Artikel erschienen am 13.07.2021
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Die Symbiose von Gestalten und Machen

Das Braunschweiger Konzept von lokalen Partnern am Beispiel des Stadtquartiers Langer Kamp

Von Stefan Giesler, Braunschweig | Michael Flentje, Braunschweig

Die Kreativität von Architekten muss mit den Entwicklungsideen der Investoren zusammengebracht werden, um neue Bereiche und Quartiere hochwertig zu gestalten. In Braunschweig lässt sich diese sehr erfolgreiche Zusammenarbeit von den lokalen Akteuren Giesler Architekten GmbH und Volksbank BraWo Projekt GmbH am gerade fertiggestellten Stadtquartier am Langen Kamp hervorragend betrachten. Neben den vielen unterschiedlichen Aspekten dieses ehrgeizigen Projekts fällt auch die lange Realisierungsdauer auf, die den beteiligten Partner ein großes Maß an Zielstrebigkeit und Durchhaltevermögen abverlangt haben.

Anno 2009 lobten die Stadt Braunschweig und das Städtische Klinikum einen städtebaulichen Gestaltungswettbewerb für den aufzugebenden Standort des Klinikums an der Gliesmaroder Straße aus. Nach den Wünschen der Eigentümerin sollte aus dem ehemaligen Klinikgelände ein hochwertiges Baugebiet mit einem überwiegend verkehrsfreien Park entstehen. Aus dem Wettbewerb ging die Giesler Architekten GmbH als erste Siegerin hervor. Nach Auffassung der Jury war der Entwurf umfassend und überzeugend gelungen, da er sowohl das Gebäude des historischen Garnisonslazaretts als auch den geschlossenen Parkbereich im Innern mit seinem alten Baumbestand bestmöglich mit modernen Neubauten in die urbane Nachbarschaft integrierte. Stefan Giesler und sein Team hatten das attraktive Stadtquartier mit einer Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Nahversorgung und Erholung so entworfen, dass eine Aufteilung auf mehrere Investoren möglich war. „Das Alte Klinikum im Zusammenhang mit dem an englischen Vorbildern orientierten Park ist der identitätsstiftende Kern dieses attraktiven Quartiers“ erläutert Architekt Stefan Giesler seine Intentionen zum Siegerentwurf.

Die Vorarbeiten waren damit erledigt, aber bis zur vollständigen Fertigstellung 2021 war es noch ein weiter Weg. Aus dem städtebauliche Entwurf wurde von Giesler ein Gestaltungshandbuch erarbeitet, welches den Beteiligten des Investorenauswahlverfahrens als Grundlage für ihre Angebote diente. Die Volksbank BraWo Projekt GmbH hatte als regionaler Akteur mit Verbundenheit zur Region sofort die Qualität des Standortes und Projekts erkannt. Um das Auswahlverfahren für sich zu entscheiden, wurde das Braunschweiger Konzept aus der Taufe gehoben. Dazu der Geschäftsführer Michael Flentje: „Wir folgten dem genossenschaftlichen Prinzip – was einer nicht schafft, schaffen wir gemeinsam!“. Dazu stellte die Volksbank BraWo Projekt GmbH ein schlagkräftiges Team aus regionalen Partner zusammen, um die Verkäuferin von ihrem Angebot zu überzeugen. Neben der Giesler Architekten GmbH waren weitere Planer, Bauträger und später auch Handwerker aus der Region an Bord, um die Version vom städtebaulichem Highlight im Herzen von Braunschweig wahr werden zu lassen. Dieser Ansatz überzeugte die Verkäuferin, sodass 2013 der Zuschlag zugunsten der Volksbank BraWo Projekt GmbH erteilt wurde. Der gewerbliche Immobilienmarkt in Braunschweig war zu diesem Zeitpunkt noch nicht so gut entwickelt, aber die Investoren der Volksbank glaubten fest an den Standort und das Projekt. Die Entwicklung sollte ihnen Recht geben.

Als weiterer großer Schritt zur Realisierung des Projekts musste ein Bebauungsplan aufgestellt werden, wobei die Giesler Architekten GmbH für die Qualitätssicherung verantwortlich zeichnete. Der Bebauungsplan spiegelt alle Aspekte des städtebaulichen Entwurfes wider und gliedert das Quartier in vier hochbauliche Komponenten und die zentrale Parkanlage. Für die Umsetzung der Hochbauten und Außenanlagen waren über den viele Jahre andauernden Realisierungszeitraum unzählige Abstimmungen mit allen Beteiligten notwendig. Und dies sowohl intern, als auch extern. Hierbei war es ein enormer Gewinn für das Projekt, dass die Giesler Architekten GmbH von Anbeginn involviert war und somit als kompetenter Partner für den Investor Volksbank BraWo Projekt GmbH agieren konnte.

Entsprechend des ersten Entwurfs wurde das Quartier schrittweise in mehreren Bauabschnitten über die Jahre realisiert. Die zwei Stadtvillen an der Ecke Langer Kamp/Gliesmaroder Straße mit 27 Wohnungen und einer Gesamtwohnfläche von 2 500 m² wurden 2019 fertiggestellt. Die im Stile der Stadthaus-Architektur entworfenen Mehrfamilienhäuser spiegeln in ihrer Konzeption sowohl Solidarität und Flexibilität als auch Großzügigkeit wider. Sie interpretieren die Gründerzeitbauten der Nachbarschaft in einer modernen Art und bieten Raum für unterschiedliche Lebenskonzepte.

Das Gebäude des ehemaligen Garnisonslazaretts aus dem 19. Jahrhundert wurde bis Anfang 2021 für einen Nutzungsmix aus Wohnen und Arbeiten umfassend saniert. Dabei wurde im Sinne der Nachhaltigkeit und zur Identitätsstiftung für das gesamt Quartier die historische Ziegelfassade erhalten und umfangreiche Maßnahmen zur energetischen Optimierung (u. a. Installation einer Photovoltaikanlage) durchgeführt. Auf 1 500 m² stehen nun acht Wohneinheiten und zwei Büros zur Verfügung.

Der Schwanberger Bogen ist ein imposanter Baukörper mit 35 Wohnungen, deren Terrassen und Balkone zum vom Gebäude eingefassten Park ausgerichtet sind. Das im KfW-55-Standard konzipierte Wohnhaus hat eine Größe von 4 500 m², die sich auf 3- bis 5-Zimmerwohnungen mit Wohnflächen zwischen 110 m² und 175 m² verteilen. Die Architektur wird durch eine klassische Fassade und verglaste Treppenhäuser geprägt.

Den nördlichen Abschluss des Quartiers zur Hans Sommer Straße bilden ein Ensemble aus einem Wohn- und Geschäftshaus und einem achtgeschossigen Bürogebäude. Die Erdgeschosse der beiden Immobilien werden durch einen Nahversorger und einen Bäcker mit gastronomischen Angebot genutzt. In den Obergeschossen stehen 62 Wohnungen bzw. 3 500 m² Bürofläche zur Verfügung. Die beiden Gebäude gruppieren sich um einen Marktplatz, der als offener und einladender Treffpunkt gestaltet ist.

Der Kern des Quartiers ist aber der Park mit seinem alten Baumbestand – entsprechend Gieslers Leitbild für den städtebaulichen Entwurf. Die an historischen Parkanlagen orientierte grüne Lunge ist zur urbane Oase mit Naherholungswert gestaltet worden. Es ist ein Ort der Entspannung und Begegnung geworden – und das nicht nur für die Bewohner des Quartiers, sondern auch für die mittelbare Nachbarschaft. In Summe spiegelt die Gestaltung des Quartiers auf der einen Seite eine erhebliche Vielfalt wider, was den unterschiedlichen Ansprüchen und Nutzungen Rechnung trägt. Auf der anderen Seite bilden alle Komponenten ein stimmiges und einheitliches Bild, sodass sich im gesamten Quartier ein positives Lebensgefühl einstellt.

Das Stadtquartier Langer Kamp macht eindrücklich deutlich, was in Zusammenarbeit von verbundenen Partnern mit Mut, Zielstrebigkeit und Ausdauer an urbaner und baulicher Qualität geschaffen werden kann. Dabei ist insbesondere das Miteinander von Architekten und Investoren hervorzuheben, deren gedeihliche Kooperation maßgeblich zum Gelingen eines solchen Projekts verantwortlich sind. Denn architektonische Qualität ist ein gewichtiger Aspekt für die erfolgreiche Vermarktung von Immobilien. Schlussendlich wollen beide Protagonisten das Gleiche: Orte und konkrete Werte für die Menschen, das Leben und das Wohlbefinden gestalten und realisieren.

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