Artikel erschienen am 16.05.2014
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Einige Antworten zum Thema Schulter­erkrankungen und Schulterchirurgie

Von Prof. Dr. med. Karl-Dieter Heller, Braunschweig

Schultererkrankungen

Das Schultergelenk ist das beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers. Die Beweglichkeit des Schultergürtels wird durch das Zusammenspiel von vier Gelenken ermöglicht. Das eigentliche Schultergelenk, die gelenkige Verbindung zwischen Oberarmkopf und Pfanne, ist sehr anfällig, da zum Erreichen eines großen Bewegungsspielraumes der kleinen Schultergelenkpfanne ein großer Oberarmkopf gegenübersteht (Abb. 1). Die Führung des Gelenkes wird alleine durch Bandstrukturen sowie Muskeln ermöglicht.

Abb. 1: Röntgenbild eines Schultergelenkes

Es gibt zwei wesentliche Beschwerdekomplexe im Bereich des Schultergelenkes, welche nachhaltig belasten und dauerhafte Beschwerden auslösen können. Hierzu zählt einerseits die mangelnde Stabilität zwischen Oberarmkopf und Gelenkpfanne, die entweder durch einen Unfall oder durch anlagebedingte Ungleichgewichte zwischen den stabilisierenden Faktoren ausgelöst werden kann. Andererseits gehört der Komplex der Erkrankungen unter dem Schulterdach dazu, d. h. eine Schädigung der das Schultergelenk führenden Muskelkappe (Rotatorenmanschettenläsion) oder eine Einengung im Bereich des Schulterdaches (Impingementsyndrom), welche dadurch verursacht wird, dass die den Oberarmkopf führende Muskulatur defekt oder geschwächt ist und somit der Oberarmkopf relativ unter Funktion nach oben steigt und entzündliche Veränderungen (Schleimbeutel, Sehne, Kalkeinlagerungen) herbeiführt (Abb. 2).

Abb. 2: Blick in einen entzündeten Schleimbeutel durch das Arthroskop

Schulterinstabilitäten

Diese können entweder im Rahmen der Knopflochchirurgie (Gelenkspiegelung) oder als offene Operation durchgeführt werden. Diese Operationen kommen insbesondere bei jüngeren Patienten zur Anwendung, da hier nach der Erstverrenkung mit großer Wahrscheinlichkeit wiederholte Verrenkungen auftreten. Neben der Stabilisierung der Gelenklippe, die in den meisten Fällen mit modernen Fadenankersystemen per Gelenkspiegelung erfolgt, kommen Kapselraffungsverfahren zur Anwendung. Bei bestimmten Formen der Instabilität und bei Patienten jenseits des 50. Lebensjahres werden zunächst nicht operative Behandlungsverfahren (Krankengymnastik, physikalische Therapie) angewendet. Eine Operation ist in diesen Fällen nur sinnvoll, wenn die konservativen Maßnahmen nicht zur Stabilität führen oder die Instabilität einen größeren Schaden im Gelenk verursacht hat.

Schädigungen der Rotatorenmanschette bzw. Impingementsyndrom

Liegen Beschwerden im Bereich des Schulterdaches vor, so beklagt der Patient vornehmlich im Anfangsstadium Schmerzen bei Überkopfarbeiten. Alltägliche Betätigungen werden als belastend empfunden. Der Nachtschlaf kann durch Schmerzen im Bereich der Schulter, insbesondere beim Liegen auf der erkrankten Seite, gestört sein. In fortgeschrittenen Stadien treten sogar Ruheschmerzen auf. Sollte bei diesem Beschwerdebild und eindeutiger klinischer sowie bildgebender Verfahren (Ultraschalluntersuchung, Kernspinuntersuchung) die konservative Therapie nicht zur Beschwerdefreiheit führen, so sind hier ebenfalls operative Verfahren angezeigt. Mittels Krankengymnastik können leichte und mittlere Formen dieser Erkrankung gut behandelt werden.

Reicht die konservative Therapie nicht aus, kommen auch bei diesem Erkrankungsbild hauptsächlich minimalinvasive – in bestimmten Fällen auch offene – Therapieverfahren zur Anwendung. So wird zum Beispiel mit Hilfe einer Gelenkspiegelung (Knopflochchirurgie / Abb. 3) der Schleimbeutel unter dem Schulterdach entfernt (Abb. 4), ein Teil der knöchernen Strukturen ausgedünnt, sodass im Verlauf mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine Beschwerdefreiheit herbeigeführt werden kann.

Abb. 3: OP-Setting einer Schulterspiegelung

Abb. 4: Blick unter das Schulterdach nach Entfernung des Schleimbeutels

Falls ein Kalkdepot vorliegt (Abb. 5) und ursächlich für die Beschwerden ist, so kann dies sehr gut per minimalinvasiver Technik entfernt werden. Als ergänzende Verfahren kommen Nahttechniken der Rotatorenmanschette zur Anwendung (Abb. 6). Diese müssen jedoch häufig offen, d. h. über einen kleinen Hautschnitt, operiert werden. Weiterhin kann in einigen bestimmten Fällen die Entfernung des äußeren Schlüsselbeinendes notwendig sein.

Abb. 5: Röntgenbild eines Kalkdepots unter dem Schulterdach

Abb. 6: Schematische Darstellung einer Rotatorenmanschettenrekonstruktion

Diese modernen Techniken erlauben in den meisten Fällen eine schonende Rehabilitation der Schulterstrukturen und führen zur gewünschten Schmerzfreiheit.

Schultersteife

Entzündliche Veränderungen der Gelenkkapsel und des Schleimbeutels unter dem Schulterdach können zu ausgeprägten Schmerzen und durch die dadurch bedingte Schonung der Schulter zu einer massiven Bewegungseinschränkung führen. Das Schultergelenk reagiert auf eine lange Schonhaltung oder Ruhigstellung mit einer Bewegungseinschränkung. Im Falle einer Teilsteife ist eine begleitende krankengymnastische Übungsbehandlung sehr wichtig. In fortgeschrittenen Stadien kann über eine Gelenkspiegelung eine Lösung der Verwachsungen erreicht werden.

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