Artikel erschienen am 27.04.2023
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Parodontitistherapie nach Überweisung im Praxisverbund

Von PD Dr. med. Dr. med. Eduard Keese, Braunschweig | Dr. Med. Dent. Conrad Raschke, Braunschweig

Die Zähne sind durch einen komplexen Zahnhalteapparat, dem Parodontium (griech.: paros = herum, odontos = Zahn) im Knochen verankert. Das Parodontium hat neben der elastischen Zahnverankerung im Knochen auch die Funktion, eine Barriere zur keimbelasteten Mundhöhle zu bilden und den Körper vor eindringenden Bakterien in den Organismus zu schützen.

Ist der Zahnhalteapparat entzündet (Parodontitis), können die genannten Funktionen nur noch eingeschränkt erfüllt werden.

Es entstehen Zahnfleischtaschen, in die aggressive Bakterien aus der Mundhöhle eindringen können. Oftmals bemerken Patienten einen unangenehmen Mundgeruch oder Zahnfleischbluten, Schmerzen entstehen jedoch nicht. Weiterhin reagiert der Körper mit einer Abstoßungsreaktion, indem er lokal Knochen abbaut und somit den Zahn abstößt.

Es ist bekannt, dass Bakterien, die über eine entzündete Zahnfleischtasche in den Körper gelangen, das Risiko für Schlaganfälle, Diabetes, chronische Atemwegserkrankungen, Frühgeburten, Osteoporose und Herzkreislauferkrankungen um ein Vielfaches erhöhen.
Parodontitis ist in der Bevölkerung weit verbreitet. 52 % der 35-44-Jährigen sowie 65 % der 65-74 Jährigen weisen eine parodontale Erkrankung auf. Parodontitis stellt zudem die häufigste Ursache für Zahnverlust ab einem Alter von 45 Jahren dar.

Die in den letzten Jahrzehnten steigende Zahl an Parodontitispatienten lässt sich anhand der gestiegenen Lebenserwartung sowie den verbesserten Möglichkeiten zahnerhaltender Maßnahmen erklären.

Wie entsteht eine Parodontitis?

Die Ursachen der entzündlichen Erkrankung sind vielfältig. Genetische Prädisposition, Diabetes Mellitus, Rauchen, Immunsuppression, schlechte Mundhygiene, überstehende Füllungs- oder Kronenränder sind Risikofaktoren. Auch eine unausgewogene Ernährung kann einen negativen Einfluss auf die Abwehrlage des Körpers haben.

Was sind Zeichen einer Parodontitis?

Die Entzündung des Parodontiums ist nicht schmerzhaft. Zunächst bleibt die Parodontitis daher unbemerkt. Zahnlockerungen, Zahnfleischbluten, rotes und geschwollenes Zahnfleisch, schlechter Geschmack sowie freiliegende Zahnhälse können Symptome sein, die im Verlauf auftreten.

Diagnostik einer Parodontitis

Es stehen verschiedene Indizes zur Befundung des Zahnfleisches und der Zahnfleischtaschen zur Verfügung. Im Mittelpunkt einer Diagnostik steht die Erhebung eines umfangreichen Parodontalstatus. Hierbei werden an mehreren Messstellen pro Zahn Taschensondierungstiefen und weitere Parameter bestimmt, die zusammen mit aktuellen Röntgenbildern zu einer Diagnose führen. Es lässt sich somit objektiv eine Behandlungsbedürftigkeit feststellen und der Verlauf der Erkrankung und der Therapie beurteilen. Die Behandlung kann durch Ihren Hauszahnarzt oder einen Spezialisten durchgeführt werden.

Wie wird eine Parodontitis behandelt?

Die Parodontitistherapie beginnt mit einer Vorbehandlung (Abb. 1), bei der u. a. oberflächliche Beläge entfernt, insuffiziente Füllungen oder Kronen ausgetauscht und ggf. zerstörte Zähne extrahiert werden. Nach der oben aufgeführten Diagnostik erfolgt zunächst eine geschlossene Kürettage der Zahnfleischtaschen. Bei sehr tiefen Taschen ist eine minimalinvasiv durchgeführte Aufklappung des Zahnfleisches erforderlich (offene Kürettage), um die Bakterien auch in der Tiefe suffizient eliminieren zu können. Dabei stehen verschiedene Hilfsmittel wie Laser, Luft-Pulver-Wasser-Strahlgeräte, Ultraschallgeräte sowie mikrochirurgische Operationsintrumente zur Verfügung.

Neben der Elimination der Bakterien können auch aufbauende Maßnahmen nötig sein, die den durch die Entzündung geschaffenen Knochen- und Bindegewebsdefekt auffüllen.

Abb. 2a, b: Röntgenbilder vor und nach Parodontitisbehandlung und Implantatversorgung im Unterkiefer. Der defekte Knochen im Bereich des Eckzahns hat sich sehr gut regeneriert (Pfeilmarkierung).

Welche Kosten werden übernommen?

Trotz der Häufigkeit sowie der mit der Erkrankung verbundenen allgemeinmedizinischen Risiken, wird die Erkrankung häufig unterschätzt. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in den nur teilweise übernommenen Behandlungskosten zahlreicher Krankenkassen wider. Welche Kosten übernommen werden, muss im Einzelfall geklärt werden.

Was kann ich selbst für meine Mundgesundheit tun?

Vermeidbare Risikofaktoren für die Entstehung einer Parodontitis sind: Rauchen, Übergewicht, schlechte Mundhygiene und unregelmäßige zahnärztliche Kontrollen.

Fazit

Parodontitis ist der häufigste Grund für Zahnverlust bei über 45-Jährigen. Eine Parodontitistherapie sollte nicht nur zum Zahnerhalt, sondern auch aus allgemeinmedizinischen Gründen erfolgen.

Wenn Sie an einer Parodontitis erkrankt sind, kann die Behandlung in Ihrer Zahnarztpraxis oder bei einem hinzugezogenen spezialisierten Kollegen durch Überweisung erfolgen. Die enge Absprache mit Ihrem Zahnarzt ist zwingend notwendig, da alle Aspekte der Zahnmedizin für einen Langzeiterfolg zu berücksichtigen sind. Wichtige Grundlage einer erfolgreichen Therapie ist dabei die Mitarbeit des Patienten, da häufig schädigende Angewohnheiten und auch die Ernährung zu verändern sind.

 

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