Artikel erschienen am 22.04.2019
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Verfahrensdokumentation

Von Michael Bökamp, LL.M., Herford

Das Thema Verfahrensdokumentation (VD) ist seit rund einem Jahr in aller Munde. Dabei ist das Thema nicht neu. Bereits mit Schreiben vom 14.11.2014 (IV A 4-S 0316 /13 /10 003) hat das Bundesfinanzministerium (BMF) dargelegt, was zukünftig von Unternehmen zu erwarten ist, die ein Datenverarbeitungssystem mit Haupt-, Vor- und Nebensystemen einsetzen. Im Ergebnis sind somit alle Unternehmen und Steuerpflichtige betroffen, die zum Zwecke der Erstellung einer Buchhaltung ein solches Datenverarbeitungssystem nutzen.

Das BMF-Schreiben verlangt neben einer bislang stets geforderten Prüfbarkeit von Einzelgeschäftsvorfällen nunmehr auch eine Darstellung des gesamten Verfahrens zur Erstellung der Buchhaltung. Damit gemeint sind die Abläufe des Belegflusses in den Unternehmen, wie auch eine detaillierte Darstellung von elektronischen Schnittstellen und datenverarbeitender Systeme. Nach Auffassung des BMF müssen aus der VD Inhalt, Aufbau, Ablauf und die Ergebnisse des Datenverarbeitungssystems vollständig und schlüssig ersichtlich sein. Ähnlich wie die Buchhaltung soll die VD verständlich und für einen sachverständigen Dritten in angemessener Zeit nachprüfbar sein.

Die VD soll nach Auffassung des BMF aus einer allgemeinen Beschreibung, einer Anwenderdokumentation, einer technischen Systemdokumentation und einer Betriebsdokumentation bestehen. Es handelt sich somit um eine Soll-Prozessbeschreibung des Prozesses Buchhaltung. Dies beinhaltet den gesamten Prozess Buchhaltung und nicht nur die Beschreibung der datenverarbeitenden Systeme. Vor diesem Hintergrund muss man sich vor Augen führen, dass es inzwischen drei „Arten“ von Belegen in der Buchhaltung gibt. Belege in Papierform, Belege in digitaler Form und Belege in Papierform, die digitalisiert werden. Da die Verarbeitung und Ablage dieser Belegarten äußerst unterschiedlich ist, ist in der VD jede Belegart gesondert darzustellen, was zu einem nicht unerheblichen Darstellungsvolumen führt.

Die VD ist sicherlich vor dem Hintergrund der inzwischen stark einsetzenden Digitalisierung aus Sicht der Finanzverwaltung eine notwendige Prozessbeschreibung bei Unternehmen, die vermehrt Schnittstellen und datenverarbeitende Zwischensysteme in der Buchhaltung einsetzen. Allerdings liegt in diesem Bereich auch die Fragestellung der Praxis, welche Unternehmen zwingend eine VD benötigen und was das Fehlen einer solchen VD für steuerrechtliche Folgen hat. Das BMF lässt genau diesen Bereich, welche Unternehmen auf eine VD verzichten können und wie die genaue Ausgestaltung einer solchen VD auszusehen hat, überwiegend offen. Lediglich in einem kleinen Passus geht das BMF auf die Fragestellung zum Fehlen einer VD ein. Demnach heißt es, soweit eine fehlende oder ungenügende VD die Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit der Buchhaltung nicht beeinträchtigt, liegt kein formeller Mangel mit sachlichem Gewicht vor, der zum Verwerfen der Buchführung führen würde. Daraus lässt sich ableiten, dass Unternehmen, bei denen auch ohne VD die Nachprüfbarkeit der Buchführung gewährleistet ist, eine solche nicht benötigen. Von einem sachverständigen Dritten kann weiterhin Sachverstand hinsichtlich der Ordnungsvorschriften zur Buchhaltung und allgemeiner Datenverarbeitungssysteme erwartet werden, so die Ausführungen des BMF dazu.

Die Pflicht zur Erstellung einer VD ergibt sich nicht aus einer gesetzlichen Grundlage, sondern aus einem BMF-Schreiben, welches formal keine Bindungswirkung für Unternehmen entfaltet. Es liegt der Gedanke nah, dass mit Einführung der VD eine weitere hohe formale Hürde, ähnlich wie bei den Aufzeichnungen von Bargeldgeschäften, geschaffen wird, die bei Nicht-Erfüllung zu formalen Mängeln und somit zu Hinzuschätzungen führen soll. Gerade vor dem Hintergrund einer fehlenden Abgrenzung, welche Unternehmen zwingend eine VD und welche keine VD benötigen, wird der Unternehmer vor ein nicht kalkulierbares steuerliches Risiko gestellt.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Erstellung einer VD nach dem BMF-Schreiben alle Unternehmen und Steuerpflichtige trifft, die ein datenverarbeitendes System zur Erstellung der Buchhaltung nutzen. Eine Abgrenzung und somit eine Empfehlung, wer ggf. auf eine VD verzichten kann, ist im speziellen Einzelfall genauestens zu prüfen. Soweit eine VD für das Unternehmen erstellt werden soll, sollte man dies auch als Chance betrachten, um eine detaillierte Soll-Prozessbeschreibung für den Prozess Buchhaltung zu erstellen bzw. die vorhandene mit den täglichen Abläufen abzugleichen.

Bild: Fotolia/Trahko

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