobachten. „Es wächst so viel Vertrauen, dass die Teilnehmenden von Wochenende zu Wochenende sichtbar mehr „einfach Kinder" sein können, die glücklich und staunend bis zum Bauch im Schnee stehen oder stolz ihr Stockbrot beim abendlichen Schneefest zeigen, aber auch Konflikte im Kreis thematisieren können", sagte Streifthau nach dem dritten Wochenende, das die Kinder im verschneiten Harz verbracht hatten.

Positives Fazit

Nach Abschluss des Projekts zieht das PPTZ ein positives Fazit: Verantwortung, Kooperationsbereitschaft, soziale Kompetenz, Kreativität, Neugier und Flexibilität wurden gefördert, gleichzeitig gab es bei den Kindern weniger Wutausbrüche, Aggressionen und sexualisiertes Verhalten. Die Verantwortlichen der Kroschke Stiftung fühlen sich durch diese Ergebnisse in ihrer Förderentscheidung bestätigt. Die Naturtherapie des PPTZ ist nur ein Projekt von vielen, das die Stiftung gefördert hat. Insgesamt hat die Stiftung in den vergangenen fünf Jahren rund 1,5 Mio. Euro für das Wohl kranker und behinderter Kinder aufgewendet. Dazu kommen weitere 80 000 Euro, die der Freundeskreis der Stiftung für eigene Projekte aufgebracht hat.

Schwerpunkt Norddeutschland

Die gemeinnützige und unabhängige Kroschke Stiftung für Kinder wurde 1993 von den Unternehmern Klaus Kroschke (Braunschweig) und Christoph Kroschke (Ahrensburg) gegründet. Sie engagiert sich in Norddeutschland und fördert Projekte, die der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zugute kommen. Schwerpunkte sind Hilfen für chronisch kranke und behinderte Kinder, um deren Lebenssituation zu verbessern und Projekte mit präventivem Charakter.

Frühe Hilfen

So unterstützt die Kroschke Stiftung Vorhaben, die Babys einen guten Start ins Leben ermöglichen und von Fachleuten als „Frühe Hilfen“ bezeichnet werden. Dazu gehören beispielsweise Eltern-Kurse, die die Bindung zwischen Eltern und Kinder verbessern oder Schreibaby-Ambulanzen.

Kinderschutz

Zu den präventiven Vorhaben zählt der Kinderschutz. Die Kroschke Stiftung hat verschiedene Maßnahmen gefördert, durch die Kinder vor Vernachlässigung und Misshandlung geschützt werden sollen, beispielsweise Hospitationen hannoverscher Ärzte in den USA.

Integration

Um die Lebensbedingungen chronisch kranker und behinderter Kinder zu verbessern, fördert die Stiftung Spielzimmer in Krankenhäusern oder Maßnahmen zur häuslichen Betreuung schwerkranker Kinder. Einen besonderen Stellenwert haben Projekte mit integrativem Charakter, etwa ein Theaterprojekt am Braunschweiger LOT-Theater. Weitere Information unter www.kinderstiftung.de

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