Wenn das Herz stolpert und rast …
Wie werden Herzrhythmusstörungen heute behandelt?
Von Prof. Dr. med. Rüdiger Becker, WolfsburgAnfallsartiges Herzrasen
Wenn Jugendliche oder junge Erwachsene unter anfallsartigem Herzrasen leiden, liegt meist eine zusätzliche elektrische Leitungsbahn im Herzen vor, welche die Grundlage für eine kreisende Erregung darstellt („AV-Knoten-Tachykardie“ oder „WPW-Syndrom“). Diese lästigen Rhythmusstörungen sind grundsätzlich heilbar. Durch einen kleinen, sehr risikoarmen Eingriff über die Leistenvene (elektrophysiologische Untersuchung) wird die Leitungsbahn geortet und gezielt verödet (Ablation). Die Erfolgsrate liegt dabei in erfahrenen Händen bei 95–99 %. Leider kommt es auch heute immer noch vor, dass Patienten solche Rhythmusstörungen jahrelang erdulden, bevor sie in einem qualifizierten Zentrum vorstellig werden.
Wenn Erwachsene im Alter über 40 Jahre über anfallsartiges Herzrasen klagen, liegt am häufigsten ein Vorhofflimmern zugrunde. Vorhofflimmern ist eine Rhythmusstörung, die zu einem völlig unregelmäßigen, zumeist deutlich überhöhten Puls führt („absolute Arrhythmie“). Sie geht häufig mit lästigen Beschwerden wie Luftnot und eingeschränkter Belastbarkeit einher und ist in Gegenwart bestimmter Risikofaktoren (z. B. Bluthochdruck, Diabetes, Alter über 65 Jahre oder Herzmuskelschwäche) mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko verbunden. Die große Mehrzahl der betroffenen Patienten benötigt deshalb gerinnungshemmende Medikamente („Blutverdünnung“). Das Schlaganfallrisiko kann dadurch um 2/3 gesenkt werden. Für die Unterdrückung der Rhythmusstörung selbst stehen zwar ebenfalls diverse Medikamente zur Verfügung (z. B. Betablocker und sog. „Antiarrhythmika“). Aber deren Wirksamkeit ist leider häufig nur moderat, während die Risiken und Nebenwirkungen teils erheblich sein können. Vor diesem Hintergrund hat sich die Katheterablation („Verödung“) des Vorhofflimmerns seit ihrer Erstbeschreibung im Jahre 1998 inzwischen rasant entwickelt und ist heute eine fest etablierte Therapie. Das Grundprinzip ist die Elimination der Auslöser durch elektrische Isolation der Lungenvenen („Pulmonalvenenisolation = PVI“). Über eine Punktion der Leistenvene wird dabei zunächst eine anatomische 3-D-Rekonstruktion des linken Herzvorhofs angefertigt, um dann kreisförmige Verödungen um die Einmündungen der Lungenvenen zu platzieren. Der Einsatz sog. 3-D-Navigationssysteme (Abb. 1) verbessert die Präzision des Eingriffs und reduziert die Strahlenbelastung deutlich. In erfahrenen Händen werden heute Erfolgsraten von 70–80 % erreicht. Patienten mit anfallsartigem („paroxysmalem“) Vorhofflimmern profitieren am meisten und können auch ohne Vorbehandlung mit „Antiarrhythmika“ einer Ablation zugeführt werden. Das Komplikationsrisiko der Pulmonalvenenisolation wurde stetig reduziert und liegt in erfahrenen Zentren unter 3 %. In spezialisierten Zentren können auch bei Patienten mit anhaltendem (persistierendem) Vorhofflimmern heute akzeptable Erfolgsraten erzielt werden, allerdings sind hier Nutzen und Risiko im Einzelfall sorgfältig abzuwägen.
Abb. 1: 3-D-Rekonstruktion der linken Herzvorkammer als Grundlage für die Ablation des Vorhofflimmerns. Oben: Vorderansicht; unten: Rückansicht; grau: linke Herzvorkammer; grün: linkes Herzohr, nlau/gelb/rot/violett:
Lungenvenen; braune Punkte: Verödungsorte um die Lungenveneneinmündungen.
Der plötzliche Herztod
Die häufigste Ursache des plötzlichen Herztods ist der akute Herzinfarkt. Wenn Patienten mit akuten Brustschmerzen unverzüglich den Notarzt verständigen und in eine Klinik mit 24-Std.-Herzkatheterbereitschaft verbracht werden, kann das verschlossene Herzkranzgefäß prompt wieder eröffnet und das Risiko eines plötzlichen Herztods drastisch gesenkt werden. Dem plötzlichen Herztod liegen typischerweise schnelle Herzrhythmusstörungen zugrunde, welche die Hauptkammer des Herzens befallen und den Blutfluss zum Erliegen bringen („Kammerflimmern“ oder „Kammertachykardie“). Von diesen Rhythmusstörungen können aber nicht nur Patienten mit akutem Herzinfarkt, sondern auch solche mit chronischen Herzerkrankungen heimgesucht werden. Ein besonders hohes Risiko haben Patienten mit schwer eingeschränkter Herzpumpfunktion, sei es infolge eines abgelaufenen Herzinfarkts oder einer primären Herzmuskel-erkrankung (z. B. „dilatative Kardiomyopathie“). Die Sterblichkeit dieser Patienten liegt trotz optimaler medikamentöser Therapie noch bei 5–10% pro Jahr. Durch die Implantation eines Defibrillators (implantierbarer Cardioverter-Defibrillator = ICD) kann der plötzliche Herztod drastisch vermindert werden. In örtlicher Betäubung wird dabei ein kleines Aggregat auf der linken Brustseite unter die Haut eingepflanzt und mit einer Elektrode verbunden, die durch die Schlüsselbeinvene in die rechte Herzkammer eingeführt wird. Der Defibrillator überwacht von nun an kontinuierlich den Herzrhythmus, erkennt eine etwaige Rhythmusstörung vollautomatisch und beendet sie innerhalb von wenigen Sekunden. Wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, können heute spezielle Schrittmacher-Defibrillatorsysteme eingepflanzt werden, die auch die Pumpfunktion des Herzens verbessern (CRT-Defibrillatoren). Dadurch kann die Belastbarkeit der Patienten gesteigert und die Sterblichkeit deutlich vermindert werden (Abb. 2).
Abb. 2: Schematische Darstellung eines Einkammer-Defibrillators und eines CRT-Defibrillators. Der Einkammer-Defibrillator besteht aus dem Aggregat und einer Defibrillationssonde in der rechten Herzkammer. Der CRT-Defibrillator besitzt zwei weitere Sonden.