Digitalisierung im Gesundheitswesen
Von Dr. med. Mohammad-Zoalfikar Hasan, Königslutter am ElmAuch im Gesundheitsbereich hat die digitale Technologie längst Einzug gehalten – E-Health. In der Patientenverwaltung, im Abrechnungswesen und im Personalmanagement ist sie bereits nicht mehr wegzudenken. Aber auch im Bereich der Prävention, der Diagnostik und der Therapie gibt es beeindruckende und Erfolg versprechende Entwicklungen. Mit dem im Dezember 2015 verabschiedeten E-Health-Gesetz hat der Gesetzgeber wichtige Grundlagen für sichere digitale Anwendungen und datengeschützte Kommunikationswege im Gesundheitswesen geschaffen. Die konkrete Umsetzung benötigt aber noch viele komplexe Vorarbeiten und wird voraussichtlich erst in den kommenden Jahren stattfinden.
Telemedizin wird in der Diagnostik und Therapie unterschiedlicher Erkrankungen allerdings schon heute erfolgreich eingesetzt. Weitere Entwicklungen sind möglich und auch sinnvoll, insbesondere aufgrund des bereits jetzt schon vorherrschenden und sich zukünftig noch verschärfenden Ärztemangels, hier vor allem in den ländlichen Regionen. Schon in den 1990er-Jahren haben z. B. Neurologen mittels Videokonferenzen zusammen mit Hausärzten Parkinson-Patienten untersucht und Behandlungsempfehlungen abgegeben. Inzwischen konnten sich weltweit wirksame telemedizinische Netzwerke zur Versorgung von neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfällen etablieren.
Auch in der Psychiatrie und insbesondere in der Psychotherapie zeichnen sich gute Möglichkeiten ab: „Internetpsychotherapie“, „Onlinebehandlung“, „internet- und smartphone-basierte Psychotherapie“ usw. Diese Verfahren und Interventionen zielen insgesamt darauf, mehr Betroffene, vor allem junge Leute, zu erreichen und entsprechende Hilfe online anzubieten. So gibt es inzwischen interaktive Selbsthilfegruppen, aber auch therapeutisch angeleitete Einzelsitzungen per Video bis hin zu Expositionsbehandlungen in der virtuellen Realität bei Angsterkrankungen oder gar bei posttraumatischen Belastungsstörungen. Auch die Entwicklung und der Einsatz von „Serious Games“, Computerspielen mit ernsthaften therapeutischen oder pädagogischen Inhalten, werden erprobt. Hier stehen weniger Unterhaltungsaspekte im Vordergrund, sondern Lernerfahrungen. Reale Situationen werden mit dem Ziel simuliert, sich bestimmte neue Verhaltensweisen, Tätigkeiten oder Informationen anzueignen.
Obwohl sich diese Verfahren in der Forschung als wirksam erwiesen haben, konnten sie sich bislang in der Praxis nicht in größerem Umfang durchsetzen. Dies liegt u. a. daran, dass bei ausschließlich onlinebasierten Behandlungen die notwendige interpersonelle Vertrauensbasis zwischen Patient und Therapeut nicht sichergestellt werden kann. Datenschutzrechtliche Aspekte sind ebenfalls noch nicht befriedigend beantwortet worden. Auch standesrechtlich gibt es einige offene Fragen. Ärztliche und psychologische Psychotherapeuten müssen nämlich hierzulande aufgrund ihrer jeweiligen Berufsordnung Behandlungen in erster Linie im persönlichen Kontakt erbringen. Kontakte über elektronische Kommunikationsmedien sind ergänzend möglich. Somit ist Onlinepsychotherapie allenfalls in Ausnahmefällen und lediglich begleitend zu einer konventionellen Psychotherapie erlaubt. Die ausschließliche Fernbehandlung ist jedoch nicht zulässig. Andererseits finden sich im Internet reichlich Angebote zu Onlinebehandlungen. Für den Rat suchenden Nutzer ist es kaum möglich, seriöse Hilfen von unseriösen und möglicherweise sogar gesundheitsschädigenden Angeboten zu unterscheiden. So belegten Inhaltsanalysen verschiedener Forschergruppen, dass selbst Top-Webseiten zu psychologischen Themen, wie z. B. zur posttraumatischen Belastungsstörung, teilweise gravierende Fehlinformationen aufwiesen.
Fazit
Es ist notwendig, dass sich ärztliche und psychologische Therapeute dem Thema Digitalisierung widmen und mit ihren Berufs- und Fachverbänden Leitlinien und Standards hinsichtlich online-basierten therapeutischen Interventionen entwickeln und publizieren.
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