Ein halbes Jahrhundert Handball
Von Katharina KleinschmidtDie Herrenmannschaft des VfL Gummersbach ist in den 1970er- und 1980er-Jahren eine der erfolgreichsten Handball-Mannschaften Europas. Hier ist Heiner Brand 27 Jahre lang aktiver Spieler und sammelt Erfolge wie kaum ein anderer: Er wird sechsmal Deutscher Meister, fünfmal Europapokalsieger der Landesmeister, viermal Pokalsieger und noch einiges mehr. Die Berufung in die Nationalmannschaft ist folgerichtig. Von 1974 an absolviert Brand 131 Länderspiele, darunter auch das Spiel am 05.02.1978, das Deutschland zum Weltmeister macht.
Von 1987 bis 1996 ist der Mann mit dem charakteristischen Schnauzbart Trainer beim VfL Gummersbach, lediglich unterbrochen von einem zweijährigen Gastspiel in gleicher Position beim SG Wallau-Massenheim. 1997 kommt Brand endgültig im Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit an, als er für 14 Jahre der Trainer der Deutschen Handball-Nationalmannschaft wird. Und wieder beginnt eine Ära der Erfolge – zu den Höhepunkten gehören die Europameisterschaft 2004 und der Weltmeistertitel 2007, der zweite in der Karriere des Heiner Brand.
Auch als der heute 63-Jährige im Jahr 2011 den Trainerposten niederlegt, kommt er vom Handball nicht los. Als Manager verantwortet der Vater zweier erwachsener Kinder beim Deutschen Handballbund die Bereiche Nachwuchsförderung und Sponsoren und sitzt im Internationalen Beirat. Heiner Brand ist in einer Vielzahl von karitativen Vereinen und sozialen Projekten engagiert, für ihn ein Grundbedürfnis, wie er sagt. Für die „Legende des Sports“, wie sich Brand seit 2007 nennen darf, hört Verantwortung eben nicht an der Tür der Sporthalle auf.
Herr Brand, was macht für Sie den Reiz des Handballs aus?
Heiner Brand: Die Anforderungen sind ausgesprochen vielseitig. Ein Handballer muss schnell, kräftig und ausdauernd sein. Er muss einen klaren Kopf haben und bereit sein, Zweikämpfe einzugehen. Und es ist ein Mannschaftssport. Ich bin Mannschaftssportler durch und durch. Es macht mir Freude, mit anderen zusammen Dinge anzustreben und zu erreichen – früher als Spieler, dann als Trainer.
Sie waren lange Zeit Spieler und sind dann auf die Trainerbank gewechselt – wie kam das?
Heiner Brand: Eigentlich wollte ich Steuerberater und Wirtschaftsprüfer werden und habe dafür ein Betriebswirtschaftsstudium als Diplom-Kaufmann abgeschlossen. Dann kam alles ein wenig anders. Ich hatte meine aktive Karriere beendet und fand mich 14 Tage später als Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft wieder. Der damalige Bundestrainer wollte mich einfach dabei haben. So bin ich in diesen Trainerjob „hineingeraten“. Meinen ursprünglichen Berufswunsch habe ich aufgegeben, weil er sich mit dem Sport nicht verbinden ließ. Allerdings mit einem Kompromiss: Die Versicherungsagentur meines Vaters wurde unter meinem Namen weitergeführt, inzwischen unter der Leitung meines Sohns.
Handball steht im Ruf, ein Sport mit überdurchschnittlichem Verletzungsrisiko zu sein. Wie kann man dem vorbeugen?
Heiner Brand: Alle Mannschaftssportarten – ob Fußball, Basketball oder Handball – haben wegen der Zweikämpfe und des harten Untergrunds ein gewisses Verletzungsrisiko. Es gibt aber mit Sicherheit Sportarten, die deutlich gefährlicher sind. Verletzungen kann man vorbeugen, indem man sich in einen sehr guten Trainingszustand bringt. Eine gute Muskulatur und Ausdauer senken das Verletzungsrisiko automatisch. Man muss sich aber auch professionell verhalten, zum Beispiel in Bezug auf die Ernährung oder rechtzeitige Besuche bei Medizinern und Physiotherapeuten. Bei leichteren Problemen gehört dazu, dass man mit Bandagen spielt. Es gibt viele Möglichkeiten, das Risiko zu vermindern.
Was ist mit mentaler Fitness? Haben Sie da ein Geheimrezept?
Heiner Brand: Es gibt bestimmte Techniken des mentalen Trainings, und jeder Spieler muss für sich selbst herausfinden, welche für ihn die beste ist. Der eine braucht absolute Ruhe um sich zu konzentrieren, ein anderer macht es mit Musik am Ohr usw. Wichtig ist, dass die Spieler sich mental auf ein Spiel vorbereiten und bestimmte komplizierte Abläufe verinnerlichen.
Heute halten Sie Vorträge vor Managern zum Thema Motivation. Was können Manager von Sportlern lernen?
Heiner Brand: Ich spreche von meinem Standpunkt aus als Trainer einer Mannschaftssportart. Ich erzähle, nach welchen Kriterien ich eine Mannschaft aufbaue und wie ich sie führe. Motivation bedeutet mit Sicherheit nicht, zwischendurch Tschakka zu rufen oder in der Kabine herumzubrüllen. Es geht um eine klare Zielsetzung, um den Umgang miteinander, um die Atmosphäre in einem Team und um das Aufstellen und Einhalten von Regeln.
Sind Sie denn als Trainer eher der strenge Typ oder der Kumpel?
Heiner Brand: Am Anfang war ich sehr autoritär, aber das hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Ich strebe ein Mittelding an, was nicht heißt, dass die Spieler vermeintliche Freiheiten ausnutzen sollen. Da muss man immer auf der Hut sein (lacht). Grundsätzlich strebe ich eine Kooperation mit den Spielern an. Um diesen Zustand zu erreichen, muss man eine Zeit lang mit einem Team zusammenarbeiten, um Werte und Einstellungen zu vermitteln. Und vor allem – es muss sich Vertrauen bilden.
Sie sind ja auch sehr sozial engagiert und setzen sich unter anderem für „Sportler für Organspende“ ein. Sie sind Botschafter eines Kinderhospizes und unterstützen die Kölner Klinik-Clowns. Was bewegt Sie dazu?
Heiner Brand: Mir liegen viele Dinge von Grund auf am Herzen, insbesondere Kinder. Ich bin immer wieder begeistert von ihnen und habe mittlerweile auch fünf Enkelkinder. Als Sportler hat man schon ein privilegiertes Leben, und man sollte versuchen, etwas zurückzugeben.
Haben Sie einen Organspenderausweis?
Heiner Brand: Ja, klar, im Portemonnaie.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, welche wären das?
Heiner Brand (stöhnt ein bisschen): Drei Wünsche! Die habe ich gar nicht. Ich wünsche mir Gesundheit, auch für mein Umfeld. Das ist für mich das Wichtigste, alle anderen Dinge kann man regeln.
Foto: DHM