Artikel erschienen am 16.05.2014
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Implantate fürs Leben

Von Dr. phil. Karsten Wagner, Mannheim

Nicht wenige Menschen lesen bei einem Krimi zuerst die letzte Seite. Wahrscheinlich gefällt diesen Neugierigen das beruhigende Gefühl, frühzeitig zu wissen, wie die Geschichte ausgeht. Ähnlich geht es auch vielen Patienten und Patientinnen, die mit dem Gedanken spielen, einen Zahnverlust durch ein Implantat auszugleichen. Natürlich fragen sie sich „Wie ist die Prognose?“ und „Wie geht es dem Implantat in zehn oder zwanzig Jahren?“ Der Blick in die Zukunft wird leider Fiktion bleiben, aber mithilfe der wissenschaftlichen Forschung können recht sichere Prognosen über den Langzeiterfolg der Implantate gemacht werden. Die Ergebnisse sind mehr als ermutigend.

Die Lebensdauer eines Implantats ist der wichtigste Indikator für seinen Erfolg. In Langzeitstudien werden Implantate über einen Zeitraum von fünf Jahren oder länger beobachtet. Sind die Gruppen groß genug und heterogen zusammengesetzt, lassen sich zuverlässige Aussagen treffen. Eine jetzt veröffentlichte Studie (1) beobachtet die sogenannte Überlebensrate von Implantaten sogar über einen Zeitraum von 20 Jahren. In der Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und Implantologie Carolinum (Frankfurt/Main) wurden die Daten von 4 206 Patienten ausgewertet, die mit insgesamt 12 500 Implantaten versorgt worden waren. Das Alter der Patienten lag überwiegend zwischen 50 und 70 Jahren. Rauchen und Bruxismus (Zähneknirschen) waren im Gegensatz zu anderen Studien kein Ausschlusskriterium. Das Ergebnis zeigt mit insgesamt nur 319 Implantatverlusten eine absolute Überlebensrate von 97,5 % und eine kumulative Überlebensrate von 93,3 % (bei der kumulativen Überlebensrate wird die Erfolgsrate von Implantaten hochgerechnet, die erst nach Beginn der Studie inseriert wurden). Wenn es zu Implantatverlusten kam, traten diese in der Regel früh auf, also noch vor der endgültigen prothetischen Versorgung, und waren zumeist auf mangelhafte Einheilung des Implantats im Kieferknochen zurückzuführen.

Neue Standards bei der Knochenstabilität

Neben der Überlebensrate der inserierten Implantate wurde in der Studie des Frankfurter Uniklinikums auch die durchschnittliche Rückbildung des Knochens beobachtet. Ein stabiler Knochen ist das Fundament eines Implantats und bedeutender Faktor des Langzeiterfolgs. Die Studie weist für die untersuchten Implantate nach, dass die Rückbildung im Schnitt über die gesamte Beobachtungsdauer weniger als 1 mm betrug. Als Standard für eine erfolgreiche Implantation gilt nach den Albrektsson-Kriterien (Albrektsson et al., 1986), wenn der Rückgang des Knochens im ersten Jahr nicht mehr als 1,5 mm und in den darauffolgenden Jahren nicht mehr als 0,2 mm beträgt. Die jetzigen Ergebnisse zeigen also einen deutlich geringeren Knochenverlust.

Die Studie hat somit eine hohe Qualität des untersuchten Premium-Implantats in der Langzeitbeo-bachtung erwiesen. Allerdings bleibt festzuhalten, dass die Mehrzahl der auf dem Markt befindlichen Implantate keine vergleichbare Studienlage aufweisen können. Die Bewertung durch unabhängige Forschungsergebnisse ist Voraussetzung für Optimierungsprozesse und nur für Implantathersteller wertvoll, die Technologien selber entwickeln. Rund 90 % der weltweiten Implantathersteller kopieren lediglich Implantatdesigns und haben nur in geringem Maße Interesse an wissenschaftlichen Studien.

Komplexe Faktoren des Langzeiterfolgs

Auch andere Langzeitstudien kommen zu ähnlichen Ergebnissen wie das Carolinum in Frankfurt. Betrachtet man die verschiedenen Studien genauer, stellt man fest, dass die hohen Erfolgsraten eng mit den Designmerkmalen der Implantate verknüpft sind. So fördern modifizierte Hightech-Oberflächen die Einheilung des Implantats im Knochen und eine ausgefeilte Implantatgeometrie sorgt für stabilen Halt im Knochen und gleichzeitig für eine optimale Belastungsverteilung. Daneben beeinflussen auch äußere Faktoren die Erfolgsrate der Implantate. Entschließt sich der Patient nach einer Zahnextraktion für ein Implantat, ist ein zeitnahes Schließen der Lücke auch für den Langzeiterfolg empfehlenswert: Zum einen hilft das Implantat, den Zahnzustand im Allgemeinen langfristig zu erhalten. Denn bleibt eine Lücke, heißt das für noch bestehende Zähne, dass der Gegenbiss fehlt und diese gegebenenfalls zu Wanderungen neigen können. Auch ein Abbau des Knochenvolumens könnte die Folge sein. Eine Implantation ist zu jedem späteren Zeitpunkt zwar möglich, benötigt aber eventuell vorher einen Knochenaufbau (Augmentation).

Verständlich auch, dass die richtige Hygiene Einfluss auf den Langzeiterfolg einer implantologischen Versorgung hat. Implantathygiene heißt, wie bei der Pflege natürlicher Zähne, die Vermeidung von Plaque, Zahnstein und einer dauerhaften Besiedlung von Bakterien, Viren und Pilzen. Mit konsequenter Mundhygiene – auch in den Zahnzwischenräumen – bleiben Zahnfleisch und Implantatbett gesund. Daher gehört die Schulung über die richtige Pflege des Zahnersatzes zu einer erfolgreichen Nachsorge.

Fazit

Ein Implantat ist heute eine in Langzeitstudien mit hoher Sicherheit belegte Therapie, einen Zahnverlust langfristig auszugleichen und ein hohes Maß an Lebensqualität zu gewinnen. Wie lange Implantate tatsächlich halten, kann auch die Frankfurter Studie letztlich nicht klären. Jedoch bildet sie eine gute Grundlage dafür, auch künftige Neuerungen an dem Bewährten zu messen. Der behandelnde Zahnarzt kann die individuellen Erfolgsfaktoren benennen und die richtige Behandlungsstrategie anraten. Langzeitstudien verhelfen ihm zu der Sicherheit, sich für das Implantatsystem mit den besten Prognosen entscheiden zu können.

Quellenangabe: (1) Krebs, M., Schmenger, K., Neumann, K., Weigl, P., Moser, W. and Nentwig, G.-H. (2013), Long-Term Evaluation of Anklyos® Dental Implants, Part I: 20-Year Life Table Analysis of a Longitudinal Study of More Than 12,500 Implants. Clinical Implant Dentistry and Related Research. doi: 10.1111/cid.12154.

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