Artikel erschienen am 27.04.2023
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Die Skoliose als Folge von Becken- oder Kieferschiefstand

Von Kamil Warchulski, Braunschweig, Wolfsburg

Die Ursachen von Skoliose bei Kindern

Die Erfahrungen in Arztpraxen zeigen, dass Menschen, egal welchen Alters, unter Skoliose leiden können.

Woran erkennt man eine Skoliose? Beim erwachsenen Menschen ist eine Skoliose eine dauerhafte seitliche Verkrümmung der Wirbelsäule. Eine frühzeitig erkannte Skoliose bei Kindern ist reversibel. Sie kann sich in unterschiedlich tief hängenden Schultern, in einem einseitig herausstehenden Schulterblatt, in einem schiefen Rücken oder in einem schief stehenden Becken äußern. Sie ist schon optisch sehr gut zu erkennen, weil sich die Rückenmuskulatur bereits falsch aufgebaut hat, lange bevor sich die Wirbelsäule verschiebt.

Der erfahrene Arzt oder Therapeut identifiziert sie sofort am Rückenstrecker oder am Nackenmuskel im Bereich der Halswirbelsäule.

Die Ursachen für eine Skoliose sind vielfältig.

Sie ist entweder angeboren, z. B. bei Fehlbildungen der Wirbelsäule, oder sie ist erworben, z. B. nach Wirbelkörperentzündungen oder -verletzungen, nach Muskelschwund, z. B. nach Poliomyelitis (Kinderlähmung), als eigenständige Skoliose, aber auch als Folge eines Beckenschiefstands, z. B. nach Hüftgelenkserkrankungen.

Der erste Schritt sollte immer der Gang zum Orthopäden sein, damit die oben genannten Erkrankungen erst einmal aus schulmedizinischer Sicht abgeklärt werden.
Die Praxis zeigt, dass hinsichtlich eines diagnostizierten Beckenschiefstands schon im Kindesalter das Iliosakralgelenk zu blockieren beginnt. Dies kann der Fall sein, wenn Kinder einseitig belastet sitzen, den Schulranzen immer auf der gleichen Seite tragen oder im Bett die gleiche einseitige Schlafposition einnehmen. Die noch weichen Knochen des Kindes werden in eine falsche Stellung gebracht. Dadurch kann es zu einem Beckenschiefstand kommen. Das wiederum führt dazu, dass die Muskeln anfangen gegenzuarbeiten, weil sie die falsche Belastung ausgleichen wollen.

Beckenschiefstand und Sehschwäche

Eine ganz andere Ursache für einen Beckenschiefstand kann beispielsweise eine Sehschwäche sein. Der Körper versucht intuitiv diese Schwäche zu kompensieren und das Ungleichgewicht wieder auszugleichen. Die Folge der einseitigen Sehschwäche ist eine Neigung des Körpers in eine Richtung. Wenn dies nicht durch die Erziehungsberechtigten oder z. B. eine Lehrkraft aufmerksam beobachtet und korrigiert wird, besteht die Gefahr einer Skoliose für das Kind. Normalerweise reagieren Eltern bei einer Sehschwäche ihres Kindes mit dem Besuch eines Augenarztes, der gegen die Sehschwäche eventuell eine Brille verschreibt. Wenn die Schwäche des Auges durch eine Brille korrigiert wird, bedeutet dies aber nicht zwangsläufig, dass die Ursache des Beckenschiefstands beseitigt wird. Die Praxis zeigt, dass sich abhängig von der Dauer der Sehschwäche des Kindes ein Beckenschiefstand aufgebaut haben kann. Aufgrund dessen ist es angeraten, einen Kinderorthopäden aufzusuchen, der wiederum mit Krankengymnasten und manuellen Therapeuten zusammenarbeitet.

Durch einen Muskelfunktionstest nach der NCMT®-Therapie ist es möglich, die gesamte Muskulatur zu aktivieren. Mit Hilfe dieses Tests wird untersucht, ob der betroffene Muskel in unterschiedlichen Körperpositionen stark oder schwach reagiert.

Durch eine manuelle Behandlung sowohl im Becken- als auch im Kopfbereich kann die Blockade aufgelöst und das Skelett damit wieder ins Lot gebracht werden. Die Muskeln können durch den Therapeuten neural so aktiviert werden, dass die Ursache für einen möglichen Beckenschiefstand beseitigt wird.

Zusammenhang von Körperhaltung und Kieferstellung

In der ärztlichen Praxis ist zu beobachten, dass Jugendliche und Erwachsene, die unter chronischen Verspannungen leiden, schon zu Kinderzeiten in kieferorthopädischer Behandlung waren. Dies nennt man craniomandibuläre Dysfunktion (CMD). Es ist der Überbegriff für strukturelle, funktionelle, biochemische und psychische Fehlregulationen der Muskel- oder Gelenkfunktion der Kiefergelenke. Das folgende Beispiel soll eine CMD aufzeigen: Der Patient hat aufgrund von psychischen Belastungen durch sogenanntes Knirschen abgeschliffene Zähne. Daraufhin verändert sich die Spannung der Kaumuskeln, was den fehlenden Biss von Oberkiefer zu Unterkiefer verändert. Dadurch ändert sich die Spannung im Nackenmuskel, was zu einer Schiefstellung des Kopfes führen kann. Nun möchte das Gleichgewichtsorgan den Kopf wieder in eine horizontale Position „zurechtrücken“. Die Verkrampfungen ziehen weitere negative Haltungsänderungen nach sich, die sich bis zur Wirbelsäule und zum Becken auswirken können.

Beinlängendifferenz

Wir sprechen von funktioneller Beinlängendifferenz, wenn die unterschiedliche anatomische Länge des Beines (Länge der Knochen) vom Arzt abgeklärt ist. Funktionell deshalb, weil das Becken nicht aufgrund ungleich langer Beine schief ist, sondern weil eine Kette von Muskelverkrampfungen von den Zähnen (evtl. einseitig abgeschliffene Zähne) beginnend die Ursache ist. Eine Funktionsdiagnostik durch den Zahnarzt oder Kieferorthopäden unterstützt die nachfolgende Behandlung. Hier ist also ein interdisziplinärer Austausch zwischen Kinderarzt, Kinderorthopäde, Zahnarzt und manuellem Therapeuten von großer Bedeutung für die Gesundheit des Kindes.
Ganz wichtig ist hierbei, dass die Eltern einen Weg finden, der ihrem Nachwuchs hilft. Ebenso wichtig ist es, dass Ärzte mit Therapeuten zusammen eine gemeinsame Herangehensweise finden, die zum Ziel hat, Kinder ganzheitlich zu behandeln. Erziehungsberechtigten, Lehrkräften und Menschen, die Kinder begleiten, können schon kleinste Hinweise ausreichen, um einer Skoliose vorzubeugen. Der erste wichtige Schritt ist, das Kind zu beobachten und Auffälligkeiten zu registrieren.

Drei Alltagsbeispiele sollen dies verdeutlichen: Wenn beispielsweise die Hose auf der Hüfte nicht richtig sitzt, deutet das daraufhin, dass die Hüfte verdreht ist. Diese Schiefstellung könnte der Anfang von zukünftigen Beschwerden sein.

Befindet sich ein Fuß in einer anderen Stellung als der andere, muss dies beobachtet und kurzfristig untersucht werden, ob eine Auffälligkeit eventuell der Beginn einer Wirbelsäulenfehlstellung sein könnte.

Wenn Sie Ihrem Kind eine Mütze aufsetzen, sehen Sie anhand des Mützenrandes, ob die Augen in horizontaler Linie liegen. Das kann schon Aufschluss darüber geben, ob eventuell das Keilbein im Schädelknochen verschoben ist und die Augen schräg in den Augenhöhlen liegen.

Der beste Tipp für verantwortungsvolle Eltern ist allerdings, ihr Kind vor und während der Pubertät durchchecken lassen, um zu vermeiden, dass es sich bezüglich der Körperstruktur falsch entwickelt. Ihr Kind wird es Ihnen später danken.

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