Artikel erschienen am 01.12.2013
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Die Wiederherstellung der weiblichen Brust

Eigengewebe ist die bessere Lösung

Von Prof. Dr. med. Bernd Rieck, Hildesheim

Die operative Entfernung der krebserkrankten Brust, früher selbstverständliche Therapie, ist durch Fortschritte in der Diagnostik und der Chemotherapie erheblich seltener geworden. Gleichzeitig aber ist der Wunsch der Frauen, den Verlust der Brust nicht als endgültiges Schicksal hinzunehmen, gewachsen. In besonderer Weise gilt dies für Frauen, bei denen aufgrund familiärer Brustkrebsbelastung die Entfernung der Brustdrüsen aus Vorsorgegründen notwendig wird. Da bei diesen Patientinnen normalerweise noch kein Brustkrebs besteht und diese außerdem meist noch sehr jung sind, ist der Wunsch nach einer Wiederherstellung der Brust oder beider Brüste umso besser nachzuvollziehen.

Für die Wiederherstellung der weiblichen Brust gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Man kann sie grob in die Verwendung fremder Materialien und die Verwendung von Eigengewebe gliedern.

Bei den genannten Fremdmaterialien handelt es sich um Silikonimplantate. Voraussetzung für ein zufriedenstellendes und dauerhaftes Ergebnis ist aber, dass genug Haut vorhanden ist, die mit der Fülle des Implantates zusammen eine möglichst natürlich wirkende neue Brust ergeben kann. Wenn die Haut der Brust bestrahlt worden ist, wird ein Brustaufbau mit Implantaten jedoch problematisch, da Kapselbildung und Wundheilungsstörungen deutlich häufiger vorkommen.

Der wichtigste Nachteil aller Brustimplantate besteht in dem Problem, dass lebenslang das Risiko einer Kapselkontraktur besteht. Dann wird es notwendig, das Implantat auszuwechseln, sofern der Hautmantel dies erlaubt. Auch Infektionen können auftreten, selbst Jahre nach der Implantation.

Eigenes Gewebe für die Wiederherstellung der Brust zu verwenden, hat zahlreiche Vorteile. Das Risiko eines Fremdkörpers entfällt. Meist ist das Ergebnis viel besser, da die neue Brust weich und natürlich ist und da in der Regel die gesunde Brust schöner nachgebildet werden kann. Das Ergebnis hält normalerweise lebenslang, da nach Ausreifung der Narben keine Veränderungen mehr daran auftreten. Die Kehrseite dieser Vorteile liegt darin, dass man das eigene Gewebe irgendwo entnehmen muss und dass dort zwangsläufig eine Narbe entsteht. Wenn nun zur Rekonstruktion der Brust Gewebe verwendet werden kann, das man ohnehin gern loswerden würde, verbindet sich das Angenehme mit dem Nützlichen. Deshalb hat sich die Verwendung der Haut vom Unterbauch als beliebtestes und bestes Verfahren etabliert. Alternativen sind Haut und Fett vom Gesäß, von den Oberschenkelinnenseiten oder die Verwendung eines Muskels vom Rücken.

Ehemals vollkommen entfernte, mit Bauchhautlappen wiederhergestellte Brust, vor der Rekonstruktion der Brustwarze und vor der Narbenkorrektur

Ein Problem bei der Verpflanzung großer Gewebemengen besteht darin, dass sie eine gute Durchblutung brauchen. Daher entnehmen wir mit dem Unterbauchgewebe auch die Blutgefäße, die dieses Gewebe versorgen, und schließen sie unter dem OP-Mikroskop an Blutgefäße im Brustbereich an. So gelingt die Wiederherstellung auch einer sehr großen Brust mit hoher Sicherheit.

Was so einfach klingt – der mikrochirurgische Anschluss der Blutgefäße ist ein sehr komplizierter Vorgang. Die Mikrochirurgie ist ein sehr anspruchsvolles Operationsverfahren, das jahrelanges Training und viel Erfahrung erfordert. Die Qualität dieses mikrochirurgischen Gefäßanschlusses entscheidet über den Erfolg der Operation und die Schönheit der neuen Brust. Daher muss jedes angeschlossene Blutgefäß noch während der Operation unter dem Mikroskop mit einer Farbstoffdarstellung überprüfen werden (s. Abb.), um Störungen der Durchblutung schon im Vorfeld auszuschließen. Denn eine Durchblutungsstörung kann zum Misserfolg der ganzen Operation führen.

Mikroangiografie intraoperativ: Arterie (rot) und Vene (blau) beim Anfluten und Abfluten

Nach einer Woche kann die Patientin im Normalfall das Krankenhaus wieder verlassen. Die Brustwarze wird ein halbes Jahr nach der Brustwiederherstellung neu gebildet. Auch eventuelle Korrekturen können sodann durchgeführt werden. So ist die Brustwarzenwiederherstellung der letzte Schritt in der Therapie der Brustkrebserkrankung.

Übrigens:

Die Brustrekonstruktion wird von jeder Krankenversicherung übernommen.

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