Artikel erschienen am 16.05.2014
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Bewertungsportale für Ärzte im Internet

Von Dr. iur. Thies Vogel, Braunschweig | Nina-Christin Weigel-Grabenhorst, Braunschweig

Die öffentliche Bewertung bestimmter Berufsgruppen genießt immer größere Beliebtheit. Dabei wird auch vor den freien Berufen, insb. den Ärzten nicht halt gemacht. In sog. Ärzteportalen im Internet können Patienten ihren Arzt bewerten und Empfehlungen abgeben. Dabei finden sich Anpreisungen wie „Deutschlands größte Arztempfehlung“; den dort registrierten Ärzten werden neue Privatpatienten versprochen.

Durch diese durchaus positive Marketingmaßnahme eröffnet der Arzt dem Patienten freiwillig eine Bewertungsoption. In anderen Portalen sind automatisch alle niedergelassenen Ärzte verzeichnet, die von ihren Patienten bewertet werden können – teilweise mit Kommentarfunktionen für den Arzt sowie dem Schutz vor Mehrfachbeurteilungen bzw. Manipulation.

Nicht jede Bewertung eines Arztes fällt positiv aus. Die Hintergründe schlechter Einträge sind vielschichtig – manchmal liegt es an einer vermeintlich falschen Prognose, in anderen Fällen an persönlichen Differenzen. Dabei stellt sich vielfach die Frage, was für den Arzt noch hinnehmbar ist bzw. welcher Bewertungsrahmen für den Patienten gilt und wann ein Löschungsanspruch gerechtfertigt ist. Eine Reihe von Urteilen der jüngeren Vergangenheit zeigt dies auf – exemplarisch:

  • Das Landgericht München I hat sich im Jahr 2013 mit der Bewertung eines Arztes mit der Durchschnittsnote „3 – 4“ und einem Kommentar mit der Überschrift „guter Arzt – windiger Geschäftemacher“ auseinandergesetzt. Dem Patienten wurden die Ohren zu seiner Zufriedenheit angelegt und er hatte sich später über den Preis geärgert. Denn er hat anschließend erfahren, dass der Arzt diese Behandlung andernorts 700 Euro günstiger anbietet. Diese Gründe wurden in der Bewertung offengelegt.

Das Landgericht hat einen Löschungsanspruch des Arztes hinsichtlich der negativen Bewertung verneint. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die veröffentlichte Benotung zwar geeignet sei, den Arzt in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen, da die Äußerungen das berufliche Ansehen und den Ruf des Arztes in der Öffentlichkeit negativ tangieren. Diese Persönlichkeitsrechtsverletzung sei jedoch nicht rechtswidrig, denn eine Interessenabwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arztes und der – höherwertigen – Meinungsfreiheit des Patienten ergebe die Zulässigkeit der Bewertung.

Da es sich also nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine subjektive Meinungsäußerung handelte, kam es nur darauf an, ob die Grenze zur unsachlichen Schmähkritik oder Formalbeleidigung überschritten war. Das Landgericht lehnte dies ab. Die Angabe, das kosmetische Ergebnis sei zufriedenstellend, die Ohren würden ausreichend anliegen, könne durchaus auch noch mit einer Note 4 in Einklang gebracht werden.

  • Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat demgegenüber im Jahr 2012 den Löschungsanspruch eines Zahnarztes im einstweiligen Rechtsschutz bejaht. Ein Patient hatte folgende Bewertung über ihn abgegeben: „Dieser Arzt arbeitet leider nur nach Quantität als auf Qualität zu setzen und ist ganz schnell mit Kronen einsetzen, obwohl es vielleicht noch gar nicht nötig wäre. Hatte durch Unfall einige Kronen bekommen, die leider für ihren Preis von mehreren Tausend Euro sehr schlecht im Mund eingearbeitet wurden, sodass ich seitdem immer Zahnfleischbluten habe und anfangs öfters die eine Krone verloren habe bis ich zu einem anderen Arzt ging. (…) Wenn ihr eure Zähne behalten wollt, dann geht woanders hin. (…)“

Bei den vom Arzt gerügten Äußerungen handelt es sich nach Auffassung des Landgerichts um Tatsachenbehauptungen, nicht nur um eine bloße Meinungsäußerungen bzw. subjektive Wertungen. Denn die Behauptungen sind dem Beweis zugänglich; sie können positiv nachgewiesen werden. So könnte im Rahmen einer Begutachtung durch einen zahnärztlichen Sachverständigen geklärt werden, ob der vorgeworfene Behandlungsfehler tatsächlich vorliegt. Da der Portalbetreiber nach einem Hinweis des Arztes nicht ausreichend nachgeforscht hatte, ob der Vorwurf stimmte, musste er die Bewertung einstweilen löschen.

All diesen Entscheidungen der Instanzengerichte ist gemeinsam, dass jeweils im Einzelfall zu schauen ist, was Gegenstand der Beurteilung war (subjektive Wertung oder Tatsachenbehauptung) und in welcher Weise die Interessen der betroffenen Arztes tangiert sind. Sodann hat eine Interessenabwägung zu erfolgen, wobei der Meinungsfreiheit des Patienten ein hoher – zumeist sogar höherer – Stellenwert beigemessen wird. Auf Seiten des Arztes ist sein allgemeines Persönlichkeitsrecht in die Waagschale zu werfen.

Handelte es sich um ein subjektives Werturteil, das unter das Grundrecht der Meinungsfreiheit fällt, wird nur bei beleidigenden Bewertungen ein Löschungsanspruch des Arztes mit Erfolg durchsetzbar sein. Liegt dagegen eine Tatsachenbehauptung vor, hängt es davon ab, ob sie der Wahrheit entspricht. Ist das nicht der Fall, besteht ein Löschungsanspruch des Arztes.

Der Löschungsanspruch ist grundsätzlich gegenüber dem Betreiber einer Bewertungsplattform geltend zu machen. Denn diejenigen Patienten, die die Bewertungen abgegeben haben, bleiben meistens anonym.

In einem ersten Schritt auf dem Weg zur Löschung einer ungerechtfertigten Bewertung kann jeder betroffene Arzt selber den Portalbetreiber anschreiben – unabhängig davon, ob die Bewertung des Patienten eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil darstellt. Er sollte den Hinweis auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrecht dabei konkret fassen und z. B. angeben, dass er seine Patientenunterlagen durchgesehen und keinen Patienten ermittelt habe, bei dem er im vorgeworfenen Zeitraum die in der Bewertung negativ dargelegte Behandlung durchgeführt hat. Kommt der Betreiber des Ärzteportals dem Löschungswunsch nicht – innerhalb einer bestenfalls gesetzten Frist – nach, können anschließend gerichtliche Schritte eingeleitet werden, zumeist über eine einstweilige Verfügung.

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