Artikel erschienen am 10.05.2013
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Behandlungsmöglichkeiten im Frühstadium von Prostatakrebs

Von Dr. med. Armin Leitenberger, Wolfsburg | Dr. med. Jose Sotelino-Crespo, Wolfsburg | Reinhard Hofmann, FEBU, Wolfsburg

Mit ca. 60 000 Neuerkrankungen pro Jahr gehört der Prostatakrebs zu den häufigsten Krebsarten in der Bundesrepublik Deutschland. Derzeitig sterben in Deutschland noch ca. 9 000 Männer pro Jahr infolge eines Prostatakarzinoms. Im Frühstadium erkannt, sind die Heilungschancen allerdings sehr gut. Die Auswahl der geeigneten Therapie hängt vom Wunsch des Patienten, seinen Symptomen und Begleiterkrankungen, von der Verfügbarkeit der Behandlungsmethode vor Ort und natürlich von den Charakteristika der Krebsdiagnose ab. Denn auch im Frühstadium müssen verschiedene Risikogruppen (beim Prostatakrebs drei) unterschieden werden. Dabei spielen ein Laborwert, das prostataspezifische Antigen (PSA), die Größe des Tumors in der Prostata (Tastbefund) und der mikroskopische Befund eine Rolle.

Bei den im Folgenden beschriebenen Behandlungsmethoden handelt es sich um die weltweit schulmedizinisch anerkannten. Aus der Fachliteratur weiß man um die Wirksamkeit aller dieser Methoden. Ein direkter Vergleich gegeneinander steht noch aus. Dazu ist derzeit eine bundesweite Studie unter der Schirmherrschaft von Fritz Pleitgen gestartet worden (PREFERE), die in 17 Jahren die Frage nach der Gleichwertigkeit beantworten soll. Hier werden vorgestellt:

  • die radikale Prostataoperation,
  • die äußere Bestrahlung,
  • die innere Bestrahlung und
  • die aktive Überwachung.

Radikale Prostataoperation

Die Entfernung der gesamten Prostata (mit den Samenbläschen) ist für alle Risikogruppen im Frühstadium geeignet. Voraussetzung ist natürlich, dass der Patient operationsfähig ist, also keine allzu schweren Begleiterkrankungen hat. Ob er sich dann zusammen mit seinem Arzt für die Operation entscheidet, hängt z. B. auch davon ab, ob die Prostata ihm Beschwerden bereitet und welchen Stellenwert die Sexualität in seinem Leben einnimmt. Denn einerseits wäre ein Patient, dem seine Prostata große Probleme beim Wasserlassen bereitet, nicht ohne Weiteres für eine Bestrahlung geeignet. Andererseits ist die Impotenz (fehlende Gliedsteife) eine der am häufigsten besprochenen möglichen Nebenwirkungen der Radikaloperation, weil die Nerven, die das männliche Glied versorgen, u. a. direkt auf der Pros­tata verlaufen. Sie können während der Operation im Frühstadium zwar meist geschont werden, das ist aber keine Garantie für eine normale Potenz.

Die Operationstechnik hat sich in den letzten Jahren so verfeinert, dass Nebenwirkungen wie Impotenz und Harninkontinenz (unfreiwilliger Urinverlust) nicht mehr zwangsläufig mit der OP vergesellschaftet sind. Sollten sie dennoch auftreten, lässt sich mit Rehabilitationsmaßnahmen die Situation mit der Zeit meistens sehr verbessern.

Der große Vorteil der Operation ist: Der Tumor ist entfernt! Das entnommene Gewebe wird von einem Pathologen sorgfältig unter dem Mikroskop beurteilt und so erhält man eine sehr genaue Diagnose zur tatsächlichen Ausbreitung des Tumors. Die Gewebeproben, die zur Diagnosesicherung im Vorfeld entnommen wurden, stellen ja nur eine Stichprobe dar. Zusammen mit anderen Faktoren (PSA, Tastuntersuchung) lässt sich zwar das Ausmaß auch mithilfe von Nomogrammen ziemlich genau abschätzen, eine letzte Bestätigung erhält man aber nur nach der Operation. Manchmal zeigt sich dabei, dass die Erkrankung doch schon weiter fortgeschritten ist, als ursprünglich angenommen. Dann kann man direkt auf diese Situation reagieren.

Nicht in jedem Fall werden bei der Prostataoperation auch die Lymphknoten mitentfernt. Meist entscheidet man sich nur bei Vorliegen ungünstiger Faktoren (hoher PSA-Wert, aggressiver Tumor in der mikroskopischen Untersuchung) für die Lymphknotenentfernung. Dabei werden entlang der großen Blutgefäße im Becken entweder möglichst viele Lymphknoten herauspräpariert oder die Prostata wird am Vortag mit einem radioaktiven Material markiert und man wählt nur die Lymphknoten aus, in denen sich diese Radioaktivität angereichert hat (Sentinel-Node-Lymphadenektomie). Beide Wege gelten heute als gleichwertig; allerdings stellen sie in jedem Fall eine Erweiterung der Operation dar und haben ihre speziellen Komplikationen. Am häufigsten ist die Ansammlung von Lymphflüssigkeit nach der Operation neben der Blase (Lymphozele). Das kann dazu führen, dass die großen Beckenvenen nicht mehr ungestört abfließen können und Gerinnsel bilden (Thrombose).

Die radikale Prostataoperation (inkl. der Lymphknotenentfernung) wird üblicherweise als offene OP über einen Unterbauchlängsschnitt durchgeführt. Andere Zugangswege sind: vom Dammbereich her oder in Knopflochtechnik (Laparoskopie) mit oder ohne Operationsroboter. Die Unterschiede im Operationsergebnis sind nicht groß, die Unterschiede im technischen Aufwand und bei den Kosten dagegen erheblich. Grundsätzlich gilt hier wie auch anderswo: Wenn ein Urologe eine dieser Methoden täglich durchführt, kann er sie am besten und der Patient ist hervorragend bei ihm aufgehoben.

Die äußere Bestrahlung

Auch hier gilt: Im Frühstadium ist sie für alle Risikogruppen geeignet. In der höchsten der drei Gruppen wird man die Bestrahlung mit einer sogenannten Hormontherapie kombinieren, weil gezeigt werden konnte, dass diesen Patienten so am besten geholfen ist.

Was passiert nun während der Bestrahlung? Zunächst muss der Strahlentherapeut eine sorgfältige Planung anhand von Bildern aus dem Körperinneren vornehmen: Computertomografie oder MRT dienen hier zur Darstellung der Beckenregion mit Prostata, Harnblase und Blutgefäßen. Mit moderner Technik wird sodann die zu bestrahlende Region gekennzeichnet und die benötigte Dosis errechnet.

Die eigentliche Bestrahlung geschieht mit einem sogenannten Linearbeschleuniger. Der Patient liegt dabei auf einer Art Röntgentisch, um den sich der Bestrahlungsarm des Beschleunigers bewegt. So ist gewährleistet, dass die Strahlen aus verschiedenen Richtungen auf den Prostatakrebs gebündelt werden können, umliegendes Gewebe inklusive der Haut aber immer nur einen kleinen Teil der Gesamtdosis abbekommt. Zusätzlich verfügt die Öffnung am Gerät, aus der die Strahlen austreten, über bewegliche Lamellen aus Blei. So kann die Öffnung dynamisch der Form der zu bestrahlenden Region aus allen Richtungen angepasst werden. Die Gesamtdosis wird auf kleine Einzeldosen aufgeteilt, sodass die gesunden Zellen im Körper Zeit haben, sich zu erholen. Die gesamte Behandlung dauert etwa 4 Wochen (werktägliche Bestrahlung) und kann meist ambulant durchgeführt werden.

Trotz aller möglichen Vorsorge, das gesunde Gewebe zu schonen, können, wie bei jeder Behandlungsmethode, auch hier Nebenwirkungen auftreten: von Hautreizungen über Enddarm- oder Blasenentzündungen bis hin zu Spätfolgen. Die bei der Operation genannten Probleme wie Inkontinenz oder Impotenz stehen hier nicht so im Vordergrund. Wie schon erläutert, gibt es eine Risikogruppe, bei der die äußere Bestrahlung mit einer Hormontherapie kombiniert werden sollte. Der Hintergrund ist: Der Prostatakrebs wächst in Abhängigkeit vom männlichen Geschlechtshormon, dem Testosteron. Wenn man die Wirkung des Testosterons (oder seine Produktion) blockiert, wird man das Tumorwachstum aufhalten – zumindest für eine begrenzte Zeit. Dies wird bei der Kombination mit der Strahlentherapie auf medikamentösem Wege geschehen und nicht lebenslang.

Die innere Bestrahlung (Brachytherapie)

Hierbei werden Strahlenquellen direkt in die Prostata eingebracht, wodurch eine konzentrierte und hochdosierte Strahlenbehandlung des Prostatakrebses erfolgen kann. Dabei werden umliegende Gewebe geschont. Zwei Techniken sind hierzu erprobt.

Brachytherapie mit niedriger Dosisrate (LDR, Seeds)

In diesem auch als „permanente“ (= dauerhafte) Brachytherapie bezeichneten Verfahren werden verschiedene Radioisotope niedriger Dosisleistung (z. B. Jod-125, Palladium-103) in die Prostata eingebracht. Dabei werden diese sogenannten „Seeds“ über Hohlnadeln unter Ultraschallkontrolle durch den Damm in die Prostata eingeführt. Diese Seeds verbleiben hier lebenslang (permanent). Es können bis etwa 100 dieser Seeds in die Prostata eingebracht werden, wobei sie jedoch anschließend nicht mehr in der Lage korrigiert werden können. Hieraus kann eine unausgewogene Strahlendosisverteilung resultieren. Dieses Therapieverfahren eignet sich für kleine Prostatatumore, die durch eine Organbegrenzung, einen geringen bis mittleren Aggressivitätsgrad sowie einen PSA-Wert von kleiner als 10 ng/ml charakterisiert sind (Niedrig-Risiko-Gruppe).

Brachytherapie mit hoher Dosisrate (HDR)

Es werden über einen Zugang durch den Damm mehrere Hohlnadeln in die Prostata eingebracht (sogenannte Spickung). Nachfolgend werden die Strahlenquellen (Iridium-192) über ein computergesteuertes Beladungsverfahren in diese Hohlnadel an vorab berechneten Lokalisationen für definierte Zeitabstände kurzzeitig eingeführt. Die HDR-Brachytherapie beginnt mit einer Sitzung. Diese wird nach 14 Tagen wiederholt und durch eine äußere Strahlentherapie ergänzt.

Durch dieses Verfahren wird eine optimale Dosisverteilung in der gesamten Prostata erreicht. Darüber hinaus führt die hohe Dosisrate zu einer besonders effektiven Tumorzellvernichtung. Damit eignet sich die HDR-Brachytherapie insbesondere auch für fortgeschrittene Prostatatumore (hoher PSA-Wert, hohe Aggressivität, ausgedehntes Wachstum in der Prostata (Hoch-Risiko-Gruppe)).

Mögliche Komplikationen, die bei beiden Formen der Brachytherapiebehandlung auftreten können, sind Reizzustände von Darm, Blase und Harnröhre. Gelegentlich kann sich ein Verlust der Gliedsteife entwickeln.

Die aktive Überwachung

Unter ganz besonderen Voraussetzungen ist es möglich, ganz auf die Nebenwirkungen der oben genannten Behandlungsmethoden zu verzichten, weil man weiß, dass in bestimmten Situationen der Prostatakrebs dem Patienten auch in Zukunft keine Probleme bereiten wird. Wenn die Untersuchungen ergeben haben, dass ein Patient in die Gruppe mit dem niedrigsten Risiko eingestuft werden kann und zudem nur ein sehr geringer Teil der entnommenen Gewebeproben vom Krebs befallen ist, kann man sich mit Kontrolluntersuchungen begnügen. Dabei spielt das PSA eine große Rolle. Und es müssen in regelmäßigen Abständen erneut Gewebeproben entnommen werden.

Der derzeitige Stand der Wissenschaft definiert auch ziemlich genau, wann man das Konzept der aktiven Überwachung aus krebsmedizinischen Gründen verlassen und zu einer anderen Behandlungsform wechseln sollte; z. B. wäre ein solcher Zeitpunkt gekommen, wenn der PSA-Wert zu schnell ansteigt. Manche Patienten beenden die aktive Überwachung allerdings auch aus eigenem Wunsch heraus, weil sie nicht mehr mit ihrem Tumor leben möchten.

Hier sei noch angemerkt: Die aktive Überwachung (engl. Active Surveillance) hat nichts mit dem Konzept des „Wait-and-see“ zu tun. Letzteres wird man Patienten empfehlen, deren Begleiterkrankungen und Alter zusammen genommen deutlich im Vordergrund stehen müssen im Vergleich zum Prostatakrebs. Beim Wait-and-see wird man auch auf die Kontrolluntersuchungen verzichten und nur dann einschreiten, wenn der Patient beginnt, unter Symptomen des Prostatakrebses zu leiden.

Zum Schluss

Welche der genannten Methoden für Sie die geeignete ist, werden Sie mit Ihrem Arzt und Ihren Angehörigen besprechen. Es gibt einige medizinische Faktoren, die oben beschrieben wurden und Ihre Entscheidung beeinflussen können. Im Idealfall hat sich auch vor Ihrer Entscheidung ein Team von Ärzten (z. B. Urologe und Strahlenmediziner) mit Ihrer Diagnose auseinandergesetzt und eine Behandlungsempfehlung abgegeben. In den zertifizierten Prostata-(karzinom-)zentren in Deutschland ist dies gängige Praxis.

Fazit

So häufig die Diagnose Prostatakrebs auch ist, wir haben heute ein ganzes Arsenal an Behandlungsmöglichkeiten. In vielen Fällen können so Patienten gerade im Frühstadium von dieser Erkrankung befreit werden.

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