Artikel erschienen am 10.05.2013
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Diagnostik und Therapie des Pankreaskarzinoms

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In den Industrienationen sterben jährlich etwa 150 000 Patienten an einem Pankreaskarzinom. In Europa alleine sind es etwa 40 000. Diese Zahlen entsprichen damit etwa 10 % aller Neoplasien des Gatrointestinaltrakts. Somit ist das Pankreasmalignom eine der fünf häufigsten krebsbedingten Todesursachen in der westlichen Welt. Das Karzinom der Bauchspeicheldrüse hat eine extrem ungünstige Prognose mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von ca. 5 %. Diese Tumore repräsentieren somit eine der aggressivsten Tumorerkrankungen überhaupt.


Das Risiko, an einem solchen Tumor zu erkranken, hängt von Alter, Geschlecht, den generellen Ernährungsgewohnheiten aber wesentlich vor allem vom Tabak- und Alkoholkonsum ab. Die Mehrzahl der Betroffenen erkrankt zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr.

Diagnostik

Die präoperative Diagnostik erfolgt als Frühdia­gnostik oft durch die Endosonographie. Die Durchführung dieser Untersuchung ist als ambulante Maßnahme möglich. Bei unklaren Fällen kann, wenn erforderlich, eine Gewebeprobe schmerzlos entnommen werden. Nach Diagnosestellung erfolgt die sogenannte Ausbreitungsdiagnostik, um festzustellen, ob es zu einer Tumorstreuung im Bauchraum gekommen ist, durch Ultraschalluntersuchungen des Bauches (ggf. mit Kontrastmittel). Ergänzend erfolgen radiologische Verfahren wie CT oder MRT. Kommt es zu einem relevanten Galleaufstau, insbesondere durch eine Kompression des Gallenganges durch einen Tumor im Pankreaskopf, kann die Entlastung durch endoskopische Einlage eines Stents in den Gallengang erfolgen.

Das Adenokarzinom des Bauchspeicheldrüsengangs ist mit 85 % die häufigste bösartige Neubildung der Bauchspeicheldrüse. Die maligne Veränderung betrifft in 60 – 70 % der Fälle den Pankreaskopf, in 10 % den Pankreaskörper und in 5 % den Pankreasschwanz. In seltenen Fällen ist das Pankreas multifokal betroffen. Wegen der häufig langen Symptomfreiheit und der anatomischen Nähe zu den mesenterialen und hepatischen Gefäßen sowie den Gefäßen des Truncus coeliacus ist zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eine kurative Operation bei lediglich 20 – 40 % der Patienten durchführbar. Das fortgeschrittene Karzinom ist gekennzeichnet durch Tumorumscheidung oder Infiltration der A. mesenterica superior, des Truncus coeliacus und/oder der V. portae bzw. des Confluens venosum. Die Infiltration der Pfortader ist keine Kontraindikation zur Resektion. Die Resektion einer kurzstreckigen arteriellen Gefäßinfiltration wird aus onkologischen Gründen kontrovers diskutiert.

Die Resektion ist die einzige Möglichkeit, kurativ zu therapieren und das Überleben signifikant zu verlängern. Das 5-Jahres-Überleben nach R0-Resektion liegt bei etwa 20 – 30%, bei R1-Resektion liegt die 5-Jahres-Überlebensrate bei lediglich 8 %. Die moderne Therapie des Pankreaskarzinoms ist heutzutage multimodal und interdisziplinär. Ziel ist es, die Zahl kurativer Resektionen zu erhöhen und eine Tumordissemination zu verhindern. Die partielle Duodenopankreatektomie ist Standardverfahren bei der Therapie von Pankreaskopfkarzinomen. Trotz technischer Weiterentwicklung und operativer Standards ist die Morbidität des Eingriffs weiterhin hoch. Die Mortalität liegt in spezialisierten Einrichtungen bei unter 5 %.

Pyloruserhaltende Operation oder klassische Whipple-Operation

Von Watson, Longmire und Traverso wurde eine pyloruserhaltende partielle Duodenopakreatektomie (PPPD) als Modifikation der klassischen Operation nach Whipple beschrieben. Hier wird der Magen erhalten und im Unterschied zum Whipple ein postpylorisches Absetzen des Duodenums durchgeführt. Das Erhalten des Magens und seinem Pylorus soll eine physiologischere Funktion und so einen verbesserten Nahrungsaufbau möglich machen. Die PPPD-Resektion ist daher die Methode der Wahl der meisten Pankreasoperateure. Es muss jedoch streng darauf geachtet werden, dass der Erhalt des Pylorus nicht zu Kompromissen bei der chirurgischen Radikalität (supra- und peripylorischen Lymphknoten) führt. Eine Infiltration des distalen Magens oder des proximalen Duodenums sind natürlich Kontraindikationen zur PPPD. Mehrere prospektive randomisierte Studien konnten belegen, dass die perioperativen Komplikationsraten, die Lebensqualität, aber vor allem die Daten zur Morbidität und Mortalität für beide Techniken vergleichbar sind. Die häufigsten Komplikationen beider Techniken sind Nachblutungen (bis 16 %), Fisteln und Abszesse (bis 10 %), Insuffizienzen der Pankreato-/Pankreatikojejunostomie (bis 15 %) oder der Hepatikojejunostomie (bis 10 %) sowie Magenentleerungsstörungen (bis 30 %).

Pankreaslinksresektion

Die chirurgische Standardtherapie bei Pankreaskarzinomen, die links-lateral der V. portae lokalisiert sind, ist die Linksresektion bzw. die erweiterte Linksresektion, wenn die Resektionslinie medial der Pfortader liegt. Karzinome des Pankreascorpus und -schwanzes sind seltener, lange asymptomatisch und werden häufig erst in späten Stadien diagnostiziert. Um eine ausreichende onkologische Radikalität zu erreichen, umfasst die distale Pankreasresektion, je nach Tumorlokalisation, auch die Entfernung der Milz. Pankreaslinksresektionen können offen oder laparoskopisch durchgeführt werden.

Minimalinvasives Verfahren

Wegen der eingeschränkten Lebenserwartung von Patienten mit inoperablen Pankreastumoren sollte eine möglichst wenig belastende Art der operativen Exploration angewandt werden. Mit der diagnostischen Laparoskopie wird es möglich, kleinere, intraabdominelle Metastasen zu erkennen, die der Diagnostik entgangen waren. Insgesamt ist die reine Laparoskopie wegen der fehlenden Möglichkeit der Leberbeurteilung sowie der eingeschränkten Beurteilung der Beziehung zwischen Karzinomlokalisation und umgebenden Gefäßen in ihrer Aussagekraft so eingeschränkt, dass sie mit einer laparoskopischen Ultraschalluntersuchung kombiniert werden sollte. Laparoskopische Resektionen sind der Linksresektion bei Pankreasschwanzkarzinomen und Enukleationen im Corpus-/Schwanzbereich vorbehalten. Wegen präparatorischer und technischer Limitationen hat die laparoskopische Whipple-Operation immer noch experimentellen Charakter.

Kriterien der Resektabilität

Segmentale Gefäßresektionen und Rekonstruktionen vor allem im Bereich der Pfortader sind heute pro­blemlos möglich, aber im Bereich der Arterien onkologisch umstritten. So trifft die S3-Leitlinie „Exokrines PankreasKarzinom“ die folgenden Aussagen:
Die Infiltration des Truncus coeliacus und der Arteria mesenterica superior erlaubt fast nie eine Resektion im Gesunden.
Die Resektion von tumorinfiltrierten Arterien im Rahmen einer Pankreasresektion ist technisch möglich, sollte jedoch zurzeit als experimentell angesehen werden.
Die Resektion der Pfortader und der Vena mesenterica superior im Rahmen einer Pankreasresektion sollte durchgeführt werden, wenn dadurch eine R0-Resektion möglich ist.
Aufgrund der im Falle einer Gefäßinfiltration fortgeschrittenen Tumorausbreitung besteht jedoch das Risiko einer onkologisch inadäquaten Resektion.

Nachbehandlung

Im Anschluss an eine erfolgreiche Operation erfolgt in aller Regel für 6 Monate eine ergänzende Chemotherapie. Diese sollte selbstverständlich in einer Klinik, die über eine eigene, speziell für diese Patienten eingerichtete Station verfügt, durchgeführt werden. In aller Regel kann diese Therapie allerdings auch ambulant erfolgen, wobei durch teilweise dieselben Ärzte die Therapie in dem dieser Klinik angeschlossenen medizinischen Versorgungszentrum (amO) durchgeführt werden kann. Eine Chemotherapie ist auch primär für die Patienten indiziert, bei denen aufgrund der Ausbreitungsdiagnostik eine Operation nicht sinnvoll erscheint. In Einzellfällen kann dabei auch eine Bestrahlung der Bauchspeicheldrüse sinnvoll sein. Die Klinik und das amO nehmen sinnvollerweise über eine eigene Studienzentrale an einer Vielzahl von klinischen Studien teil, sodass hier bei Wunsch ggf. neue Therapien zum Einsatz kommen können. Durch diese Vernetzung von ambulanten und stationären Strukturen kann dem Patienten eine Betreuung in allen Schritten der Diagnose und Therapie angeboten werden.

FAZIT

Die chirurgische Resektion wird durchgeführt, wenn keine Fernmetastasen vorliegen und der Tumor lokal resezierbar ist. Damit der Betroffene von der Resektion profitiert, sollten keine komplexen (arteriellen) Gefäßinfiltrationen vorliegen. Hinsichtlich einer R1/R2-Resektion liegen zurzeit keine suffizienten Daten vor, um zu beurteilen, ob eine solche palliative Resektion als therapeutische Option in Zentren mit niedriger Morbidität/Mortalität durchgeführt werden sollte.

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