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Das „dicke Ende“: Der Ausgleichsanspruch

Begrenzung des Ausgleichsrisikos bei Beendigung von Handelsvertreterverträgen

Von Dr. iur. Bernhard König, Detmold

Viele mittelständische Unternehmen setzen im Vertrieb auf freie Handelsvertreter. An Handelsvertreter sind keine Sozialabgaben zu zahlen, sie erhalten eine erfolgsabhängige Vergütung. Endet ein Handelsvertretervertrag, steht dem Handelsvertreter aber häufig ein Ausgleichsanspruch zu – bis zur Höhe einer Brutto-Jahres-Provision nach dem Durchschnitt der letzten 5 Jahre.

Die deutsche Regelung beruht auf der europäischen Handelsvertreterrichtlinie von 1998. Gegenüber Handelsvertretern, die im Gebiet des EWR tätig werden, kann der Ausgleichsanspruch nicht ausgeschlossen werden.

Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs

Die Voraussetzungen für den Ausgleichsanspruch sind – kurz zusammengefasst –, dass

  • der Handelsvertreter dem Unternehmer Neukunden geworben oder den Umsatz mit Altkunden wesentlich erhöht hat,
  • diese Kunden dem Unternehmer – jedenfalls für eine begrenzte Zeit – auch nach dem Ende der Tätigkeit des Handelsvertreters erhalten bleiben, wobei der Ausgleichsanspruch unter Berücksichtigung einer prognostischen „Schwundquote“ dieser Kunden über die nächsten Jahre berechnet wird,
  • und die Zahlung eines Ausgleichs bei Würdigung der Gesamtumstände der Billigkeit entspricht.

Kein Anspruch unter bestimmten Bedingungen

Der Ausgleichsanspruch entsteht nicht, wenn

  • der Handelsvertreter selbst kündigt, es sei denn, das geschieht aus vom Unternehmer veranlassten Gründen oder wegen Alters oder Krankheit;
  • der Unternehmer aus wichtigen Gründen wegen schuldhaften Verhaltens des Handelsvertreters kündigt
  • oder ein Handelsvertretervertrag einvernehmlich auf einen Nachfolger übertragen wird.

Ausgleichsansprüche können hohe Beträge erreichen, insbesondere dann, wenn ein Handelsvertreter erfolgreich Markt und Kunden für den Unternehmer neu aufgebaut hat.

Vereinbarungen zur Risikobegrenzung

Für Verträge mit Handelsvertretern, die innerhalb des EWR tätig werden, sind die Mög­lichkeiten, diesen Ausgleichsanspruch zu be­grenzen, sehr gering. Die Gerichte verwerfen Vertragsklauseln, die das Risiko begrenzen sollen, häufig wegen Umgehung des zwingenden Ausgleichsanspruchs. Häufig finden sich zwei Regelungen, die – bei genauer Prüfung in Einzelfall – wirksam sein können:

  • Der Handelsvertreter leistet bei Übernahme eines Vertragsgebiets eine Einstandszahlung. Die Zahlung wird ihm gestundet bis Vertragsende. Die Einstandszahlung wird dann bei Vertragsende mit dem Ausgleichsanspruch verrechnet. Ob eine solche Regelung wirksam sein kann, hängt von einer sorgfältigen Prüfung im Einzelfall ab, insbesondere der Frage, ob die Einstandszahlung wirtschaftlich nachvollziehbar ist.
  • Im Handelsvertretervertrag wird vereinbart, dass der Handelsvertreter zusätzlich zur Provision eine monatliche oder jährliche Sonderzahlung erhält, die als Vorauszahlung auf einen künftigen Ausgleichsanspruch gekennzeichnet ist und deren Gesamtbetrag bei Fälligkeit des Ausgleichsanspruchs verrechnet werden soll.

Mit dieser zweitgenannten Regelung hat sich der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom 10.05.2016 zum wiederholten Male beschäftigt.

Sonderzahlungen nur in engen Grenzen möglich

Solche „Sonder-“ oder „Vorauszahlungen“ auf einen künftigen Ausgleichsanspruch sind nur in engen Grenzen wirksam, wenn

  • die Vorauszahlung als Vorauszahlung auf den Ausgleichsanspruch im Vertrag ausdrücklich geregelt wird (also nicht nur als Teil der Provision);
  • die Vorauszahlung als selbstständige Leistung auch wirtschaftlich nachvollziehbar ist, also nicht nur ein „versteckter Teil der Provision“ ist; die dem Handelsvertreter daneben gezahlte Provision muss marktüblich sein, sie darf also nicht wirtschaftlich um die Vorauszahlung gemindert sein;
  • der Handelsvertreter vertraglich verpflichtet wird, diese Vorauszahlung zurückzuzahlen, soweit kein Ausgleichsanspruch anfällt.

Für die Praxis verbleibt daher für solche Versuche, das Risiko des Ausgleichsanspruchs „einzuhegen“, nur ein sehr geringer Anwendungsbereich. Entsprechende Vertragsklauseln sind im Einzelfall sorgfältig zu prüfen.

Größere Freiheit bei Vertretern außerhalb des EWR

Werden Verträge geschlossen mit Handelsvertretern, die außerhalb des EWR-Raums tätig werden sollen, kann das deutsche Recht vereinbart, gleichzeitig aber der Ausgleichsanspruch ausgeschlossen oder modifiziert werden. In Fällen, in denen das Recht des Tätigkeitlandes ebenfalls einen Ausgleichsanspruch vorsieht, ist allerdings unter juristischen Literaten zunehmend umstritten, ob der Ausgleichsanspruch ganz ausgeschlossen werden kann.

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