Artikel erschienen am 01.05.2012
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Neue Entwicklungen in der minimalinvasiven Chirurgie

Stichwort „Schlüssellochchirurgie“

Von PD Dr. Dr. med. Uwe Johannes Roblick

Im letzten Jahrzehnt hat sich eine revolutionäre Entwicklung in der Chirurgie vollzogen. Das minimal-invasive Operieren (Stichwort „Schlüssellochchirurgie“) erlaubt es heute, eine Vielzahl von Operationen, speziell im Bauchraum, in sehr schonender und kosmetisch vorteilhafter Weise auszuführen. Technische Neuentwicklungen (z. B. miniaturisierte Videooptiken und Instrumente, 3-D-Technik, HD-Bildqualität) wurden in enger Zusammenarbeit zwischen Chirurgen und der Industrie erfolgreich vorangetrieben. Kon­traindikationen gegen das minimal-invasive Verfahren sind bei den heutigen schonenden Narkoseverfahren selten geworden. Dennoch gibt es Fälle, bei denen wegen kardialer oder pulmonaler Vorerkrankung des Patienten das Pneumoperitoneum (siehe unten) schlecht oder gar nicht vertragen wird. Auch multiple Voroperationen mit konsekutivem Verwachsungsbauch und/oder unklarer Anatomie zwingen zur Konversion und offenen Operation.

Die Bauchspiegelung, auch Laparoskopie genannt, bezeichnet eine Methode, bei der die Bauchhöhle und damit die inneren Organe mit einer Videooptik durch kleine Öffnungen in der Bauchdecke inspiziert werden können. Über eine wenige Millimeter große Inzision der Haut (z. B. in der Nabelregion), wird ein Trokar in die Bauchdecke eingebracht. Mit einer an ein Videosystem und eine Lichtquelle gekoppelten Kamera kann der Bauchraum sehr effektiv untersucht werden. So nimmt die Bauch­spiegelung bei unklaren Bauchbefunden auch einen wichtigen Stellenwert in der Diagnostik ein. Die diagnostische Laparoskopie ist häufig schneller verfügbar als andere diagnostische Verfahren und bietet zusätzlich die Option, wenn notwendig, sofort intervenieren zu können. Ist ein operativer Eingriff nötig, wird zunächst der Bauchraum mit Kohlendioxid (CO2) gefüllt („Pneumoperitoneum“), bis sich die Bauchwand „kuppelförmig“ abhebt und eine Art „Arbeits- und Untersuchungsraum“ entsteht. So erreicht man ausreichend Platz, um operativ agieren zu können.

Laparoskopische Dick- und Enddarmchirurgie

Laparoskopische Techniken zur Therapie von gutartigen Veränderungen des Kolons, Rektums und des Blinddarms haben sich in den letzten 15 Jahren etabliert. Die minimal-invasiven Operationen sind ebenso sicher durchführbar wie die offen-konventionelle Operation. Vorteile des laparoskopischen Verfahrens sind die schnellere Rekon­valeszenz, weniger Narben­hernien bedingt durch die kleinen Hautinzisionen, ein schnellerer Kostaufbau, weniger intra­abdominelle Verwachsungen und damit weniger Darmobstruktionen. Die Sigma­divertikulitis ist die Dick­darm­erkrankung, die in Deutschland am häufigsten laparo­skopisch operiert wird. Auch andere entzündliche Darm­erkrankungen wie chronisch-entzündliche Darm­erkrankungen (M. Crohn, Colitis ulcerosa) und funktionelle Störungen des Dickdarms (Darmvorfall, Darm­transport­störungen etc.) können laparo­skopisch suffizient behandelt werden. So ist, wenn notwendig, auch die komplette Dick­darm­entfernung schonend, ohne großen Bauchschnitt sicher möglich. Laparo­skopische Operationen bösartiger Dick­darm­tumore müssen sich an den onkologischen Standards und Ergebnissen der konventionellen Chirurgie messen lassen. Neueste Studien konnten zeigen, dass der minimal-invasive Zugang mit laparoskopischer Resektion des Dickdarm­tumors dem klassisch-offenen Vorgehen onkologisch gleichwertig ist. Alle Studien zeigten eindrucksvoll die Gleichwertigkeit von laparoskopischer und offener Operationstechnik. Es bestanden keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Anzahl entnommener Lymphknoten sowie onkologischer Parameter wie Lokalrezidivraten, Fernmetastasierung, krankheitsfreies Überleben und Gesamtüberleben. Die immer wieder genannte Tumorzellverschleppung und sog. Trokarkanalmetastasen gehören durch neue Techniken (z. B. Schutzfolien zur Präparatebergung u. a.) der Vergangenheit an. Die laparoskopische Rektumresektion (Mastdarm) sollte im Rahmen randomisierter Studien und an Kliniken mit entsprechender laparoskopischer Expertise durchgeführt werden. Momentan werden nur etwa 10 % aller Kolonkarzinome laparoskopisch reseziert. Aufgrund der onkologischen Gleichwertigkeit wäre bei den Vorteilen der minimal-invasiven Chirurgie ein deutlich höherer Anteil an laparoskopischen Resektionen erstrebenswert. Ziel muss daher sein, durch strukturierte Trainingskurse („Teamtrainings“) den Anteil in der laparoskopischen Kolonchirurgie ausgebildeten Chirurgen zu erhöhen, um die großen Vorteile der laparoskopischen Kolonchirurgie einer größeren Patientenzahl bieten zu können.

Laparoskopische Hernienchirurgie

Die Mehrzahl der über 200 000 Leistenbrüche, die jährlich in Deutschland operativ versorgt werden, wird mit einem Netz aus Kunststoff verschlossen. Entweder geschieht das über einen Leistenschnitt („Lichtenstein- Technik“) oder von innen laparoskopisch. Die Vorteile der laparoskopischen Techniken bestehen in den geringeren postoperativen Schmerzen, der Möglichkeit, beide Leisten ggf. simultan zu versorgen. Darüber hi-naus ziehen diese minimal-invasiven Operationen keine auffallenden Narben im Leistenbereich nach sich.
In den meisten Fällen können die Eingriffe ambulant erfolgen und es besteht volle Belastbarkeit (Heben von Lasten, Sport etc.).
Dies bedingt in der Mehrzahl der Fälle eine verkürzte Arbeitsunfähigkeit. Auch bei Bauchwand- oder Narbenbrüchen wird die Bruchlücke immer häufiger durch Bauchspiegelung mit einem Kunststoffnetz verstärkt. In der sog. „IPOM“-Technik („Intra-Peritoneal Onlay Mesh“) wird ein beschichtetes Netz unter laparoskopischer Kontrolle anatomisch so platziert, dass die Bruchlücke gut überbrückt wird.

Minimal-invasive Operationen an Magen und Speiseröhre

Ausgedehnte Erfahrungen bestehen heute auch in der laparoskopischen Magenchirurgie bei Refluxkrankheiten (Refluxösophagitis) und beim Geschwürleiden (Ulcus ventriculi). Bei einem Zwerchfellbruch (Hiatushernie) hat sich eine Lücke im Zwerchfell gebildet und Magensekret kann in die Speiseröhre zurückfließen, die Schleimhaut der Speiseröhre reizen (Dysphagie) und zu Sodbrennen, zu Entzündungen (Refluxösophagitis) und unangenehmen Schmerzen hinter dem Brustbein führen. Primäres Ziel jeder Therapie ist es, die negativen Auswirkungen des Magensäurerefluxes zu unterbinden. Dabei wird zunächst versucht, die Risikofaktoren für Refluxösophagitis (Rauchen, Alkohol, starkes Übergewicht, fettreiche Speisen sowie Essen direkt vor dem Schlafengehen) zu minimieren. Im Verlauf kann es zu Ulcera, Blutungssereignissen und Stenosierungen im Bereich des gastroösophagealen Übergangs kommen. Bei Zwerchfellbrüchen gleiten häufig Teile des Magens in den Brustraum. Dies kann bis zum Phänomen des „Upside-down“-Magens, bei dem das gesamte Organ in den Thorax gerutscht ist, führen. In gravierenden Fällen, insbesondere bei Stenosen und anhaltenden Schluckbeschwerden und in Fällen, in denen konservativ-medikamentöse Behandlungen versagen, ist eine operative Intervention notwendig. Die beschriebenen pathologischen Veränderungen können durch die laparoskopische Refluxchirurgie sehr sicher korrigiert werden.

Die Adipositas entwickelt sich auch in Deutschland zu einem gesellschaftlichen Problem. Eine Untersuchung des Robert-Koch-Institutes ergab, dass mittlerweile etwa 31 % der erwachsenen Deutschen (> 18 Jahre) übergewichtig sind. So haben etwa 16 % der Männer einen BMI >30 kg/m2. Bei krankhafter Fettsucht (Adipositas) bietet die sogenannte metabolische / bariatrische Chirurgie die effektivste Therapieform für eine dauerhafte Reduktion des Übergewichts. Dies hilft auch dauerhaft, die mit der Adipositas verbundenen Folgeerkrankungen zu vermeiden. Durch das starke Übergewicht können Krankheiten wie Diabetes Typ II, Bluthochdruck, Schlafapnoesyndrom, Herzinfarkte, bösartige Tumore, Gelenkschäden und psychosoziale Probleme entstehen. International haben verschiedene Studien die Effektivität und Sicherheit der „Übergewichts“-(bariatrischen) Chirurgie bestätigt. Die bariatrische Chirurgie wird heute in erfahrenen Zentren minimal-invasiv durchgeführt. Bei der Magenbandoperation („Gastric Banding“) erfolgt ein Einengen des Magendurchmessers durch laparoskopische Platzierung eines Silikonbandes um den Magenfundus (Verengung, schnelleres Sättigungsgefühl). Bei der „Gastric Sleeve“ -Resektion (Schlauchmagen) wird der Magen so verkleinert, dass nur geringe Nahrungsmengen gegessen werden können und so ein Sättigungsgefühl frühzeitig erreicht wird. Dieses Sättigungsgefühl resultiert aus der Nahrungsrestriktion (Magenverkleinerung durch Schlauchmagenbildung) und zugleich dem Ausschalten eines Magenanteils (der Fundus), in dem das Hungerhormon „Ghrelin“ produziert wird. Dabei wird die große Kurvatur des Magens laparoskopisch reseziert und ein Schlauchmagen konfiguriert.

Beim sogenannten Magenbypass wird der Magen sehr weit oben durchtrennt und mit einer Dünndarmschlinge verbunden, die ihrerseits zuvor durchtrennt wird. Es können nur kleine Mahlzeiten zu sich genommen werden, da sich sehr früh ein Sättigungsgefühl einstellt.

Eine künstliche Malabsorbtion und -resorbtion (Begrenzung der Nahrungsaufnahme) wird in erster Linie bei der bilio-pankreatischen Diversion erreicht. Hier werden größere Teile des Dünn­darmes aus der „Ernährungs­passage“ ausgeschaltet. Der Effekt der Gewichts­reduktion beruht vor allem darauf, dass durch die Umstellung weniger Energie­träger aus der Nahrung in den Körper aufgenommen werden können. Diese als malabsorptive Techniken bezeichneten Verfahren verkürzen die Verdauungs­passage, sodass die Nahrung schlechter verwertet werden kann. Sie sind technisch aufwendiger und komplikations­behafteter als die rein restriktiven Methoden.

Die biliopankreatische Diversion weist sehr gute Langzeitresultate der Gewichtsreduktion auf. Bei sehr stark übergewichtigen Patienten wird ein restriktiver Eingriff wie der Schlauchmagen empfohlen. Mit den Patienten muss besprochen werden, dass ein Teil der o. g. Eingriffe (z. B. Magen-Sleeve-Resektion) irreversibel ist.

Fazit laparoskopische Chirurgie

Auch Operationen an der Bauchspeicheldrüse, den Nebennieren und bei Speißeröhrenkarzinomen werden in Zentren mit entsprechender laparoskopischer Expertise zunehmend minimal-invasiv operiert. Alle minimal-invasiven Verfahren bedeuten für den Patienten im Vergleich zur konventionell-offenen Operation verminderte Schmerzen nach der Operation, eine raschere Erholung der Funktion der inneren Organe und eine verkürzte Rekonvaleszenzzeit. Der Krankenhausaufenthalt und die Arbeitsunfähigkeit werden ebenfalls signifikant kürzer.

Es haben sich deshalb spezialisierte Kliniken herausgebildet, die neben den laparoskopischen Basiseingriffen (z. B. Gallenoperationen, Blinddarm) hochkomplexe Operationen wie Darmresektionen oder Magenoperationen in dieser Technik sicher und schonender durchführen.

Der minimal-invasive Zugang mit all seinen Patientenvorteilen wird sich weiter durchsetzen. Nachteile wie längere Operationszeiten oder höhere Kosten werden sich mit wachsender Erfahrung und steigendem Wettbewerb weiter angleichen.

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