Artikel erschienen am 29.05.2015
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Geriatrie

Gesundheit ist nicht das Wichtigste!

Von Peter Klesse, Wolfsburg

Einen Hochbetagten ohne Krankheit wird man kaum finden, es sei denn, er wurde nicht gründlich ärztlich untersucht. Unser Gesundheitssystem, unsere medizinische Ausbildung, unser Abrechnungssystem im Krankenhaus und in der Praxis beschäftigt und orientiert sich an Krankheiten. Bei dem alten Menschen, der fast immer an mehreren Erkrankungen leidet, stößt dies an seine Grenzen. Zudem sind seine Erkrankungen zumeist chronisch und auch nur sehr begrenzt erfolgreich zu behandeln.

Ein Patient mit den fünf häufigsten chronischen Erkrankungen muss mindestens, falls er leitliniengerecht behandelt wird, zwölf verschiedene Medikamente aufgeteilt auf 19 Dosen zu vier verschiedenen Tageszeiten nehmen. Jeder Hausarzt, jeder Angehörige von älteren Patienten kennt die Schränke und Schreibtischschubladen, die mit losen Medikamenten oder Medikamentenschachteln vollgestopft sind, und weiß, dass die geforderte Einnahme auf Dauer nicht zu schaffen ist. Eine kognitive Einschränkung des Patienten kommt in manchen Fällen noch dazu.

Mittlerweise brüsten sich fast alle medizinischen Fachbereiche mit ihren erfolgreichen Eingriffen bei Hochbetagten und lassen dabei außer Acht, dass der Eingriff vielleicht erfolgreich, die Lebensqualität des Patienten danach jedoch schlechter ist. Gerade darum geht es jedoch in der Geriatrie – um die Lebensqualität, und um das, was uns alle im Alter umtreibt: den Erhalt der Selbstständigkeit, um den anderen nicht zur Last zu fallen.

„Hauptsache gesund, geht nicht im Alter. Hauptsache selbstständig, sollte unser Ziel sein“, so Peter Klesse, Ärztlicher Leiter der Geriatrie im Klinikum Wolfsburg.

Definition Deutsche Gesellschaft für Geriatrie
Geriatrie ist die medizinische Spezialdisziplin, die sich mit den körperlichen, geistigen, funktionalen und sozialen Aspekten in der Versorgung von akuten und chronischen Krankheiten, der Rehabilitation und Prävention alter Patientinnen und Patienten sowie deren spezieller Situation am Lebensende befasst.

Diese Patientengruppe weist einen hohen Grad an Gebrechlichkeit und Multimorbidität auf und erfordert einen ganzheitlichen Ansatz. Im Alter können sich Krankheiten mit einem veränderten Erscheinungsbild präsentieren und sind daher häufig schwer zu diagnostizieren. Therapieerfolge treten verzögert ein. In der Regel besteht zusätzlich ein Bedarf an sozialer Unterstützung. Geriatrie umfasst daher nicht nur organorientierte Medizin, sondern bietet zusätzlich Behandlung im interdisziplinären Team, welche den funktionellen Status und die Lebensqualität des älteren Patienten verbessert und seine Autonomie fördert.

Geriatrische Medizin behandelt die speziellen Erkrankungen alter Patientinnen und Patienten, die häufig älter als 65 Jahre und multimorbide sind. Die Mehrzahl der Patienten, die von geriatrischer Medizin profitiert, gehört der Altersgruppe der über 80-Jährigen an.

Foto: Lars Landmann

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