Architektur und alternative Energiekonzepte im Wohnungsbau
Integrativer Planungsprozess | Schnittstellen zwischen Bauherr, Planer und Gesetzgebung
Von Dipl.-Ing. Jörn Stäbe, Braunschweig | Dipl.-Ing. Kirstin Pahl, BraunschweigEin Ende der Verschärfung des EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) und der EnEV (Energieeinsparverordnung) ist nicht erkennbar. Die EU strebt sogar ab dem Jahr 2020 an, dass alle Neubauten fast keine Energie mehr für Heizung, Warmwasser, Lüftung und Kühlung benötigen. Neubauten der öffentlichen Hand sollen bereits ab 2019 diese Anforderung erfüllen. Dies bedeutet eine Herausforderung im Hinblick auf die Integration der Planungsprozesse.
Förderprogramme des Bundes und der Länder (z. B. die NBank in Niedersachsen, die Kommunen und die KfW-Bank (Kreditanstalt für Wiederaufbau) schaffen finanzielle Anreize, um den Kostendruck, günstigen Wohnraum zu schaffen, am Markt zu reduzieren. Faustformel: „Je niedriger der Energieverbrauch des Hauses ist, desto besser sind die Förderkonditionen“.
Die ständig wachsenden Anforderungen durch Gesetze, Auflagen etc. und als Folge neuer Technologie fordern den integrativ denkenden Generalplaner. Die Vorteile für den Auftraggeber begründen sich darin, dass
- eine inhaltlich, wirtschaftlich und zeitlich gut ausformulierte Aufgabenstellung des Auftraggebers an den Planer zu einem klaren Projektverständnis führt (Der z. T. hohe Personal- und Kostendruck führt bei den Beteiligten bisweilen zu vorschnellen Entscheidungsprozessen.).
- keine Leistungslücken und Informationsverluste durch eine fehlende Schnittstellendefinition zwischen den fachlich Beteiligten entstehen.
- der alte Spruch „Machen Sie langsam, wir haben es eilig“ an Bedeutung in den Phasen der Bestandserfassung, Vorplanung und Entwurfsplanung gewinnt. Hier werden alle Weichen gestellt, die für den Auftraggeber von Bedeutung sind. Korrekturen sind in der Ausführungsplanung und Ausschreibungsphase zwar noch möglich, haben jedoch oftmals zeitliche Auswirkungen auf die Bearbeitung, die Beteiligten und auch auf das gesamte Projekt.
- die integrative Planung des Gebäudes, die Wahl der Materialien in Abgleich mit unterschiedlichen Energiekonzepten in dieser frühen Phase mit Unterstützung durch Betriebskostenbetrachtungsmodellen über den Lebenszyklus durch den Generalplaner fachkundig und integrativ durchgeführt werden sollte. Die Plausibilisierung des Energiekonzeptes anhand unterschiedlicher Szenarien der Energiepreisentwicklung ist dabei empfehlenswert.
Vorteile des integrativen Planungsprozesses
Der Planungsprozess wird durch immer wieder neu zusammengestellte Planungsteams aus Einzelakteuren zusätzlich komplexer und aufwendiger. Der integrative Planungsprozess lässt sich durch feste Planungsteams verstetigen. Für die eigentliche Planung können bspw. folgende Vorteile generiert werden:
- Durch die optimale Ausrichtung von Gebäuden, gut durchdachte Grundrisse, Beachtung der Fenstergröße, Einsatz effektiver Sonnenschutzverglasung kann z. B. der sommerliche Wärmeschutz eingehalten werden. Das teure Nachrüsten von außen liegendem Sonnenschutz oder anderen technischen Maßnahmen kann durch Bündelung des Fachplanerwissens aller Disziplinen vermieden werden.
- Schwachpunkte der thermischen Bauphysik werden unter Berücksichtigung aktueller DIN-Vorschriften und VDI-Richtlinien eliminiert. Das geforderte nutzerunabhängige Lüftungsverhalten des Gebäudes ist sichergestellt und Bauschäden werden vermieden.
- Ein klar formuliertes Nutzer-/Bedarfsprogramm bis zur rechtzeitigen Definition von Wohnungsschlüsseln (im geförderten und nicht geförderten/frei finanzierten Wohnungsbau) lässt ein architektonisch ansprechendes und haustechnisch gut organisiertes Gebäudekonzept zu.
Nachfolgend einige Beispiele, die den positiven Effekt einer integrativen Planung unterstreichen:

- eine Raumplanung mit übereinanderliegenden Strängen für die Haustechnik
- Reduzierung von Wärmeverlusten durch effiziente Leitungsführung
- eine kompakte Anordnung von wasserversorgten Objekten in Bad/Gäste-WC/Küche/Abstellraum, um Rohrleitungen, Durchbrüche, abgehängte Decken oder Abkofferungen sowie doppelte Messeinrichtungen zu sparen.
- die frühzeitige Auseinandersetzung mit der Lüftungskonzeption. Hier werden die Weichen für den Wohnkomfort durch Einhaltung des nutzerunabhängigen Mindestluftwechsels und die späteren Heizkosten der einzelnen Wohnungen gestellt. Die Auswahl der verschiedenen Möglichkeiten von Lüftungssystemen hat Einfluss auf die Gebäudehöhe und somit auf die Architektur und Wirtschaftlichkeit des Gebäudes, aber auch auf die nachlaufenden Betriebskosten.
- die optimale Dimensionierung und Position von Technikräumen, denn dies beeinflusst maßgeblich die Kosten für die Medienführung und Wohnraumflächen.
Instrumente zur Zielerreichung
Das Handwerkszeug einer ganzheitlich abgestimmten Bearbeitung muss zielorientiert ausgerichtet sein. Dabei steht erfahrungsgemäß die Kommunikation zwischen den Planungsbeteiligten und dem Auftraggeber im Mittelpunkt. Aber auch die Verknüpfung des vorhandenen Know-hows der Fachplaner in frühen Projektphasen ist ausschlaggebend für den Projekterfolg. Konkret bedeutet dies bspw.:
- regelmäßige und direkte Planungsabstimmung zwischen Architektur und technischer Gebäudeausrüstung
- ergebnisorientierte, regelmäßige Besprechungen zwischen Auftraggeber und den Planungsbeteiligten
- Projektplausibilisierung in der Vor- und Entwurfsplanung anhand von Checklisten. Die Ausführungsplanung soll „nur“ noch der technischen Klärung im Detail dienen und nicht mehr das Wesen des Gebäudes und damit die Kosten beeinflussen.
- frühzeitige, auch wiederholte Kollisionsprüfung aller beteiligten Fachplaner Hochbau/technische Ausrüstung/Tragwerk/Brandschutzgutachter ohne Umwege und sofort
- energiekonzeptionelle Betrachtung über das Thema EnEV und Energieausweis hinaus.
Anmerkung: Die EnEV stellt nur eine Referenzgebäudebetrachtung dar und bedient die bauordnungsrechtliche Schnittstelle. Den tatsächlichen Energieverbrauch weist die EnEV-Berechnung nicht aus! Der Energieverbrauch ist grundsätzlich vom Verhalten der Nutzer abhängig. Dies wird oft falsch interpretiert und führt dadurch zu Missverständnissen.

LCC-Kurve/Kostenbeeinflussungskurve
Mitteleinsatz und Betriebskosten
Es können intelligente Gebäude unterschiedlicher Ausprägung entstehen, die viele Möglichkeiten des Einsatzes regenerativer Energien zulassen. Dabei ist grundsätzlich die Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Systeme nicht nur in Bezug auf geringere Investitionskosten, sondern auf die späteren Betriebskosten zu prüfen. Diese finden derzeit in folgenden wesentlichen Ansätzen Anwendung:
- Solarthermie (Sonnenkollektoren auf dem Dach, sowohl für die Warmwasserbereitung als auch für die Heizungsunterstützung möglich)
- Geothermie (Erdwärmepumpen mit Tiefen- und Flächensystemen)
- Luftwärmepumpen
- BHKW (Blockheizkraftwerke)
- Fernwärmestationen im Niederdruckbetrieb
- Eisspeicherheizungen (für kleinere bis mittlere Gebäude)
- Pelletanlagen für Gebäude unterschiedlicher Größe
- herkömmliche Gas- und Ölbrennwerttechniken (auch zur Spitzenlastversorgung von regenerativen Versorgungsmodellen)
- Photovoltaikanlagen.
Fazit
Die Optimierung der Hochbauplanung und die Bauausführung befinden sich derzeit, in Bezug auf die Einhaltung der verschärften energetischen Kennwerte, am Rande des wirtschaftlich Vertretbaren. Daher wird die frühzeitige Integration der technischen Ausrüstung in Planung und Wettbewerb weiter an Bedeutung gewinnen. Die Anpassung der Architekturplanung durch nachlaufende Klärungsprozesse der technischen Ausrüstung ist für die Investitions- als auch für die Betriebskostenseite in der Regel unwirtschaftlich. Dies umso mehr, da der Einfluss durch die Verschärfung der Anforderungen der EnEV, des EEG auf Bundesebene und der EU-Richtlinien zunehmen wird.
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