Artikel erschienen am 01.05.2012
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Rheuma – eine Volkskrankheit?

Von Dr. med. Gabriele Mahn, Braunschweig

Unter Rheuma bzw. Rheumatismus versteht man heute allgemein Erkrankungen, die mit Schmerzen und Funktionseinschränkungen am Bewegungssystem einhergehen. Das Auftreten von rheumatischen Beschwerden (von griech. „rheo“ = ich fließe) bezeichnet „fließende, ziehende“ Schmerzen an den Gelenken, den Muskeln, der Wirbelsäule sowie den Sehnen.

Dabei können alle Altersstufen – auch Kinder und Jugendliche – betroffen sein; die rheumatischen Erkrankungen gehören weltweit zu den Leiden mit den häufigsten Krankenstandsfällen und einer daraus resultierenden Berufsunfähigkeit.

Bis Ende der 1990er-Jahre war therapeutisch lediglich die Linderung von Schmerzen möglich. Heute hingegen können durch bessere Kenntnisse über Ursache und Krankheitsverlauf mithilfe der revolutionären Entwicklung neuer Medikamente (sogenannter Biologika) Beschwerdefreiheit bzw. eine vollständige Unterdrückung der Erkrankung erzielt werden.

Zu den drei häufigsten entzündlichen rheumatischen Erkrankungen gehören die Rheumatoide Arthritis, der Morbus Bechterew und die Psoriasisarthritis, wobei der Begriff „Arthritis“ eine Entzündung im Gelenk bedeutet.

Rheumatoide Arthritis (Polyarthritis)

Gelenkschmerzen mit oder ohne Gelenkschwellung, eingeschränkte Beweglichkeit am Morgen („Morgen­steife“) sowie eventuell auch Müdigkeit, Leistungsminderung, Fieber, Nachtschweiß und bisweilen auch Gewichtsabnahme können die ersten Beschwerden einer Rheumatoiden Arthritis sein.

Sie ist die häufigste rheumatische Erkrankung. Frauen sind ca. drei Mal häufiger betroffen als Männer. Der Ausbruch der Erkrankung beginnt meistens zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr. Aufgrund eines Fehlers im Immunsystem wird körpereigenes Gewebe, in diesem Fall die Gelenkinnenhaut, angegriffen. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Entzündung der Gelenkinnenhaut. Diese verdickt sich, fängt an zu wuchern, wodurch der Knorpel und später auch der Knochen zerstört werden.

Typisch für eine Rheumatoide Arthritis ist die symmetrische Schwellung der Fingergelenke sowie der häufig positive Nachweis von Entzündungsmarkern im Blut und Rheumafaktoren. Neben Röntgenaufnahmen nutzt man seit einigen Jahren vermehrt den Ultraschall zur weiteren Untersuchung.

Abb. 1: Rheumahände

Heute weiß man, dass so früh wie möglich behandelt werden muss, um das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. Therapeutisch kommen neben den seit Jahrzehnten etablierten Basismedikamenten wie Methotrexat, Antimalariapräparate, Sulfasalazine, Leflunomid nun vermehrt die neuen sogenannten „Biologika“ zum Einsatz. Diese werden in die Vene oder unter die Haut gespritzt, wie es z. B. mit Insulin gehandhabt wird.

Morbus Bechterew

Bei dieser rheumatischen Erkrankung kommt es zu einer Entzündung insbesondere der Wirbelsäule und der Kreuz-Darmbein-Gelenke.

Die Patienten klagen über nächtliche Rückenschmerzen mit Erwachen, die sich unter Bewegung bessern, Morgensteifigkeit von über 30 Minuten und Gesäßschmerzen.

Häufig sind junge erwerbstätige Erwachsene (Männer zu Frauen im Verhältnis 2:1) betroffen, die bei Krankheitsbeginn durchschnittlich erst 26 Jahre alt sind. Bei der Ursache dieser Erkrankung spielt die Vererbung eine große Rolle.

Ohne Behandlung kommt es zu einer Verknöcherung und Versteifung der Wirbelsäule sowie der Kreuz-Darmbein-Gelenke.

Psoriasisarthritis

Die Psoriasis (Schuppenflechte) ist eine sehr häufige Hauterkrankung, die bis zu ca. 30 % mit einer begleitenden Entzündung der Gelenke einhergeht. Dabei treten die schuppenden Hauterscheinungen meist vor der Gelenkerkrankung auf. Manchmal sind die Hautveränderungen so klein, wie z. B. im Gehörgang und Bauchnabel, dass sie nicht bemerkt werden und der Patient über Gelenkschmerzen klagt, ohne zu wissen, dass er eine Schuppenflechte hat.

Abb. 3: Schuppenflechte am Ellenbogen

Abb. 4: Schuppenflechte

Besonders häufig ist die einseitige Gelenkentzündung am Bein (Knie- bzw. Sprunggelenk), des Weiteren können aber auch die kleinen Gelenke der Hände und Füße (sogenannte Wurstfinger/-zehe) betroffen sein.

Abb. 2: Wurstfinger/-zehe

Fazit

Bei diesen entzündlichen Gelenkerkrankungen ist die frühe Diagnosestellung und damit die rechtzeitige Behandlung für die Lebensqualität des Patienten von entscheidener Bedeutung, damit es nicht erst zu einer Gelenkzerstörung und dadurch bedingten z. T. erheblichen Einschränkungen im Alltag kommt.

Außerdem kann zusätzlich eine Beteiligung der inneren Organe (z. B. Lunge, Gefäße) mit schweren, sogar lebensbedrohlichen Komplikationen auftreten. Im Einzelfall kann die Organbeteiligung auch schon zu Beginn der rheumatischen entzündlichen Erkrankung vorliegen.

Fotos: Mahn, Panthermedia/Christine Langer-Pueschel, Tracy Hebden

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