Artikel erschienen am 26.04.2023
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Kognitive Verzerrungen

Tückische Fehler und teuflische Strategien bei Immobilientransaktionen

Von Dr. Marvin Barnecki B.Sc., Braunschweig | Paulina Jähnigen, LL.M., Braunschweig | Dr. Steffen Helbing, LL.M., MBA, Braunschweig

Immobilientransaktionen – ob privat oder geschäftlich – sind häufig von entscheidender Bedeutung für das private Glück und den unternehmerischen Erfolg. Trotz oder gerade wegen dieser Bedeutung lassen sich in nahezu jedem Immobiliendeal typische Denkfallen – von Psychologen „kognitive Verzerrungen“ genannt – beobachten.

Was sind diese Fallen und was können wir tun, um ihnen zu begegnen? Und wie verhindern wir, dass unser Verhandlungspartner unsere Denkmuster ausnutzt?

Was sind kognitive Verzerrungen?

Kognitive Verzerrung (englisch „cognitive bias“) ist ein Sammelbegriff für systematische Neigungen beim Wahrnehmen, Erinnern, Denken, Urteilen und Entscheiden. Von diesen systematischen Fehlern sind alle Menschen betroffen.

Kognitive Verzerrungen bleiben meist unbewusst und beeinflussen stark unsere Entscheidungen. Psychologen haben inzwischen mehr als 100 solcher Biases identifiziert. Dieser Artikel beschreibt eine Auswahl (sehr bekannter) kognitiver Verzerrungen und zeigt Beispiele ihrer Auswirkungen bei Immobiliendeals.

Ankereffekte: Geld verdienen mit unverschämten Forderungen

Der Ankereffekt ist eine kognitive Verzerrung, bei der Entscheidungen durch einen bestimmten Zahlenwert als Bezugspunkt oder „Anker“ beeinflusst werden. Sobald der Wert des Ankers festgelegt ist, unterscheiden sich nachfolgende Argumente, Einschätzungen und Entscheidungen einer Person von den Entscheidungen, die diese Person ohne den Anker getroffen hätte.

Die jeweilige Zahl wird deshalb als „Anker“ bezeichnet, weil diese den Bezugspunkt des Denkens markiert, an dem sich die Person im weiteren Verlauf der Überlegungen orientiert. Klassisches Beispiel ist, dass eine Person eher bereit ist, ein Auto zu kaufen, wenn es neben einem teureren Modell (dem Anker) steht.

Eine häufige – und verhältnismäßig leicht zu erkennende – Strategie bei Immobilientransaktionen ist, dass Verkäufer (oder auch deren beauftragte Makler) einen deutlich überhöhten Preis benennen oder Käufer einen bewusst „unverschämt niedrigen“ Einstiegspreis bei Vertragsverhandlungen bieten.

Der Dunning-Kruger-Effekt: Wer nichts weiß, weiß es besser

Die Bezeichnung „Dunning-Kruger-Effekt“ geht auf die Sozialpsychologen David Dunning und Justin Kruger zurück, die diesen Denkfehler 1999 erstmals beschrieben.

Dieser Bias besteht darin, dass gerade unerfahrene Personen das eigene Wissen zu hoch einschätzen und das von kompetenteren Mitmenschen stark unterschätzen. Unwissenheit führt damit paradoxerweise zu mehr Selbstvertrauen als tatsächliches Wissen und wirkliche Kompetenz. Geringe Kenntnisse gehen folglich mit großen Selbstüberschätzungen einher.

Der Dunning-Kruger-Effekt zeigt sich vor allem bei neuen Marktteilnehmern im Immobilienmarkt, die die Ergebnisse von Expertengutachten oder Preiseinschätzungen von Fachleuten in Frage stellen. Mehr als einmal konnten wir beobachten, dass ein (unerfahrener) Käufer meinte, eine Immobilie zu einem Bruchteil der durch einen Sachverständigen geschätzten Kosten sanieren zu können.

Sunken-Cost-Fallacy: Tote Pferde füttern, statt abzusteigen

Es fällt Menschen schwer, ein Projekt abzubrechen, in das sie bereits erhebliche Mühe und Kosten investiert haben. Im schlimmsten Fall führt diese kognitive Verzerrung dazu, dass mehr und mehr Geld in die Fütterung des toten Pferdes investiert wird, statt abzusteigen.

Die Denkfalle der (vermeintlich) „versenkten Kosten“ beobachten wir vor allem bei professionellen Immobilieninvestoren auf Käuferseite: Taucht im Rahmen der Due Diligence, vor allem kurz vor Unterzeichnung eines Kaufvertrages, ein Problem auf, das die Risiken des Projektes deutlich vergrößert, wird dieses häufig ignoriert oder versucht, die Schwierigkeit mit unzureichenden Mitteln zu beseitigen.

Und was nun? Die Lehre der Ver­teidigung gegen die schwarzen Künste

Der erste und wesentliche Schritt, die Auswirkungen kognitiver Verzerrungen abzumildern, ist, zu akzeptieren, dass solche Verzerrungen unsere Entscheidungen beeinflussen, auch wenn wir die konkreten Folgen oft nur vage sehen.Solche systematischen Fehler zu ignorieren, stellt selbst einen der häufigsten Biases dar, den „Blinder-Fleck-Effekt“. Mancher Stolz auf das eigene „Bauchgefühl“ ist nur ein Ausdruck der Verzerrung des „Hindsight Bias“, Ereignisse im Nachhinein so zu deuten, dass es ins eigene Bild passt.

Es lohnt sich daher, mögliche kognitive Verzerrungen zu kennen. Im Internet finden sich ausführliche Listen mit konkreten Beispielen, deren Studium nicht nur lehrreich ist, sondern auch Spaß macht.

Neben dem Wissen über kognitive Verzerrungen macht es Sinn, die eigenen Entscheidungskriterien ausdrücklich zu formulieren und insbesondere mit anderen zu diskutieren. Bei objektiven Eigenschaften helfen Experten vom technischen Gutachter bis zu Rechts- und Steuerexperten bei der Due Diligence.

Vor allem klare Kriterien, bei deren Eintreten man ein Geschäft nicht umsetzt, sind im Immobiliengeschäft hilfreich: Oft sind die besten Deals die, die man nicht macht!

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