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Immobilienerwerb aus der Zwangsvollstreckung

Von Manuel Sack, Braunschweig | Dipl.-iur., Dipl.-Im Maik Wedemeyer, Braunschweig

Alternativ zum Immobilienankauf vom Eigentümer kann auch die Zuschlagserteilung in der Zwangsversteigerung sowie die freihändige Verwertung durch einen Insolvenzverwalter eine interessante Möglichkeit für den Grundbesitzerwerb darstellen.

Vom Eigentümer selbst verschuldet, aber auch anderweitig bedingt kann eine Immobilie zur Veräußerung in die Zwangsvollstreckung geraten. Hierfür kommt die Zwangsversteigerung als „Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahme“ in Betracht, etwa weil ein Grundpfandrechtsgläubiger, der die Herstellungs- oder Anschaffungskosten der Immobilie finanziert hat und dessen Kreditdienst nicht hinreichend bedient worden ist, diese beantragt. Sollte aufgrund der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung des Immobilieneigentümers ein Insolvenzverfahren als „Gesamtvollstreckungsmaßnahme“ eröffnet worden sein, geht die Verfügungsbefugnis hinsichtlich eines vorhandenen Grundbesitzes und damit auch die Möglichkeit zu dessen freihändiger Verwertung auf den Insolvenzverwalter über. Die Zwangsversteigerung als auch der Kauf einer Immobilie vom Insolvenzverwalter kann für den Ersteher bzw. Käufer durchaus attraktiv sein.

Im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens wird von einem Immobiliensachverständigen ein Gutachten zur Ermittlung des Verkehrswertes für das zu versteigernde Objekt erstellt. Dieses Verkehrswertgutachten kann bei dem für die Versteigerung zuständigen Amtsgericht zumindest eingesehen werden und wird zum Teil auch in Kopie übersandt. Es liefert wesentliche Informationen und Unterlagen, die für die Erwerbsprüfung und Kaufpreis- bzw. Gebotsbildung hilfreich sind. Im ersten Versteigerungstermin darf die Zuschlagserteilung zu einem Gebot unter 7/10 des Verkehrswertes nur erfolgen, sofern ein berechtigter Gläubiger des Verfahrens seine Zustimmung nicht verweigert und das Gebot mindestens 5/10 des Verkehrswerts erreicht. Sind die Grenzen einmal gefallen, muss lediglich ein Mindestgebot erreicht werden, das regelmäßig durch die Höhe der Verfahrenskosten und evtl. bestehenbleibende Rechte bestimmt wird. Auch wenn es sich bei den eben genannten Gebotsgrenzen nur um formelle Verfahrensvorschriften handelt, führen sie neben dem allgemeinen Makel einer Vollstreckungsmaßnahme oft dazu, dass Bieter nicht gewillt sind, Gebote in Höhe des ermittelten Verkehrswertes abzugeben und der Zuschlag folglich nicht selten weit darunter erteilt wird. Es kann somit also, wenn auch erfahrungsgemäß nicht häufig, nach dem ersten Zwangsversteigerungstermin, sofern der betreibende Gläubiger als „Herr des Verfahrens“ den Versteigerungsantrag – wie jederzeit bis zur Entscheidung über den Zuschlag möglich – nicht wieder zurücknimmt und damit das Verfahren aufhebt, auch das erhoffte „Schnäppchen“ durch Erwerb nur zu einem geringen Bruchteil des Verkehrswertes gemacht werden.

Bei einem Erwerb einer Immobilie aus einem Zwangsversteigerungsverfahren heraus liegen in der Regel zudem die Erwerbsnebenkosten nicht unerheblich unter denen eines Kaufs vom Eigentümer. Es fallen ebenfalls die Grunderwerbsteuer und die Kosten des Grundbuchamtes für die Eigentumsumschreibung an. Zusätzlich sind zwar Gebühren für den Zuschlag an das Vollstreckungsgericht zu entrichten. Jedoch ist die Zuschlagsgebühr regelmäßig schon günstiger als die bei einem Kauf vom Eigentümer zu zahlenden Notargebühren für die Kaufvertragsbeurkun-dung, die regelmäßig der Käufer zu tragen hat. Zudem ist keine Courtage für den bei einem Verkauf nicht selten hinzugezogenen Makler zu entrichten.

Die Informationsdichte hinsichtlich des Zwangsversteigerungsobjekts ist allerdings oft dürftig. Eine Erwerbsprüfung lediglich gestützt auf das Verkehrswertgutachten birgt grundsätzlich schon erhebliche Risiken. Zudem wird dem Sachverständigen im Rahmen seiner Erstellung des Gutachtens nicht selten der Zutritt zur Immobilie vom Eigentümer verwehrt, sodass er die Immobilie lediglich von außen in Augenschein nehmen kann. Für die Erwerbs-prüfung und Gebotsabgabe ist es insbesondere unter den eben genannten Bedingungen angeraten, das Objekt selbst und – soweit die eigenen Kenntnisse nicht ausreichen – mit einem Architekten, Bausachverständigen oder sonstigen Berater zu besichtigen. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass ein Anspruch auf eine Besichtigung für Interessenten nicht besteht und diese nicht selten vom Eigentümer verweigert wird.

Regelmäßig sind einem Verkehrswertgutachten als Anlagen der Grundbuchauszug sowie die Flurkarte für die Immobilie beigefügt, die für eine seriöse Erwerbsprüfung unerlässliche Grundlage sind. Jedoch findet sich nicht selten der Vermerk des Gutachters, dass er keine Einsicht in das Baulastenverzeichnis genommen hat, womit etwaig vorhandene und nicht im Grundbuch vermerkte Belastungen des Objekts bei der Bewertung nicht berücksichtigt wurden. Sofern der Ersteher nicht durch eigene Recherchen diese möglichen Nachteile ausgeschlossen hat, kann es zu bösen Überraschungen kommen. Es ist daher ratsam, wie im Vorfeld eines Kaufvertragsabschlusses auch im Hinblick auf den Zwangsversteigerungstermin sämtliche Bereiche der Immobilie einer möglichst umfassenden Prüfung unterzogen zu haben (technische, wirtschaftliche und rechtliche Due Diligence). Neben den Auskünften aus dem Baulastenverzeichnis ist u. a. angezeigt, selbst Einsicht in die Bauakte zu nehmen, sich über das bestehende Bauplanungs- und Bauordnungsrecht zu informieren sowie auch gesicherte Kenntnis über die Nutzungsmöglichkeiten der Immobilie (Zulässigkeit der aktuellen Nutzung, bestehende Mietverhältnisse, etwaige Nachnutzung) zu erlangen. Sofern die nötigen Informationen und Unterlagen nicht zu erhalten sind, muss das dadurch begründete Risiko abgeschätzt und bei der Gebotsabgabe eingepreist werden.

Schließlich sind bei einem Erwerb aus einer Zwangsversteigerung verfahrensimmanente Umstände zu berücksichtigen, die sich für den Ersteher nachteilig auswirken können. Hierfür sei insbesondere auf den Gewährleistungsausschluss hingewiesen. Dem Ersteher stehen die im Vertragsrecht vorhandenen Haftungsansprüche wie Mängelbeseitigung, Minderung, Schadensersatz oder Rücktritt grundsätzlich nicht zu. Zudem ist, ohne die Gewissheit, des Zuschlags zu erhalten, bei der nicht unüblichen Beantragung des betreibenden Grundpfandrechtsgläubigers eine Sicherheitsleistung in Höhe von 10 % des festgesetzten Verkehrswertes zu erbringen, allein schon nur, um Gebote abgegeben zu können. An das wirksame Erbringen der Sicherheitsleistung sind nicht zu unterschätzende Vorausset­zungen geknüpft. Für den nicht gesichert absehbaren, sehr wohl gewünschten, aber dann doch überraschend erhaltenen Zuschlag muss der Ersteher darauf vorbereitet sein, unmittelbar mit dem Zuschlagsbeschluss zum Eigentümer geworden zu sein. Dies bedeutet nicht nur, bis zum Verteilungstermin sein Gebot abzüglich der Sicherheitsleistung zahlen zu müssen. Sofern der Ersteher nicht über hinreichende Barmittel verfügt, sollte er möglichst schon vor der Versteigerung eine entsprechende Finanzierung sicher gestellt haben. Den Ersteher als neuem Eigentümer trifft zudem ab sofort insbesondere die Verkehrssicherungspflicht für das Objekt und er muss etwa auch für den hinreichenden Versicherungsschutz der Immobilie (Gebäude, Haftpflicht, etc.) Sorge tragen, was sicherlich kurzfristig zu realisieren ist, aber vorsorglich ebenfalls bereits vorbereitet sein sollte.

Der Immobilienerwerb aus der Zwangsvollstreckung heraus in Form der freihändigen Verwertung durch den Insolvenzverwalter weist gegenüber dem Zwangsversteigerungserwerb weniger Besonderheiten oder Problematiken auf. Hierbei handelt es sich grundsätzlich um einen üblichen Immobilienverkauf nach den allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen. Wie der Eigentümer hat der Insolvenzverwalter die Pflichten eines „normalen“ Verkäufers zu erfüllen. Der Insolvenzverwalter als Verkäufer sollte einem Kaufinteressenten die nötigen Informationen und Unterlagen erteilen bzw. übergeben können oder dem Kaufinteressenten zumindest entsprechende Vollmachten erteilen, damit dieser sie sich nötigenfalls selbst verschaffen kann. Mit der auf den Insolvenzverwalter übergegangenen Verfügungsbefugnis geht regelmäßig der Besitz der Immobilie einher, sodass er dem Kaufinteressenten die Besichtigung der Immobilie umfänglich ermöglichen kann.

Die Kaufvertragsgestaltung und insbesondere der Kaufpreis sind mit dem Insolvenzverwalter grundsätzlich frei verhandelbar. Er muss natürlich ein wirtschaftlich angemessenes und tragbares Ergebnis erzielen und die Interessen der Insolvenzgläubiger wahren. Mangels langjähriger Kenntnisse der Immobilie wird der Insolvenzverwalter die Kaufvertragsgestaltung regelmäßig so wählen, dass seine Haftung und insbesondere seine Gewährleistungsverpflichtung wie in der Zwangsversteigerung weitestgehend ausgeschlossen wird. Dem steht allerdings gegenüber, dass der Käufer die Immobilie regelmäßig eingehend und umfänglich prüfen kann. Wie bei einer Zwangsversteigerung ist auch hier die Erzielung eines für den Käufer günstigen Kaufpreises insbesondere in den Fällen denkbar, sofern etwa hohe laufende Bewirtschaftungskosten oder ein erheblicher Instandsetzungsbedarf einer ungenutzten Immobilie die Insolvenzmasse belasten könnten oder aus sonstigen Gründen eine schnelle Verwertung der Immobilie geboten ist.

Resumee

Sofern, nötigenfalls durch fachkundige Berater jeweils abgesichert, bei einem Erwerb einer Immobilie aus einem Zwangsversteigerungsverfahren heraus hinreichende Informationen zu dem Objekt vorliegen bzw. erkannte Risiken bei der Gebotsabgabe eingepreist wurden oder im Rahmen einer freihändigen Verwertung durch einen Insolvenzverwalter mit ihm eine interessengerechte Kaufvertragsgestaltung und dessen Abschluss erfolgt ist, können beide Erwerbsvarianten für den neuen Eigentümer nicht nur zu einem zufriedenstellenden, sondern auch wirtschaftlich vorteilhaften Ergebnis führen.

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