Artikel erschienen am 13.05.2017
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Renditeimmobilien in Familienbesitz

Chancen bei der Übernahme durch die nächste Generation

Von Dipl.-Ing. Stephan Lechelt, Braunschweig

Immobilien sind eine beliebte Vermögensanlage und Altersvorsorge. Sie stehen für Stabilität und Sicherheit, denen Inflation, Krisen und sonstiger Unbill nichts anhaben können. Das war auch in der Vergangenheit so. Daher legten viele Familien einen nicht unerheblichen Teil ihres Vermögens in Immobilien an. Zunächst nur das eigengenutzte Wohnhaus und anschließend Renditeobjekte, zumeist Mehrfamilienhäuser sowie Wohn- und Geschäftsgebäude. Dadurch entstand im Laufe der Jahrzehnte oftmals ein kleines Immobilienportfolio.

Heute sind viele Eigentümer in einem deutlich fortgeschrittenen Alter, sodass ein Übergang der Immobilien im Rahmen der vorweggenommenen oder tatsächlichen Erbschaft auf die nächste Generation ansteht. Doch weiß diese eigentlich, was sie bekommt und auf was sie sich einlässt? Da die meisten Übernehmer nicht über die notwendige Immobilienexpertise verfügen, sollten die Immobilien im Rahmen der Übernahme umfänglich durch einen entsprechenden Fachmann geprüft werden, um die zukünftigen Chancen zu nutzen und evtl. Risiken zu verringern.

Erbschaft Immobilie

Gemäß einer Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) aus dem Jahr 2015 werden in Deutschland bis zum Jahr 2024 Immobilien im Wert von ca. 664 Mrd. Euro vererbt. Unter Berücksichtigung von etwa 3,9 Mio. Erbfällen im gleichen Zeitraum ergibt sich ein durchschnittliches Immobilienvermögen je Erbfall von gut 170 000 Euro. Eine Immobilienerbschaft umfasst im Durchschnitt 1,6 Objekte. Zumeist werden natürlich die selbstgenutzten Häuser und Wohnungen vererbt, die zumeist von den Erben weiter genutzt oder veräußert werden. Ein Halten von Ein- und Zweifamilienhäusern zur Vermietung ist in den allermeisten Fällen keine wirtschaftlich sinnvolle Option.

Bei den Renditeobjekten, welche als Kapitalanlage zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Mehrung des Vermögens gehalten werden, ist eine Veräußerung nicht zwangsläufig der beste Weg; insbesondere in Zeiten historisch niedriger Zinsen. Doch eine Renditeimmobilie ist kein Selbstläufer, da sie regelmäßig Investitionen erfordert und die Bewirtschaftung sehr oft mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist. Können z. B. die notwendigen Investitionen nicht aufgebracht werden, ist im schlimmsten Fall eine Vermietung unmöglich, weil die vorhandenen Flächen in Struktur und Ausstattung am Markt nicht mehr akzeptiert werden. Dann kann aus dem Renditebringer schnell ein Kapitalvernichter werden.

Eine intensive Prüfung und die Beschäftigung mit den zu übernehmenden Immobilien sollte daher im Vorfeld erfolgen. Nur wenn die mit den Immobilien verbundenen Chancen und Risiken zur eigenen Lebenssituation und -planung passen, die Risiken getragen werden können und die Betreuung der Immobilien professionell organisiert ist, ist das Halten die bessere Lösung als der Verkauf.

Was wird eigentlich übergeben?

Eine Renditeimmobilie ist in der Regel eine relativ komplexe Angelegenheit. Mit einem zunehmenden gewerblichen Mietanteil steigt die Komplexität und somit auch das Risiko. Bei der Prüfung der Objekte reicht es nicht aus, eine Inaugenscheinnahme von außen durchzuführen und die Lage ein bisschen zu inspizieren. Die wirklich interessanten Sachverhalte schlummern im Innern: sowohl in den Immobilien selber als auch in den zahllosen, zumeist bedingt gut sortierten und oft unvollständigen Objektunterlagen. Bei den Akten spiegelt sich oft ein organisches Wachstum über einen mitunter sehr langen Zeitraum wider. Was alles an Verträgen geschlossen wurde und wann welche An-, Um- und Ausbauten vorgenommen wurden, ist im Laufe der Zeit verblasst und muss mit einigem Aufwand rekonstruiert werden. Nur so lässt sich ein vollständiges Bild der Immobilie zum aktuellen Stichtag erstellen, das Grundlage für alle weiteren Überlegungen ist.

Ein paar typische Sachverhalte und deren Auswirkungen werden nachfolgend beschrieben, um die Dimensionen dieser Probleme zu verdeutlichen.

Falsche Mietflächen

Viele Eigentümer kennen ein wesentliches Merkmal ihrer Immobilie nicht richtig: die tatsächliche Größe und somit auch die vermietbare Fläche. Da es bei der Renditeimmobilie um den Ertrag geht, ist die Mietfläche das A und O. Denn dafür zahlt der Mieter sein Geld. Somit ist diese Größe bares Geld wert. Sie spiegelt sich nicht nur in den monatlichen Mieteinnahmen wider, sondern hat direkten Einfluss auf den Wert eines Objektes.

Bei der Bewertung einer Immobilie im Rahmen einer Erbschaftsangelegenheit kommt es daher regelmäßig vor, dass die in den Mietverträgen vereinbarten Flächen von den tatsächlich vorhandenen Mietflächen zum Teil erheblich abweichen. Da die Mietfläche eine maßgebliche objektspezifische Eigenschaft ist, kann sie im Rahmen eines Gutachtens auf Basis vorliegender Pläne unter Berücksichtigung gesetzlicher Vorschriften und marktüblicher Gegebenheiten vollständig und belastbar ermittelt werden. Der Auftraggeber wird dadurch in die Lage versetzt, mit seinen Bestandsmietern die Diskrepanz zu besprechen, um auf freiwilliger Basis eine Mietanpassung zu erwirken. Spätestens bei der nächsten Neuvermietung wird dann die tatsächliche Mietfläche berücksichtigt, was meist zu höheren Mieteinnahmen führt. Bei einer Flächenabweichung von nur 10 m² ergeben sich bei einer monatlichen Miete von 6 Euro/m² Mehreinnahmen von über 700 Euro im Jahr. Dies führt bei einem durchschnittlichen Kaufpreisfaktor von ca. 15 für Mehrfamilienhäuser in Braunschweig zu einem Mehrwert von über 10 000 Euro.

Unwirtschaftliche Mietverträge

Eine Vermietung macht nur dann Sinn, wenn sie ein positives Ergebnis für den Eigentümer hat. Viel zu oft werden gerade im gewerblichen Bereich Mietverträge abgeschlossen, die mit erheblichen Investitionen seitens des Eigentümers verbunden sind, um die entsprechenden Flächen überhaupt marktfähig zu machen. Bei genauerer Betrachtung der geschlossenen Verträge resultiert daraus regelmäßig die Erkenntnis, dass die vereinbarte Miete lediglich die neuerlichen Investitionen deckt. Und das auch nur, wenn der Mieter seinen Vertrag vollständig erfüllt. Das Mietausfallrisiko ist somit erheblich und es stellt sich die berechtigte Frage, ob die Nichtvermietung nicht die wirtschaftlichere – weil risikoärmere – Option gewesen wäre.

Die Mieteinnahmen einer Immobilie müssen neben der Verzinsung des eingesetzten Kapitals auch die mit dem Betrieb und der Unterhaltung verbundenen Kosten decken. Dieser Grundsatz sollte bei jedem Mietvertragsabschluss beachtet und rational bewertet werden. Eine Vermietung ist kein Selbstzweck, sondern muss bei einer Renditeimmobilie immer unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen. Oftmals ist aber auch die nicht oder unzureichend vorhandene Kenntnis des Marktes und seiner sich kontinuierlich verändernden Gegebenheiten der wahre Grund für unwirtschaftlich geschlossene Mietverträge.

Fehlende Marktkenntnis

„Handel ist Wandel“ ist ein Sprichwort, das die stetigen Veränderungsprozesse in der Immobilienwirtschaft beschreibt. Im gewerblichen Bereich sind diese Prozesse in der Regel deutlich schneller und tiefgreifender als bei der Wohnnutzung. Die meisten Eigentümer betreiben ihre Immobilien nebenher und haben dadurch natürlich nur einen begrenzten Ein- und Überblick im jeweiligen Marktsegment. Daher ist es immer sinnvoll, sich Marktexpertise durch fachkundige Personen zu verschaffen. Ihre Marktkenntnis lässt sich relativ leicht in zusätzliche Einnahmen oder geringere Kosten umsetzen, was die Wirtschaftlichkeit und abschließend auch den Wert der Immobilien erhöht.

Achtung Erbengemeinschaft

In vielen Fällen kommt die jüngere Generation erst durch den tatsächlichen Erbfall in den Besitz der Immobilien. Wenn im Vorfeld keine expliziten Regelungen getroffen wurden, finden sich die Angehörigen schnell in einer Erbengemeinschaft wieder. Diese Erbengemeinschaft ist dann Eigentümer der Immobilien und muss sie gemeinschaftlich betreuen. Nicht selten erwächst genau aus dieser Konstellation eine Reihe von Problemen, da schon bei zwei Personen die Zielsetzungen im Umgang mit den Immobilien differieren können. Der eine möchte möglichst viel Geld herausziehen, der andere denkt dagegen sehr langfristig oder hat die Familienräson des Erblassers im Sinn. Beide stehen aber vollständig für die Erbengemeinschaft gerade, was insbesondere bei offenen Finanzierungsfragen zu Diskussionen u. ä. führen kann. Eine frühzeitige Aufteilung des Immobilienvermögens oder eine Auszahlung sind gute Möglichkeiten, diese Situation zu vermeiden. Denn eins ist sicher: Beim Geld hört der Spaß auf! Auch bzw. gerade unter Verwandten!

Fazit

Immobilien können ein lohnendes Geschäft und sicherer Vermögensbaustein sein. Doch bei Übernahme durch die nächste Generation sollte grundsätzlich geklärt werden, was übergeben wird. Ein Verkehrswertgutachten eines versierten Sachverständigen ist eine gute Möglichkeit, das vorhandene Immobilienvermögen vollumfänglich zu untersuchen. Damit ist für alle Seiten transparent, welche Vermögenswerte mit den zugehörigen Chancen und Risiken übergeben werden. Im Rahmen seiner Tätigkeit kann der Sachverständige die Parteien auch bei allen immobilienspezifischen Fragen beraten. Ein solcher Dialog ist eine wichtige Ergänzung zu den Aussagen eines Gutachtens und versetzt alle Beteiligten in die Lage, individuelle Sichtweisen einzubringen und eine gemeinsame Informationsbasis zu schaffen. Damit am Ende die Immobilien nicht der Scheidepunkt der Familie sind!

Foto: Fotolia/Jacques Palut

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