Artikel erschienen am 19.05.2014
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Die Behandlung von Knochenbrüchen bei Osteoporose

Eine besondere Herausforderung in der Unfallchirurgie

Von Dr. med. Wolfgang Klein, Wolfenbüttel

Mit zunehmendem Lebensalter sinkt die Knochenfestigkeit, es kommt zur Osteoporose. Demografische Untersuchungen zeigen über die letzten Jahre kontinuierlich eine Zunahme des Anteils von über 65-jährigen Mitbürgern/-bürgerinnen. Parallel dazu steigt auch die Zahl der in dieser Altersgruppe zu versorgenden Knochenbrüche (Frakturen). Neben den häufig vorhandenen Begleiterkrankungen des höheren Lebensalters stellt oft auch die Osteoporose ein Problem dar, sowohl bei der Entstehung und dem Schweregrad der erlittenen Brüche als auch bei deren Behandlung. Mit speziellen Implantaten und zusätzlichen Techniken hat es in den letzten Jahren fortlaufend neue Entwicklungen gegeben, die der besonderen Situation Rechnung tragen sollen.

Osteoporose – ein Schlagwort, was steckt eigentlich dahinter? Durch Veränderungen des Knochenstoffwechsels werden die Struktur und damit die Festigkeit des Knochens vermindert. Dies geschieht ganz normal graduell mit zunehmendem Lebensalter. Allerdings gibt es auch Erkrankungen und andere Umstände wie z. B. erforderliche lang anhaltende Kortisonmedikation, die über das normale Altern hinaus zur überproportionalen und dem Lebensalter vorauseilenden Osteoporose führen können.

Bild 1: Knochenbruch bei normaler Knochenstruktur vor (Sterne zeigen die Bruchlinie),
Bild 2: Bruch bei erheblicher Osteoporose vor, insbesondere ersichtlich an der wesentlich dünneren Knochenrinde (Kortikalis) im Vergleich zu Bild 1 (Roter Pfeil)

Allen Knochenbrüchen bei Osteoporose ist gemein, dass sie bezüglich der Behandlung eine besondere Herausforderung darstellen. Bei der operativen Bruchbehandlung werden üblicherweise die Bruchstücke mit speziell auf Anatomie und Situation angepassten Implantaten stabilisiert. Übliche Hauptverfahren sind hier die Platten-/Schraubenosteosynthese oder die Nagelung. Bei ersterer wird eine Metallplatte von außen an den Knochen angelegt und mit speziellen Schrauben meist quer zur Plattenrichtung im Knochen verankert. Bei der Nagelung wird ein Metallstab in den Markkanal eines Röhrenknochens eingeführt und dieser ebenfalls mit speziellen Schrauben im Knochen befestigt. Bei vorliegender Osteoporose ist diese Verankerungsmöglichkeit bedingt durch die geringere Knochenfestigkeit limitiert, sodass es häufiger als bei normal festem Knochen zu Auslockerungen der Schrauben und einer sekundären Verschiebung von Platte, Schrauben oder Nagel und in der Konsequenz auch des geschienten Bruches kommen kann. Zusätzlich kann es zum weiteren Ausbrechen von Knochenstücken und/oder einer weitergehenden Zerstörung der Knochenstruktur kommen.

Um diesen Komplikationen vorzubeugen, gibt es verschiedene Ansätze, die zum einen in einem fortentwickelten Implantatdesign, zum anderen in der zusätzlichen Verbesserung der Knochenfestigkeit im Bruchbereich (sog. Augmentation) liegen.

Bei den Implantaten gibt es unter dem Stichwort Winkelstabilität spezielle Kombinationen, bei denen die Schrauben nicht nur im Knochen, sondern parallel dazu auch mit einem zusätzlichen Gewinde in der Platte oder dem Nagel verankert werden. Hierdurch wird eine höhere Stabilität zwischen den Implantatkomponenten erreicht, bei hochgradiger Osteoporose besteht allerdings die Gefahr, dass das sehr stabile Platten-/Schrauben-Konstrukt insgesamt aus dem Knochen ausreißen kann.

Unter dem Stichwort Augmentation können verschiedenen Substanzen in den Knochen eingebracht werden, die dann zu einer sogenannten Aussteifung führen.

Die gebräuchlichsten sind

  • sogenannte Knochenersatzstoffe, d. h. bestimmte Substanzen, die dem Mineralsalzanteil des Knochens ähnlich sind;
  • Knochenzemente, vom Grundsatz her Zwei-komponentenkleber, mit denen üblicherweise auch Endoprothesen im Knochen verankert werden können;
  • Kunststoffe, die in einer dünnen Ballonumhüllung in den Knochen eingebracht werden.

Allen Techniken ist gemein, dass die Substanzen zunächst flüssig oder als pastöse Masse in den Knochen eingebracht werden und dort nach einer bestimmten Zeit aushärten. Bei den ersten beiden Verfahren beginnt dies mit dem Anmischen und ist zeitlich nicht steuerbar, bei der Kunststoffeinbringung wird die Aushärtung durch die Anwendung einer Lichtquelle bestimmter Wellenlänge vorgenommen (ähnlich der Anwendung bei Kunststoff-Zahnfüllungen) und kann daher zeitlich gut gesteuert werden. Außerdem ist durch die Applikation mittels Ballon ein besonders gutes Anpassen an die innere Knochenkontur möglich. Die Technik wurde in den letzten Jahren fortentwickelt und ist zunehmend hilfreich in der Behandlung dieser schwierigen Frakturen.

Aussteifen eines Wadenbeinbruches bei starker Osteoporose mit Kunststoff. Durch die Lichtapplikation wird der flüssige Kunststoff nach passgenauer Einbringung innerhalb einiger Minuten ausgehärtet.

Zur adäquaten Behandlung osteoporotischer Knochenbrüche bedarf es der Vorhaltung und entsprechender Erfahrung mit einer ganzen Reihe verschiedender Therapieformen und Techniken. Keine der dargestellten Methoden kann ein Allheilmittel sein. Vielmehr gilt es je nach Bruchform, Zustand der Weichteile und Gesamtzustand der/des Betroffenen, das richtige Verfahren oder die beste Kombination verschiedener Techniken zur Anwendung zu bringen.

Ebenso wichtig ist nach Ausheilung des Knochenbruches die Prüfung, ob gegebenenfalls durch eine medikamentöse Behandlung die Osteoporose gemindert oder zumindest aufgehalten und damit das Risiko zukünftiger Brüche reduziert werden kann.

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