Portrait: Arbeitskollege Roboter
Vier Jahre mit dem Operationssystem „da Vinci“
Von Dr. med. Sebastian Edeling, Hannover | Dr. med. Saša Pokupic, HannoverBis 2011 wurden auch im Vinzenzkrankenhaus alle Patienten offen, also auf herkömmliche Weise mit Skalpell und Schere operiert. Als die ersten da Vinci-Operationen nach langer Schulung und Einarbeitungsphase begannen, zeigten sich die eindrucksvollen technischen Vorteile, die die 10-fache Vergrößerung und eine 3-D-Sicht im menschlichen Körper boten. Die Präzision war und ist begeisternd, mit der die Bewegungen des in entspannter Haltung sitzenden Operateurs zitterfrei auf die filigranen, in alle Richtungen bewegbaren Instrumente übertragen werden. Ein angenehmer Nebeneffekt und wiederum großer Vorteil für die Patienten ist, dass die gesamte Operation mit nur sehr kleinen Schnitten (minimalinvasiv) auskommt.
Kaum Komplikationen, weniger Schmerzen, schneller zurück im Alltag
Die Vorteile der da Vinci-Operation waren nach einer kurzen Lernkurve so überzeugend, dass nicht, wie ursprünglich geplant, die Hälfte der Patienten offen und die andere roboterassistiert operiert wurde, sondern die offene Prostatektomie aufgrund der bestechenden Vorteile für Patienten komplett aufgegeben werden konnte. Denn die Schwierigkeit bei der radikalen Prostatektomie ist, dass die Prostata schwer erreichbar, tief im kleinen Becken unterhalb der Blase liegt. Darum muss in diesem Bereich sehr präzise gearbeitet werden: Die krebsbefallene Prostata muss komplett entfernt werden, ohne dass wichtige Strukturen wie Blasenausgang, Harnröhre, Schließmuskel und Erektionsnerven Schaden zugefügt wird.
Ansonsten drohen dem Patienten eine unvollständige Entfernung des Prostatakrebses mit anschließender Bestrahlung, Verlust der Erektionsfähigkeit, Harnröhrenengen oder Inkontinenz.
Es zeigte sich sehr schnell, dass die roboter-assistiert operierten Patienten nicht nur schmerz- und komplikationsfreier regenerieren, sondern auch von kleineren Narben, besserer Tumorentfernung, weniger Inkontinenz, weniger Blutverlust und besserer Wundheilung profitieren.
Zudem erholen sie sich schneller. Nach der offenen Operation liegen die Patienten 7 bis 14 Tage im Krankenhaus. Nun erfolgt die Entlassung bei der da Vinci-Prostatektomie normalerweise am 3. Tag nach der Operation, bei der da Vinci-Zystektomie durchschnittlich am 9. bis 10. Tag nach der Operation.
Seit der Einführung des da Vinci-Systems ist die Komplikationsrate bei den Prostatektomien und auch bei den Zystektomien deutlich niedriger. Der Blutverlust ist so gering, dass nahezu keine Blutkonserven mehr verabreicht werden müssen. Ein Aufenthalt auf der Intensivstation ist nur noch sehr selten notwendig.
Gelungen ist es, dass sich die Patienten trotz der frühen Entlassung eigenständig zu Hause versorgen können und nicht auf die Hilfe ihres niedergelassenen Arztes angewiesen sind. Dies zeigt auch die geringe Wiederaufnahmerate.
Die logische Konsequenz: auch Blasenentfernung und Nieren-OP mit da Vinci
Nachdem die radikale Prostatektomie mit dem da Vinci-Roboter technisch und wirtschaftlich optimiert war, ergab sich Anfang 2013 als logische Konsequenz, die erheblichen Vorteile der da Vinci-Operation auch auf die größte urologische Operation, die Entfernung der Harnblase bei Blasenkrebs, zu übertragen. Obwohl die Blasenentfernung eine sehr anspruchsvolle und lange Operation (ca. vier bis acht Stunden) ist, schien sie aufgrund der bisherigen Erfahrungen mithilfe des da Vinci-Systems gut machbar.
2013 hatte noch keine Klinik in Deutschland die Blasenentfernung mit Anlage eines künstlichen Darmausganges (Ileum-Conduit) oder gar die Anlage einer Ersatzblase aus Darm (Neoblase) komplett mit dem da Vinci-Roboter durchgeführt. Neben einigen Krankenhäusern in den USA, die bereits über Erfahrung verfügten, zeigte sich das Karolinska-Institut in Stockholm in Schweden als starker und erfahrener Partner für solche patientenschonenden Eingriffe. Im Juni 2013 war es dann so weit – die erste da Vinci-Blasenentfernung in Deutschland, die komplett mit dem da Vinci-Roboter durchgeführt wurde. Fachleute aus Stockholm unterstützten die Operateure im Vinzenzkrankenhaus bei den ersten Eingriffen.
Mittlerweile ist die da Vinci-Blasenentfernung zum Standard geworden und die Vorteile für die Patienten, die sich bereits bei der da Vinci-Prostataentfernung zeigten, haben sich auch bei diesem Eingriff bestätigt. Auch Nierentumoroperationen werden mittlerweile mit dem da Vinci-System in Hannover erfolgreich durchgeführt.
Mehr als 97 % aller lokal begrenzten Prostatakarzinome können komplett entfernt, somit ein großer Teil der Patienten geheilt werden. Gleichzeitig werden bei großen Eingriffen wie der radikalen Prostataentfernung und der radikalen Blasenentfernung Komplikationen minimiert. Die Patienten können sorgenfreier an ihrer Genesung mitwirken, werden mit Hoffnung und Zuversicht ausgestattet; denn das ist – neben allen medizinisch-technischen Fähigkeiten mit Unterstützung eines Operationssystems – ebenfalls Sinn einer gelungenen Therapie.
Wissenswert
Seit Anfang 2015 kommen Operationsteams ins Vinzenzkrankenhaus – so etwa Kollegen aus der Charité aus Berlin –, um dort die Operationstechnologien mit da Vinci zu erlernen. Auf verschiedenen Kongressen in ganz Deutschland wird das Vinzenzkrankenhaus seine Erfahrungen mit der roboterassistierten Chirurgie präsentieren.
Fotos: Intuitive Surgical, Inc. | VinzenzKrankenhaus Hannover gGbmH
- Schlagwörter
- Urologie|
- Minimalinvasive Chirurgie|
- Prostatakarzinom|
- Nierenkarzinom|
- Blasenkrebs|
- Operationsroboter|
- E-Health|
- Mindmap
- Gesundheit
- Hannover 2015/2016