Artikel erschienen am 01.05.2012
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Volkserkrankung Schwindel – ein Symptom, viele Ursachen

Von Dr. med. Marc Holzgraefe, Gifhorn

Schwindel (lat. Vertigo für Umdrehung) ist eine häufige, den Betroffenen stark einschränkende Erkrankung. Jeder zehnte Patient beim Hausarzt klagt über Schwindelgefühle, die von wenigen Sekunden bis zu vielen Monaten anhalten. Bei älteren Menschen treten Störungen im Gleichgewichtssystem noch häufiger auf und resultieren in einem Verlust der Bewegungssicherheit im Alltag.

Schwindel äußert sich in Schein­bewegungen, die sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Unterschieden werden Dreh-, Schwank-, Lift-, Bewegungs- und unsystematischer Schwindel. Nach dem Ort der Entstehung wird zwischen „peripherem Schwindel“ (Beein­trächtigung von Gleich­gewichts­organ oder Gleich­gewichts­nerv) und „zentralem Schwindel“ (fehlerhafte Informations­verarbeitung des Gehirns) unterschieden. Generell entsteht Schwindel häufig aus widersprüchlichen Informationen der am Gleich­gewichts­empfinden beteiligten Sinnes­organe wie der Augen, der Gleich­gewichts­organe des Innen­ohres sowie der Muskel- und Gelenk­rezeptoren. An sich harmlose Reize (z. B. Karussell­fahrt) können das System kurzfristig irritieren. Unterschiedliche Erkrankungen von Gleich­gewichts­organ und -zentrum, Herz-Kreislauf, Stoffwechsel, Wirbelsäule, Nervenen­tzündung oder psychische Leiden können seine Funktion nachhaltig beeinträchtigen.

Für Erkrankungen des peripheren Gleich­gewichts­systems (Innenohr und Gleich­gewichts­nerv) ist primär der HNO-Arzt zuständig. Diese Erkrankungen sind oft von vegetativen Reaktionen des Körpers wie Übelkeit, Erbrechen, Schweißausbruch, Herz­beschleu­nigung und Kollaps begleitet. Zunächst werden Art, Dauer, Auftreten bzw. Verstärkung des Schwindels erfasst. Gehör- und Gleich­gewichts­prüfung, Sturz­risiko­bestimmung sowie die computer­gestützte Video-Okulographie ergänzen die Diagnostik.

Häufige Krankheiten sind:

  • Gutartiger (benigner) paroxysmaler Lagerungsschwindel, ein sekunden- bis minutenlanger Lagerungsschwindel. Die Anfälle ereignen sich typischerweise, wenn die Lage des Kopfes verändert wird (z. B. Drehungen, Aufstehen). Diese vor allem im höheren Lebensalter sehr häufige Schwindelform hat ihren Ursprung in kleinen Steinchen im Gleichgewichtsorgan, die sich an untypischen Stellen abgelagert haben und damit zu Irritationen führen. Spezifische Lagerungsmanöver führen oft schnell zur Besserung.
  • Erkrankungen des Innenohres (Vestibulopathie bis maximal Ausfall des Gleichgewichtsorgans) oder die Entzündung des Gleichgewichtsnerven (Neuritis vestibularis) führen zu akut auftretenden und teilweise bis sechs Monate anhaltenden Dauerschwindelzuständen.
  • Die Menièresche Erkrankung ist eine attackenartig ablaufende, mit Schwindel, Ohrgeräusch und Hörminderung einhergehende, über Stunden bis Tage anhaltende Störung des Elektrolythaushaltes des Innenohrs und Gleichgewichtsorgans.
  • Durchblutungsstörungen, Tumore (Akustikusneurinom), mechanische Schädigungen (traumatischer Labyrinthausfall bei Schädelbrüchen) usw. mit Beteiligung des Gleichgewichtssystems.

Die Behandlung folgt dem Krankheitsbild. Bei Entzündungen können Antibiotika, durchblutungsfördernde Mittel oder Kortison angezeigt sein. Starke Schwindel­beschwerden werden mit speziellen Arzneimitteln (Antivertiginosa) – teilweise stationär – behandelt. Bei Tumoren oder Gefäßproblemen kann eine Operation erforderlich sein.

Das Gleichgewichtssystem im Gehirn ist lernfähig. Gleichgewichtstraining unterstützt notwendige Heilungsprozesse und fördert Kompen­sations­mechanismen. Computer­gestützte Trainings­verfahren werden diesbezüglich von modernen HNO-Ambulanzen angeboten.

Wer sich zusätzlich regelmäßig bewegt, ausgewogen ernährt, Alkohol und Nikotin meidet sowie Stress abbaut, fördert die Gesunderhaltung von Gefäßen, Stoffwechsel und Psyche und schafft wichtige Voraussetzungen für ein gesundes Gleichgewicht.

Foto: Panthermedia/Sebastian John

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